Now Apocalypse
Eine Serie, die zum Polarisieren gemacht wurde: Sex, Sex und nochmals Sex. Ganz so plump wie sich das anhören mag, ist das nicht (die ganze Zeit über). Hinter Now Apocalypse steckt Indie-Regisseur Gregg Araki (Mysterious Skin – Unter die Haut), der gemeinsam mit der Sexkolumnistin Karley Sciortino (Easy) das Drehbuch für den 2019er Next-Level-Trip schrieb. Arakis Fans wissen, dass er zu den Begründern des New Queer Cinema zählt und erkennen sofort Versatzstücke der Filme Kaboom und Nowhere wieder. Und alle anderen… wundern sich über die subversive Sprengkraft hinter der Pilotfolge. Hierzulande wird die Serie seit dem 11. März 2019 auf dem Amazon Prime-Channel Starzplay ausgestrahlt.
Los Angeles: Ulysses (Avan Jogia, Zombieland: Double Tap) ist ein homosexueller Teenager der Marke verträumter Romantiker. Trotzdem hüpft er von einem unpersönlichen Sexdate ins nächste und fordert bewusst die heteronormativen Konventionen der Gesellschaft heraus. Gäbe es Romantik wirklich, wären er und sein Mitbewohner Ford (Beau Mirchoff, Flatliners) sicherlich ein Paar. Doch dieser schläft lieber mit seiner Freundin Severine (Roxane Mesquida, Kaboom), welche am liebsten ihre monogame Beziehung öffnen würde. Und dann sind da noch Ulysses’ beste Freundin Carly (Kelli Berglund, Fosse/Verdon) und deren Freund Jethro (Desmond Chiam, The Shannara Chronicles). Bis auf Severine, welche als Wissenschaftlerin arbeitet, haben sie alle das Ziel, in Hollywood Fuß zu fassen. Eines Tages kommt Severine in einem Labor einer außerirdischen Verschwörung auf die Spur…
Hier geht es doch nicht etwa um Sex?
Originaltitel | Now Apocalypse |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 1 / 10 |
Genre | Comedy, Drama |
Cast | Ulysses Zane: Avan Jogia Carly: Kelli Berglund Ford: Beau Mirchoff Severine: Roxane Mesquida Gabriel: Tyler Posey Isaac: Jacob Artist Jethro: Desmond Chiam |
Seine ersten Erfahrungen als Episodenregisseur sammelte Araki passenderweise bei anderen Teenieserien: Tote Mädchen lügen nicht und Riverdale. Folge 1 von Now Apocalypse bietet ein wildes Durcheinander an flippigen Figuren und natürlich ganz viel Sex. Ein Markenzeichen des Regisseurs, der mit seiner “Teen Apocalypse Quadrologie”, bestehend aus Totally Fucked up (1993), The Doom Generation (1995), Nowhere (1997) und Kaboom (2010) bereits aussagekräftige Statements zum Thema sexuelle Offenheit lieferte. Gregg Arakis Homosexualität zieht sich durch (fast) all seine Werke und dementsprechend offen, tolerant und vielfältig sind auch seine Charaktere gestaltet. Ulysses sehnt sich eigentlich nach Halt und Geborgenheit, lebt aber in einer übersexualisierten Gesellschaft, in der sich Männer eben betrügen oder auch mal nachts irgendwo Sex auf einem Hinterhof haben, wenn die Lust das so verlangt. Und Carly verdient nebenbei ihr Geld als Cam-Girl, indem sie einfach nur einem Fremden ihre Füße zeigt. Fußfetischismus zählt noch immer zu den wenig anerkannten, wenn nicht sogar häufig verpönten sexuellen Vorlieben. Aber Now Apocalypse macht auch diesen Fetisch präsent, stellt ihn schließlich gleichauf mit Hetero-Sex oder schwulem Sex. Da Gregg Araki ohnehin besonderen Wert auf Visuelles legt, wird der Orgasmus passenderweise auch gleich noch durch eine Art Feuerwerkeffekt unterlegt. Müsste doch direkt “Kaboom” machen…
Coming of Age-Kosmos in Serie
Man kann an dieser Stelle drei Sorten Zuschauer unterscheiden: Die einen, die angeekelt von soviel Hemmungslosigkeit und sexueller Vielfalt sind und wieder wegschalten (oder gar nicht erst einschalten). Die anderen, die noch nie von Gregg Araki gehört haben und einfach von soviel Nacktheit angezogen werden (Sex sells auch 2019 noch). Und jene, denen Gregg Araki als Name ein Begriff ist oder die zumindest noch Kaboom in entfernter Erinnerung haben. Now Apocalypse lässt sich quasi als Kaboom gekreuzt mit Nowhere in Serie bezeichnen, so oft wie beide Filme narrativ und visuell rauf und runter zitiert werden. Mit James Duval und Roxane Mesquida kehren sogar zwei Darsteller des Films zurück, allerdings in neue Rollen. Auch diese Serie besticht mit schön anzusehenden Menschen, stylischen Wohnungen und modischen Klamotten. Rein optisch ist hier alles bis ins Detail durchgestylt und hebt sich gar nicht so sehr von anderen Comedyserien ab. Bis auf die Sache mit Sex, der für eine solche Serie relativ mutig dargestellt wird.
Erster Eindruck
Now Apocalypse ist ein hochinteressantes und ebenso zeitgemäßes Projekt: Der Kern der Geschichte ist alles andere als leicht zu erkennen, stattdessen gibt es Utopie und Dystopie in einem. Frei von jeglichen sexuellen Normen bewegen sich die Figuren mit ihren Onelinern durch das Luxusleben eines Studenten in Hollywood. Immer präsent sind Sehnsüchte, lose wie feste zwischenmenschliche Bindungen (dank Onlinedating heute fragiler denn je) und ganz viel Experimentierfreude. Folge 1 ist daher äußerst aussagekräftig, wenn es darum geht, das Publikum zu binden oder direkt wieder zu verabschieden.