Siúil, a Rún – Das Fremde Mädchen Vol. 3
Ein König, der unbarmherzig sein Ding durchsetzt; eine Oma, die etwas auf dem Kerbholz zu haben scheint; ein Monster, das Trennungsschmerz erlebt; ein reines Mädchen, das bösen Einfluss auf andere hat – Siúil, a Rún Vol. 3 verdichtet die Geschichte um die kleine Shiva und verdreht gängige Märchen-Archetypen.
Shiva trifft im Wald endlich auf ihre Oma und läuft dabei geradewegs in die Arme der königlichen Soldaten – eine Falle. Unfähig, den Lauf der Dinge abzuwenden, muss der Doktor mit ansehen, wie ihm das Mädchen entrissen wird. Zurück im Inneren Land versucht die Oma das alte Leben im Dorf wieder aufzunehmen. Shiva kann trotz aller Freude darüber dennoch den Doktor nicht vergessen. Und während der König seine Spielchen treibt und die Fremden ganz eigene Pläne schmieden, um die kleine Shiva zurück zu erlangen, wird das Dorf von einer Katastrophe heimgesucht.
Das Ende eines Kammerspiels
Originaltitel | Totsukuni no Shoujo |
Jahr | 2015 |
Bände | 3 / ? |
Genre | Supernatural |
Autor | Nagabe |
Verlag | Tokyopop (2017) |
Mit der Entführung von Shiva verlassen wir den Wald als Hauptbühne und lernen das Innere Land kennen. Die bisherige Kammerbesetzung aus Shiva, dem Doktor, ein paar schattigen Soldaten und noch schattigeren Fremden wird schlagartig erweitert um etliche weitere Menschen mit tatsächlich einsehbaren Gesichtern. Dabei fällt auf, dass Autor Nagabe offenbar auch bei den Menschen das Grimm’sche Feeling erzeugen möchte. Wo man der kleinen Shiva klar ihre japanischen Wurzeln ansieht (im zeichnerischen Sinne gemeint), wirken alle anderen Figuren geradezu europäisch.
Neues Tempo im gewohnten Stil
Mit dem Verlassen des esoterischen Waldes nimmt die Geschichte zugleich an Fahrt auf. Es kommen neue Komplexitäten dazu wie zwischenmenschliche Konflikte, Tragödien, Gewalt, Tod und schließlich ein neuer Weggefährte. Darüber vergisst Nagabe allerdings auch weiterhin nicht, den Leser mit eindringlichen Bildern zu versorgen. Die Trennung von Shiva und Doktor, die nächtliche Szene mit der Oma, die Wiedervereinigung auf dem weiten Felde mit Rauchsäulen am Horizont: All das ist schön und tragisch mit anzusehen.
Wer ist Shiva?
Die Fremden bezeichnen sie als reine Seele, die zur Mutter zurück gebracht werden soll. Für den König ist sie eine vom Schicksal prophezeite Schlüsselfigur, die die Menschheit vom Fluch befreien kann. Und für den Doktor? Offenbar sein ganzer Lebensinhalt. „Ohne dich bin ich….“ sind seine letzten Worte, als er Shiva verliert. Dem Doktor stehen vermutlich harte Zeiten bevor, die ihn in seinem Bestreben, Shiva zu beschützen bis an seine Grenzen bringen werden. Denn es ist die Frage, ob sich Shiva in ihrer Rolle als Heilsbringer zwischen Licht und Dunkel überhaupt noch im Einflussbereich des Doktors befindet.
Shiva selbst scheint sich ihrer eigenen Natur nicht bewusst zu sein. Völlig unbescholten geht sie durch’s Leben und bringt sowohl Glück für den einen als auch Zerstörung für die anderen. In einer Welt voller Dualität (Schwarz, Weiß, Innen, Außen) vereint Shiva beides. Wenn man nach diesem Aspekt geht, dann passt auch der Name wie die Faust auf’s Auge: Shiva – so heißt ein Gott der Hindus, der gleichsam für Schöpfung und Zerstörung steht.
Keine Teepartys in diesem Band. Stattdessen mehr Tragödie und mehr „Action“ – das tut der Geschichte nach der ganzen Rumdümpelei in Band 2 ziemlich gut. Obwohl Nagabe der kleinen Shiva keine Glanzeffekte in die Augen setzt (von zwei kleinen Szenen mal abgesehen) und damit das „Fenster zur Seele“ sehr schlicht hält, und obwohl auch der Doktor in seinem Gesicht sehr undefiniert ist und ein Zugang damit eventuell erschwert wird, tut es einem (mir) im Herzen weh, wenn die beiden gleich zu Beginn voneinander getrennt werden und der Doktor wie ein Häufchen Elend vom dunklen Wald verschluckt wird.
Band 3 haut mehr rein und bringt die Story voran und auch die Vorschau für das nächste Volume verspricht einiges. Einziger Kritikpunkt: Die Sprechblasen. Manchmal weiß ich nicht, wer denn gerade den Mund aufmacht.
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