Marvel’s The Defenders
Am 18. August 2017 war es also endlich soweit. Nach über zwei Jahren, fünf Staffeln, zahlreichen Teasern und Trailern kamen die auf Netflix aktiven Marvel-Helden Daredevil, Jessica Jones, Luke Cage und Iron Fist endlich in Marvel’s The Defenders zusammen, um ihre Kräfte zu vereinen, der Hand den Garaus zu machen und New York vor der Zerstörung zu retten. Das Ergebnis dieser krönenden Erwartungsüberspannung: … Meh?
The Defenders macht da weiter, wo Iron Fist aufgehört hat. Nachdem Danny mit Colleen nach K’un-Lun zurückgekehrt war und anstelle der Stadt nur Leichen seiner ehemaligen Ordensbrüder vorgefunden hatte, machten sich beide auf die Jagd nach Mitgliedern der Hand, um die global operierende Schattenorganisation zu zerschlagen. Gerade als sie einen Mitstreiter für ihre Mission gefunden zu haben scheinen, wird dieser aber von einer ungewöhnlich starken Kämpferin mit einem Schwert durchbohrt. Der Sterbende – ein Mitglied der Chaste, dem Gegnerorden der Hand – schickt die beiden zurück nach New York, wo der wirkliche Kampf gegen die Hand stattfinden soll. In besagter Metropole, oder genauer gesagt in Hell’s Kitchen, hat Matt Murdock, nachdem seine Geliebte Elektra im Kampf gegen die Hand in seinen Armen verstorben war, seinem Alter-Ego Daredevil inzwischen abgeschworen und kämpft wieder sehr erfolgreich im Gerichtssaal für die Gerechtigkeit. Seinen Drang, nachts auf die Straßen zu eilen und den Menschen stattdessen mit seinen Fäusten zu helfen, kann er jedoch nur schwer unterdrücken. Luke Cage wird indes nach abgesessener Haftstrafe in die Freiheit entlassen und holt die mit Claire Temple vereinbarte Tasse Kaffee nach. Während seine noch immer frei herumlaufenden Gegenspieler Shades und Mariah sich anscheinend ruhig verhalten haben, wird Luke aber von Misty Knight darüber informiert, dass immer mehr junge Leute in Harlem von einem geheimen Geldgeber für nächtliche Aufträge angeheuert werden, Aufträge, die die Angewohnheit haben, tödlich zu enden. Und Jessica Jones? Auch wenn sie ihrem Nemesis Kilgrave das Genick gebrochen hat, ist Jessica halt noch immer Jessica: Sie säuft, sie ist schlecht gelaunt und sie ist sarkastisch. Der einzige Unterschied ist, dass Leute ihr für das, was sie getan hat, tatsächlich dankbar sind … ugh. Sogar von dem H-Wort ist bei ihr die Rede, furchtbar. Den Auftrag der Ehefrau eines verschwundenen Architekten, ihren Gatten aufzuspüren, möchte Jessica dann auch erst lieber nicht annehmen, aber als ihr ein anonymer Anrufer droht, den Fall bloß nicht weiterzuverfolgen, entwickelt Jessica doch ein trotziges Interesse daran. Und dann ist da schließlich noch Alexandra, die bisher unbekannte Anführerin der Hand. Sie bekommt die Diagnose, dass sie im Sterben liegt, erfahrungsgemäß ist das eigentlich kein Problem für die Hand, doch Alexandra gibt ihrer Untergebenen Gao den Befehl, einen ominösen Plan zu beschleunigen. Wenig später wird New York von einem gewaltigen Erdbeben erschüttert und die ganze Stadt scheint in Gefahr zu sein. Wie hängt alles zusammen und können sich unsere vier Einzelkämpfer zu einem Team zusammenraufen, um ihre Heimat zu beschützen?
Und ist die Serie nun schlecht?
Originaltitel | The Defenders |
Jahr | 2017 |
Episoden | 8 (1 Staffel) |
Genre | Action, Abenteuer, Crime |
Cast | Matt Murdock: Charlie Cox Jessica Jones: Krysten Ritter Luke Cage: Mike Colter Danny Rand: Finn Jones Elektra Natchios: Elodie Yung Colleen Wing: Jessica Henwick Stick: Scott Glenn Alexandra Reid: Sigourney Weaver Claire Temple: Rosario Dawson Madame Gao: Wai Ching Ho Foggy Nelson: Elden Henson Misty Knight: Simone Missick Murakami: Yutaka Takeuchi Trish Walker: Rachael Taylor Karen Page: Deborah Ann Woll Malcom Ducasse: Eka Darville Bakuto: Ramon Rodriguez |
Na ja, nicht wirklich. Das Problem ist eher, dass die Einzelserien bisher sehr gut waren (außer vielleicht Iron Fist, aber das ist ein anderes Thema) und die Erwartungshaltung eher dahin ging, dass The Defenders in einem sensationellen Höhepunkt gipfelt. Dieser Prämisse wird die Serie schlicht nicht gerecht. Die Handlung ist sehr geradlinig und hält wenig Überraschungen bereit, aber das wirklich Enttäuschende ist, dass besonders bisherige Stärken, mit denen sich die Netflix-Serien vom Rest des MCU abgehoben haben, auf der Strecke bleiben. Man denkt dabei an Stärken wie eine finstere Grundnote, brutale Härte, emotionale Intensität, dichte Stimmung und wundervoll ambivalente Antagonisten. Fisk, Kilgrave, Diamondback und Cottonmouth, sogar Iron Fists Harold Meachum schaffen es den Zuschauern die Schauer über den Rücken zu jagen und gleichzeitig einen menschlichen Zugang zu bieten, der ihr Handeln nachvollziehbar macht und eine Spur Sympathie zulässt. Bei Alexandra finden sich dementsprechend Ansätze, aber irgendwie bleiben sie und ihre Helfer eher blass. Da Sigourney Weaver ja nun keine schlechte Schauspielerin ist und die Serie von den Daredevil-Verantwortlichen geschrieben wurde, fragt man sich wirklich, was denn schiefgelaufen ist. Es will sich keine richtige Atmosphäre aufbauen, keine Bedrohung, keine Intensität. Anstatt eines Höhepunkts des bisher Dagewesenen bekommt man uninspirierte Meterware. Diese ist nicht schlecht, aber sie ist nicht das Besondere, was man erwartet hat.
Wenn die Serie nicht schlecht ist, was ist dann gut?
Wie schon das Promomaterial anklingen lässt, wird bezüglich der Helden sehr stark mit passenden Farbthemen gespielt, die nicht nur im Intro, sondern auch in der Serie umgesetzt wurden. So sind anfangs Szenen mit Matt oft in dunklen Rottönen gehalten, mit Luke in einem warmen Gelb, Jessica in einem kalten Blau und Danny in Grün, was auch mit Farbakzenten in der jeweiligen Kleidung der Akteure konsequent durchgehalten wird. Nun kann man sagen, dass die Serie dadurch einen eigenen Look bekommt und die Helden ein farbliches Leitmotiv, man kann sich aber auch fragen, was der Power Rangers-Mist soll. Es sei an dieser Stelle jedoch positiv gewertet. Ein weiterer Pluspunkt ist die Action: Wenn vier Helden mit übermenschlichen Fähigkeiten und eine Schattenorganisation mit einem schier unendlichen Arsenal an Schlägern aufeinandertreffen, kann man sich auf die eine oder andere sehenswerte Massenkeilerei freuen, von denen es in The Defenders mehr als genug gibt und die auch durchaus sehenswert sind. Auch unter den Helden gibt es bei so vielen Egos gelegentlich Meinungsverschiedenheiten, die mit den (glühenden) Fäusten geregelt werden, sodass man sich auch auf ein paar hübsche Kämpfe freuen kann, die nicht nur Massenabfertigung sind.
Also meh halt?
Sinnbildlich für die Durchschnittlichkeit ist vielleicht das Zusammenkommen und Zusammenspiel der Figuren. Während Jessica und Luke sich schon kennen und auch die Kommentare der launigen Privatdetektivin über Matt – den einzigen Kostümierten der Truppe – sehr herrlich sind, fremdelt es doch recht stark zwischen den Protagonisten und diversen Figuren aus den Nebencasts der Serien, die hier auch zusammengeführt werden. Besonders die Gespräche zwischen Luke und Danny, die ja in den Comics ein Team bilden, verlaufen mit einer Ausnahme eher hölzern und alles wirkt sehr erzwungen. Dem Kennenlernen zwischen den einzelnen Helden wird sogar eine ganze Folge geopfert, aber genauso wie bei den Nebenfiguren wird es recht plump vollzogen, indem einfach alle Figuren an einem Ort zusammengeworfen werden und man sie ohne persönliche Motivation interagieren lässt. Das ist vielleicht das größte Problem der Serie: Sie ist zu plump. Die Geheimnisse der Hand werden alle restlos aufgedeckt und die Organisation verliert das Bedrohliche, das aus dem Geheimen entstanden war. Die Helden werden möglichst schnell zusammen und in Keilereien geworfen und folgen dann ohne Umwege oder Wendungen ihrem Bahngleis zum Finale. Es wirkt so, als hätte es eine Checkliste mit Sachen gegeben, von denen die Macher glaubten, dass Fans sie sehen wollen, also wurde das alles einfach abgehakt und auf Nummer Sicher gegangen. Leider ist dabei alles verloren gegangen, was die bisherigen Serien gut gemacht hat. The Defenders ist keine schlechte Serie, aber sie ist nichts Besonderes und damit leider die bisher schlechteste Serie der Reihe.
Man denke sich hier von mir vielleicht einen etwas melancholischen Seufzer. Ich habe einige Kritiken und Meinungen gelesen und der Konsens war größtenteils – in unterschiedlichen Polemikgraden –, dass Defenders eher enttäuschend war. Die Serie ist nicht schlecht, wirklich nicht. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt und weiß, dass ich sie mir bestimmt nochmal ansehen und dann auch wieder unterhaltsam finden werde. Das Problem ist einfach, dass Defenders enorm gegenüber den bisherigen Serien abstinkt und auch an den Vorgängern gemessen werden muss. Alleine der kleine Punisher-Teaser am Ende hatte mehr von dem, was die bisherigen Titel ausgemacht hat, als die 8 Folgen davor. Man kann mutmaßen, ob das ganze Projekt vielleicht zu überhastet umgesetzt wurde und eine etwas längere Produktionszeit dem Endergebnis gutgetan hätte. Da durchweg alle vier Helden eine weitere Staffel bekommen, kann man wohl davon ausgehen, dass dies auch in einer zweiten Defenders-Staffel gipfelt. Ich hoffe einfach, dass diese dann vielleicht etwas mutiger und ambitionierter umgesetzt wird.