86: Eighty-Six (Staffel 1)
“Wenn sie alle tot sind, wäre es, als hätten sie nie existiert.“ So lauten die Worte des Oberst Jérôme Karlstahl an die Protagonistin Vladilena Milizé, die deutlich aufzeigen, wie wertlos Menschenleben im Krieg sind. Die Rede ist hierbei von der Kriegsserie 86: Eighty-Six, die in der Anime Spring Season 2021 in Japan startete und nach einigen Verschiebungen im März 2022 endete. Die Geschichte der renommierten Light Novel-Vorlage wurde dabei von Studio A-1 Pictures (Aldnoah.Zero) in insgesamt 23 Folgen umgesetzt. Sie handelt vom Krieg zweier benachbarter Nationen, aber auch von der Diskriminierung ethnischer Minderheiten, die von der Regierung gezwungen werden als Soldaten auf dem Schlachtfeld zu kämpfen. Bei der weltweiten Anime-Community erfreut sich das dramatische Werk steigender Beliebtheit, denn es konnte bei den Anime Trending-Awards 2022 sechs Auszeichnungen einheimsen, unter anderem in den Kategorien “New Anime of the Year“, “Best Sci-fi/Mecha“, “Best Adaptation“ und “Best Soundtrack“. Hierzulande ist die Produktion vollständig beim Streaming-Anbieter Crunchyroll zu sehen.
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Seit Jahren befindet sich die Republik San Magnolia im Krieg, denn sie wird immer wieder von dem benachbarten Imperium Giad angegriffen. Die Feinde attackieren dabei mit unbemannten Drohnen, wodurch San Magnolia diese Technologie nach langer mühsamer Forschung nachgebaut hat, um die Zahl der gefallenen Soldaten zu senken. Doch dies nur zum Schein, denn in Wirklichkeit existiert ein geheimer 86. Distrikt. So werden die Drohnen von Menschen aus dem 86. Distrikt gesteuert, was der Öffentlichkeit vorenthalten wird. Die sogenannten „Eighty-Six“ sind eine Minderheit der Bevölkerung, die sich aus einer Mischung verschiedener Völker zusammensetzt. Als Soldaten sind sie gezwungen, auf dem Schlachtfeld zu kämpfen. Eines Tages wird Major Vladilena Milizé die neue Kommandeurin des Spearhead-Geschwaders. Doch jeder Kommandeur, der dem Geschwader bisher zugewiesen wurde, ist entweder zurückgetreten, verlor den Verstand oder beging Selbstmord. Trotz der mysteriösen Vorfälle rund um ihre Vorgänger tritt Vladilena ihre neue Stellung an. Das Geschwader wird dabei von Shinei Nouzen, dem „Undertaker“, angeführt, der einen etwas zweifelhaften Ruf besitzt und jede Schlacht überlebt hat. Mitten im Krieg prallen mit Vladilena und Shinei die unterschiedlichen Welten zweier junger Menschen aufeinander …
Geächtet und in den Tod geschickt
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Originaltitel | 86: Eighty-Six |
Jahr | 2021–2022 |
Episoden | 23 (in 1 Staffel) |
Genre | Action, Drama, Science-Fiction |
Regie | Toshimasa Ishii |
Studio | A-1 Pictures |
Seit März 2022 vollständig auf Crunchyroll |
Zuerst wird dem Publikum die sympathische Figur Vladilena Milizé vorgestellt, die schon im jungen Alter ein Major ist. Dies hat auch einen speziellen Hintergrund, da schon ihr verstorbener Vater Václav dem Militär angehörte. Dabei kennt sie schon länger die Wahrheit über die Drohnen, die von den Eighty-Six gesteuert werden, da sie einst von ihrem Vater auf das Schlachtfeld mitgenommen wurde. Dadurch denkt sie anders, als ihre Mitmenschen und empfindet Mitgefühl für die Soldaten. Zudem lässt sie keine Gelegenheit aus, um ihren Unmut über die Diskriminierung der Eighty-Six zu äußern und Rekruten über die wahre Geschichte aufzuklären. Was jedoch nicht erwünscht ist, denn die Republik San Magnolia lässt die Öffentlichkeit glauben, dass es keine Todesopfer des Krieges auf ihrer Seite gibt. Dabei werden in der Realität viele junge Soldaten einfach in den Tod geschickt. So besitzen die Menschen aus dem 86. Distrikt keinerlei Bürgerrechte und werden schlichtweg als „fehlentwickelte menschenähnliche Schweine“ angesehen. Es lässt sich klar beobachten, dass Vorurteile und Rassismus gegenüber einer Minderheit der Bevölkerung bestehen. Als Vladilena sich erstmalig über das Para-Raid (drahtloses Kommunikationssystem) beim Spearhead-Geschwader vorstellt, zeigt sich deutlich, was die Soldaten von ihr halten, denn sie wird in einer Zeichnung prompt in Form einer Sau dargestellt. Allerdings nicht verwunderlich, denn die Eighty-Six haben in ihrem Leben viel Leid erfahren und da ist Wut und Hass nachvollziehbar. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten gelingt es Vladilena mit der Zeit das Vertrauen des Geschwaders für sich zu gewinnen, denn im Gegensatz zu ihren Vorgängern, behandelt sie die Eighty-Six wie Menschen.
Der Gott des Todes
Auf der anderen Seite befindet sich Shinei Nouzen, der mit Vladilena ausschließlich über das Para-Raid kommuniziert. Den Beinamen Undertaker besitzt er nicht ohne Grund, denn er ist derjenige, der den schwer verletzten Soldaten den Gnadenstoß gibt. Zudem sammelt er kleine Bruchstücke der Kampfmaschinen seiner gefallenen Kameraden in einer Metallbox, um sie nach Kriegsende zu begraben. Er ist sozusagen der Sensenmann der Truppe und hinzu noch ein echter Veteran. Mit einigen Kameraden gehört er zu denjenigen, die schon am längsten gegen die Drohnen des Feindes kämpfen. Zwar sterben weiterhin reichlich Figuren, aber ein Teil von ihnen bleibt der Handlung erhalten. So bildet sich eine kleine Gruppe, die aus den Jungen Shinei Nouzen, Raiden Shuga, Theoto Rikka und den Mädchen Anju Emma und Kurena Kukumila besteht. Später stößt noch Frederica Rosenfort hinzu, die noch in einem relativ jungen Alter ist. Die Trauer über die gefallenen Soldaten wird nicht übermäßig dargestellt, da die Charaktere schon an ihr Schicksal gewöhnt sind und damit umzugehen wissen. Zumal sie nichts anderes außer Krieg kennen und sich Frieden für sie merkwürdig anfühlt. Dennoch mangelt es dem Werk nicht an emotionalen Momenten. Daneben wird noch Kommandeurin Vladilena mit ihrer eigenen Machtlosigkeit konfrontiert. Und gleichzeitig mit der Verzweiflung, nicht viel mehr für die Eighty-Six tun zu können. Dennoch gibt sie nie auf und zeigt mehr Menschlichkeit, als viele ihrer Kollegen. Nebenbei lässt sich durch die Kommunikation feststellen, dass zwischen Vladilena und Shinei eine hervorragende Chemie herrscht. Allerdings müssen die Fans eine Menge Geduld aufbringen bis es zu einem ersten Aufeinandertreffen der beiden kommt.
Nach und nach erfährt das Publikum mehr
Im Verlauf zeigt sich, dass hinter der feindlichen Legion noch ein weitaus schlimmerer Horror steckt. So enthält die Serie einige Psycho-Momente, die zusätzlich durch tiefere Einblicke in Shineis Vergangenheit offenbart werden. Generell besitzt die Produktion eine Reihe bedrückender und düsterer Themen, wodurch sie für eine junge Zuschauerschaft eher ungeeignet ist. Allerdings verliert sie sich nicht komplett in deprimierenden Szenen, da es eine Menge heitere Momente gibt, die dazu dienen, die Charaktere näher kennenzulernen, die Geschichte voranzutreiben oder um Ortschaften zu erkunden. Das Geschehen verläuft in 86: Eighty-Six nach einem Sternenkalender, wodurch die Zuschauer auf die häufigen Angaben des Datums achten müssen. Wobei dies nur relevant ist, wenn in die Vergangenheit gewechselt wird. Nebenbei hat das Werk einige Überraschungen (oder besser gesagt Wendungen) auf Lager. Gerade in der zweiten Hälfte der Staffel steigert sich die Spannung nochmal. Was noch auffällt, ist dass ab und zu deutsche Wörter oder Namen wie beispielsweise “Kirschblüte“, “Nachzehrer“ und Ernst Zimmermann auftauchen. Dabei zeigt sich wieder die Begeisterung der Japaner für deutsche Wörter und Namen. Generell würde es wenig überraschen, wenn das Werk von Deutschland und dem Nationalsozialismus inspiriert wäre.
Was lange währt, wird endlich gut
Die erfolgreiche Light Novel 86: Eighty-Six der Autorin Asato Asato diente als Vorlage für die Anime-Adaption. Es wurde zudem bekannt, dass Asato sich an der Produktion der Staffel beteiligte. Aufgrund der komplexen Geschichte eine durchaus verständliche Entscheidung seitens A-1 Pictures, die Autorin mit ins Boot zu holen. Die Regie übernahm Toshimasa Ishii (Erased – Die Stadt, in der es mich nicht gibt), der problemlos die Light Novel in animierte Form übertragen konnte. Die 23 Folgen wurden dabei als ein sogenannter Split-Cour in Teil 1 (11 Folgen) und Teil 2 (12 Folgen) veröffentlicht. Somit flimmerte der erste Part in der Spring Season 2021 über die Bildschirme. Die Fortsetzung folgte dann nach einer Pause in der Fall Season 2021. Da produktionstechnische Gründe immer wieder zu Verschiebungen der Folgen führten, konnte die Serie erst März 2022 abgeschlossen werden. Der Grund dabei ist simpel, denn es wurden wieder Programmplätze bei japanischen Fernsehsendern für den Titel frei und die Animatoren hatten mehr Zeit für die Optimierung der Folgen. Die Animationen sind bei 86: Eighty-Six größtenteils aufwendig und von einer guten Qualität, wodurch die Verzögerungen nachvollziehbar sind.
Gelungene Umsetzung des Stoffs
Die Gefechte mit den Kampfmaschinen, die “Juggernauts“ genannt werden, sind episch dargestellt und mit der Untermalung von Musik hervorragend in Szene gesetzt. Die Zuschauer sollten sich jedoch nicht vom Mecha-Aspekt abschrecken lassen, denn es wird nicht ständig mit Drohnen gekämpft, da einige Folgen eher ruhig verlaufen. Daneben fällt auf visueller Ebene auf, dass die Zeichnungen oft detailreich ausfallen. Gerade Schriftstücke, Wandbilder und dergleichen hinterlassen einen positiven Eindruck. Das Lager der Eighty-Six besitzt draußen eine Wandmalerei mit den Worten “Welcome to the base closest to heaven!“ und “Pig“, was nochmal die Situation der Soldaten verdeutlicht. Des Weiteren werden die Kriegsschauplätze und verlassene Ortschaften eindrucksvoll verbildlicht. Unter den Synchronsprechern können Ikumi Hasegawa (Sanami Asagawa in Iroduku: Die Welt in allen Farben) als Vladilena und Shoya Chiba (Kou Minamoto in Toilet-Bound Hanako-kun) als Shinei stimmlich glänzen. Respektvoll zu erwähnen ist auch noch Natsumi Fujiwara (Abigail Jones in Great Pretender) in der Rolle von Theoto Rikka. Fujiwara gab nämlich der Serie einen echten Gänsehautmoment, als Theoto seine Verärgerung gegenüber Vladilena kundtut. In der Szene konnte sie eine beachtliche stimmliche Leistung abliefern.
Studio setzt auf populäre Komponisten
Der eröffnende Song „3-pun 29-byo“ wurde von der Band hitorie (Ending von Dance Dance Danseur) beigesteuert. Ein überaus gelungenes Intro, welches aber erst nach mehrmaligem Hören die volle Wirkung entfalten kann. Die Animationssequenzen sind hingegen etwas unspektakulär geraten. Als zweites Opening gesellt sich “Kyoukaisen“ von amazarashi (Ending von Dororo) hinzu. Dieses stellt seinen Vorgänger deutlich in den Schatten, da es die Serie schlichtweg besser repräsentiert. Es ist visuell mit viel Symbolik und Gefühl ausgestattet, was den ohnehin schon starken Song zusätzlich stützt. Bei den Endings kam niemand geringeres, als der populäre Komponist Hiroyuki Sawano (Kabaneri of the Iron Fortress) an Bord, denn die Lieder „Avid“ und „Hands Up to the Sky“ stammen von ihm. Das erste wird von Mizuki performt und das zweite von Laco. Der Titel „Hands Up to the Sky“ stellt sich dabei als eine besonders starke Komposition mit Ohrwurm-Potenzial heraus. Den Abschluss macht das sentimental klingende Lied “Alchemilla“ von Regal Lily. Dieses Outro kann jedoch nicht ganz mit den Vorgängern von Sawano mithalten. Visuell sind alle Endings schlicht und langweilig geraten, weshalb sie nicht allzu lange im Gedächtnis verbleiben werden. Insgesamt besitzt 86: Eighty-Six einen ausgezeichneten Soundtrack. Die epische Hintergrundmusik entstand dabei nicht nur durch Hiroyuki Sawano allein, sondern in Zusammenarbeit mit Kohta Yamamoto (Attack on Titan: Final Season).
Fazit
86: Eighty-Six ist wieder eine waschechte Militär-Anime-Serie, die sich einigen düsteren Themen wie Diskriminierung, Kriegsverbrechen, Leid und Tod widmet. Dabei beinhaltet sie auch übernatürliche Elemente, denn es gibt vereinzelt Figuren, die besondere Fähigkeiten besitzen. Die Hauptcharaktere Vladilena Milizé und Shinei Nouzen schaffen es beide auf ihre Weise zu überzeugen. Sie sind echte Schlachtfeld-Genies und es ist wahrlich erfrischend, mal keine nervigen Hauptfiguren serviert zu bekommen. Vladilena besitzt eine angenehme und kluge Persönlichkeit, während Shinei innerlich wunschlos wirkt und noch seinen Lebenssinn finden muss. Die restliche Gruppe bestehend aus Raiden, Theoto, Anju und Kurena sind zwar Stereotypen, aber durchaus sympathische. Hervorstechen kann der Blondschopf Theoto, denn er hat eine künstlerische Ader, die er in der Serie immer wieder unter Beweis stellt. Später stößt noch Frederica Rosenfort in der Handlung hinzu, die gerade zu Beginn einen etwas lästigen Loli-Charakter abgibt. Insgesamt betrachtet wird die Produktion 86: Eighty-Six keinen Orden für Andersartigkeit gewinnen, aber dafür überzeugt sie durch ihre fesselnde Geschichte. Und gerade in der zweiten Hälfte konnte sich die Handlung nochmal ein Stück in Sachen Spannung steigern. Ich kann die Serie insbesondere Fans von Attack on Titan und Seraph of the End ans Herz legen, denn in einigen Aspekten fühlen sich die Titel gleich an. Am Ende hat sich die tragische Kriegsserie neben Tokyo Revengers zu einem meiner Highlights aus dem Jahr 2021 gemausert. Zudem hat sie mir mit “Kyoukaisen“, “Avid“ und „Hands Up to the Sky“ drei großartige Lieder beschert.
© Crunchyroll