Armitage III

Ein weiblicher Cyborg bekämpft vor einem dystopischen Setting Cybercrime und das mit dem Spirit der späten 80er bzw. frühen 90er. Ist die Rede von Ghost in the Shell? Nicht in jedem Fall. Denn noch ehe der Anime-Blockbuster von Mamoru Oshii 1995 berühmt wurde, erschien im Winter desselben Jahres die vierteilige OVA-Serie Armitage III. Gemeinsam mit Bubblegum Crisis, Akira, Appleseed und Battle Angel Alita entstand eine kleine, doch bedeutende Welle an Cyberpunk-Animes, deren Klasse nie wieder in diesem Maße erreicht werden sollte und stilprägend war. Armitage III erreichte vor allem in Deutschland einen Bekanntheitsgrad durch die mehrfache Ausstrahlung des TV-Senders VOX zwischen 1999 und 2001. Die Serie, die ihrer Zeit weit voraus war, erschien erstmals Ende der 90er als VHS und 2002 mit neuer Synchronisation schließlich auf DVD. Dank NipponArt erhielt die Serie am 28. September 2018 eine Complete Edition, welche sämtliche Teile der Reihe beinhaltet.

  

Der Mars im Jahr 2179. Schon seit langem leben die Menschen nicht mehr nur auf der Erde, sondern haben auch den Mars bevölkert. In eigentlich friedlicher Ko-Existenz zu Androiden. Doch die Gesinnung der Menschen gegenüber den Androiden hat sich mit der Zeit verfinstert. Die künstlichen Intelligenzen seien Schuld an den auf dem Mars dominierenden sozialen Problemen. Der Polizist Ross Sylibus erhält den Auftrag, eine Mordserie an Androiden aufzuklären. Er selbst hasst Androiden, nachdem seine einstige Partnerin von einem Roboter getötet wurde. Dass sich ausgerechnet seine neue Kollegin Naomi Armitage als solches Wesen herausstellt, macht es Ross nicht leichter. Nach anfänglichen Eingewöhnungsschwierigkeiten deckt das ungleiche Duo ein politisches Komplott auf, welches zum Ziel hat, alle Androiden auf dem Mars zu zerstören…

Dreimal Armitage, zweimal fast identisch

Armitage III erschien zunächst unter der Regie von Hiroyuki Ochi (Sol Bianca) als Vierteiler für den japanischen Home Video-Markt. Diese vier Episoden fanden hohe Akzeptanz und wurden für ein internationales Publikum neu zusammengeschnitten. Daraus entstand schließlich Armitage III – Poly Matrix. Dieses bietet eine gestraffte Erzählung der Serie mit circa zehn Minuten neuem Material und bot sich für TV-Ausstrahlungen geradezu an. 2002 meldete sich die Reihe mit einer filmischen Fortsetzung zurück, die an den Fersten Film anknüpft. Ganz ohne Szenen zu recyclen erzählt Armitage III – Dual Matrix welchen Ausgang die Geschichte um den Cop und seine Androidenpartnerin nimmt. Damit dieser Brückenschlag gelingen konnte, wurde Poly Matrix um eine wichtige Information ergänzt: Die Gebärfähigkeit von Androiden.

Wer bin ich und wie viele davon?

Als Armitage III 1995 auf den Markt kam, hatte der zu Beginn der 1980er entstandene Begriff des Cyberpunks bereits seine erste Welle abgeschlossen und große Medientitel hervorgebracht, die das Genre prägen sollten. Etwa den Blockbuster Blade Runner, die Romane der Neuromancer-Trilogie von William Gibson oder der Manga Ghost in the Shell. Doch der Anime-Markt bot nur wenige Titel, die in diese Kerbe schlugen. Somit gehört Armitage III zu den ersten Werken des Cyberpunk-Animes. Zu diesem Zeitpunkt waren humanoide Roboter in Erzählform nichts Neues mehr und auch die Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz wurde nicht zum ersten Mal gestellt. Dennoch sind diese beiden Kernthemen das, was die DNA der Reihe ausmacht.

Gesellschaftliche Relevanz

Originaltitel Armitage III, Armitage III – Poly Matrix, Armitage III – Dual Matrix
Jahr 1995, 1996, 2002
Episoden 4 + 2 Filme
Genre Action, Cyberpunk
Regisseur Hiroyuki Ochi
Studio AIC

Besonders interessant ist der gesellschaftlich-politische Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch den Anime zieht. Androiden werden dabei nie als gänzlich negativ dargestellt, sondern anhand von Armitage und anderen Frauen als empathische und talentierte Wesen. Während Armitage insbesondere hervorragende Kampffähigkeiten und einen scharfen Instinkt mitbringt, sind die anderen Androidinnen auf künstlerischen Gebieten begnadet. Die Suche nach dem mordenden Psychopathen verleiht der Serie zusätzlich ein Crime-Element, das der Handlung einen spannenden Rahmen gibt. Animationstechnisch zählt die Serie nicht zu den größten Brettern und auch der Sprung ins Filmformat hat hieran wenig optimiert. Die Reihe weist ein Vielfaches an Standbildern und Wiederholungsanimationen auf, was angesichts des Alters verschmerzbar ist. Musikalisch hebt sich Armitage III von anderen Produktionen ab. Hier geht es vergleichsweise ruhig zu, was mit kalten Trance-Teppichen untermalt wird. Beatlastige Stücke zur Steigerung der Dynamik sind selten, stattdessen zahlt die Musik auf das klinisch-futuristische Ambiente ein.

Dual Matrix

In Armitage III – Dual Matrix sind Naomi und Ross verheiratet. Sie leben mit ihrer kleinen Tochter und unter falschem Namen ein beschauliches Leben auf dem Mars. Man könnte beinahe von einer Idylle sprechen. Doch Naomi bewegen Fragen, die ihr keine Ruhe und sie immer wieder über ihre Existenz sinnieren lassen. Der inhaltlich zweite Teil der Reihe fügt dem Szenario einige bemerkenswerte Facetten hinzu. Da ist zum einen Armitage, die als Androidin nun Mutter ist und eine Beziehung zu einem Menschen führt. Gleichzeitig werden aber auch die Androiden weiterentwickelt, wie sich an den Fähigkeiten der Thirds zeigt. In diesem Punkt ist die OVA besonders gut gelungen, denn sie nimmt sich die Zeit durchzuatmen und philosophische Fragen aufzuwerfen, ehe sich die zweite Hälfte in Action stürzt. Doch selbst dort geht es im Subtext noch immer um Armitages Identität. Denn ihre Widersacher sind zwei Kopien ihrer selbst, die genauso aussehen.  Insgesamt wirkt Naomi in diesem Teil erwachsener, was vor allem ihrer neuen Rolle zuzuschreiben ist. Mit ihr ist auch der Zeichenstil gereift. Erwähnenswert ist die Auflösung von 4:3, die einen Retro-Look schafft, während Poly Matrix mit 16:9 daherkommt.

Deutsches Release

Die Gesamtausgabe von NipponArt besteht aus einem Novaschuber, welcher ein aufklappbares Digipack beinhaltet. Auf drei DVDs sind Armitage, Armitage III – Poly Matrix sowie Armitage III – Dual Matrix verteilt. Die Bildqualität entspricht dem Stand des ersten Releases 2002. Als Bonusmaterial ist ein kurzes Making of zu Armitage III – Dual Matrix, das Einblicke in die englische Synchronisationsarbeit von Elizabeth Berkley und Kiefer Sutherland gewährt. Der Gesamtausgabe liegen zudem ein Aufkleber im Postkartenformat sowie ein Booklet bei. Das Booklet beinhaltet ausschließlich Bilder, keine Texte oder Beschreibungen. Dafür gibt es reichlich Bildmaterial sowie eine Beziehungsmatrix, die das komplexe Beziehungsnetz veranschaulicht. Die deutsche Synchronisation entspricht der aus den 90ern und setzt die 2009 verstorbene Veronika Neugebauer als Naomi Armitage in den Fokus. Anime-Fans kennen ihre Stimme zu gut als Sailor Jupiter (Sailor Moon) oder Ash Ketchum (Pokémon). Das ist Fluch und Segen zugleich: Einerseits trifft sie den überschwänglich-starken Grundton des Charakters sehr passend, andererseits weckt ihre Stimme unweigerlich Assoziationen zu den anderen beiden Charakteren. Der Sprecher von Ross ist Benjamin Völz, der zu den weniger häufig gehörten Stimmen im Anime-Segment zählt und daher positiv auffällt. Durch die Existenz von Poly Matrix wirkt die Serie beinahe überflüssig, ist aber eine nette Beigabe. Echte Fans werden beide Versionen lieben, alle anderen sollten sich an Poly Matrix halten.

Armitage III gilt als Alternative für diejenigen, denen Ghost in the Shell nicht ausbalanciert genug ist und zu wenig Action bietet. Der nachdenklich-philosophische Ton ist mit Blade Runner vergleichbar, was den Stellenwert des Titels im Cyberpunk-Genre hervorhebt. Nachdem Ghost in the Shell und Battle Angel Alita Revivals erleben und dank ihrer Thematik Klassiker-Potenzial mitbringen, steht Armitage III dem in nichts nach. Das deutsche Release lässt keine Wünsche offen. Der blaue Novaschuber macht sich gut im Regal und das Digipack bietet vier große Motive von Armitage, die im Digitalzeitalter eher selten vorzufinden sind. Poly Matrix und Dual Matrix sollte man unbedingt zusammen ansehen, da die Entwicklung gelungen ist.

Vielen Dank an NipponArt für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.
Die Rezension unterlag keinen inhaltlichen Vorgaben und spiegelt lediglich die Meinung des Autors wider.
© AIC/NBCUniversal Entertainment

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Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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