Bubble

Die kleine Meerjungfrau bei Parkour-Wettkämpfen und das in einem postapokalyptischen Tokio. Darauf muss man erstmal kommen. Aber Animes überraschen gern mit völlig überdrehten Grundprämissen und liefern dann wunderbare Bilder und große Emotionen ab. So auch Bubble von Regisseur Tetsurou Araki, der mit Death Note und Attack on Titan bereits Anime-Geschichte geschrieben hat. Wer einen Blick auf die Liebesgeschichte von Parkour-Sportler Hibiki und dem rätselhaften Wasserwesen Uta werfen möchte, kann das seit dem 28. April 2022 bei Netflix tun.

 

Merkwürdige Blasen regnen auf die Welt herab, am Tokyo Tower kommt es zu einer Explosion und seitdem ist Tokio in einer riesigen Blase eingeschlossen. Innerhalb der Blase steht die verwüstete Innenstadt unter Wasser, Blasen treiben durch die Luft und die Schwerkraft ist nicht, wie sie mal war. Jugendliche schleichen sich immer wieder in die unbewohnbar gewordene Stadt, denn die grün überwucherten Ruinen sind Austragungsort für illegale Parkour-Wettbewerbe. Als Parkour-Spezialist Hibiki ins Wasser stürzt, wird eine kleine Wasserblase sehr aufgeregt, verwandelt sich in ein Mädchen und rettet Hibiki vor dem Ertrinken. Hibiki bringt das Mädchen zu seinem Parkour-Team, wo sie das Leben der Menschen kennenlernt und den Namen Uta, Gesang, erhält, weil sie zwar nicht spricht, aber singt. Sie stellt sich als Naturtalent in Sachen Parkour heraus und begleitet Hibiki zum nächsten Wettkampf. Doch als sie nach seiner Hand greift, um ihn ein weiteres Mal zu retten, löst sich ihr Arm in Blasen auf. Das Blasenphänomen spielt verrückt, offenbar wollen die Wesen Uta zurückholen. Nun ist es an Hibiki, Uta zu retten und das Rätsel der Blasen zur lüften.

Die kleine Meerjungfrau mal ganz anders

Originaltitel Bubble
Jahr 2022
Laufzeit 100 Minuten
Genre Science-Fiction, Romanze
Regie Tetsurou Araki
Studio Wit Studio
Veröffentlichung: 28. April 2022 auf Netflix

Wer mit Disneys Arielle, die Meerjungfrau aufgewachsen ist, für den hält die Originalfassung des Märchens von Hans Christian Andersen eine böse Überraschung parat. Nein, die kleine Meerjungfrau kriegt den Prinzen nicht. Der heiratet eine andere, die kleine Meerjungfrau stirbt. Weil sie kein Christenmensch ist, hat sie keine Seele und darum kommt sie nicht in den Himmel, sondern zerfällt zu Meeresschaum. Hmpf. Wahrlich kein Disney-taugliches Ende. Bubble pickt sich gerade den unverdaulichsten Teil der Geschichte heraus, um daraus eine bittersüße Liebesgeschichte zu machen. Irgendwie sind die Blasen, die Tokio überfallen, vernunftbegabt. Eine kleine Blase verliebt sich in einen Jungen und wird zum Mädchen. Zum Schluss löst sie sich wieder in Blasen auf. Dazwischen lernt sie die Menschenwelt kennen: Sonnenblumen und Spiegeleier, verliebt sein und Märchenbücher. In der Geschichte von der kleinen Meerjungfrau findet sie ein Erklärungsmuster für ihr Dasein: sie ist die Meerjungfrau und Hibiki ist ihr Prinz. Möglicherweise ist sie eigentlich Teil eines Kollektivwesens aus einer anderen Galaxis, das versucht, mit den Menschen Kontakt aufzunehmen. Aber das wird nie ganz aufgeschlüsselt. Dafür gibt es eine Menge naturwissenschaftlich-philosophische Überlegungen über den Urknall und Spiral-Formationen und wie Atome immer wieder aufeinander zu und voneinander wegdriften. Fazit: Hibiki, auch wenn Uta fort ist, du wirst nie allein sein. Eine bemerkenswert gut durchdachte und erstaunlich heitere Neuinterpretation von Andersens christlich verbrämtem Drei-Taschentücher-Finale.

Fröhlich-bunte Postapokalypse

Man hat im Kino ja schon öfter Großstädte untergehen sehen. Aber selten sahen sie nach der großen Katastrophe so sonnig und farbenfroh aus wie das Tokio von Bubble. Ein riesiger Abenteuerspielplatz für die Halbwüchsigen, die dort in den Ruinen akrobatisch rennen, springen und klettern, bis einer die Fahne schnappt und das Team eine Kiste Lebensmittel gewinnt. Kein Wunder, niemand stört sie in zwischen all dem interessant bekletterbarem Schrott, wer daneben springt, plumpst nur ins Wasser und für Könner ist die Schwerkraft mehr so eine Andeutung als ein Naturgesetz. Ja, okay, es sind alles Waisen in einer verwüsteten Welt. Aber sie haben enorm viel Spaß. Die Parkour-Szenen machen einen guten Teil des Eye Candy von Bubble aus. Und so ist die Liebesgeschichte in ein ganz simples Wettkampf-Szenario eingebettet. Zum Anfang fragt sogar einer ganz platt “Und wie waren die Regeln nochmal?” Dann geht es dreimal um die Wurst. Einmal zum Erklären und Warmwerden. Dann gegen einen ernstzunehmenden Gegner. Und zum Schluss mit verbesserter Ausrüstung, bis ganz nach oben und um die Liebste zu retten. Emotional anrührend, tiefsinnig und philosophisch geht es im anderen Handlungsstrang zu, die Parkour-Sportler wollen nur eins: Rennen. Fast bedauert man, dass am Schluss die Zivilisation zurückkehrt, da werden doch all die Ruinen wieder aufgeräumt? Wie schade!

Fazit

Bubble ist einer von den Anime-Titeln, die sich Prädikate wie “sensibel” oder “poetisch” verdienen. Der Film gewinnt einer oft bearbeiteten Märchenvorlage etwas völlig Neues ab, indem er sich naheliegender Verkitschung und Verharmlosung verweigert und die Vorlage auch in ihren unbequemen Aspekten ernst nimmt. Sie aber dennoch völlig gegen den Strich bürstet. Selten ist ein Nicht-Happy End so stimmig und fröhlich. Ach ja, und Tokio spielt mal wieder eine wichtige Nebenrolle. Diesmal als malerisch verfallenes Parkour-Gelände. Wer sich auf Liebesgeschichte und Urknall-Theorien nicht einlassen mag, der hat bei all der Akrobatik auf Hochhaus-Trümmern jede Menge zu schauen.

© Netflix

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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