Cyberpunk: Edgerunners

Das 2020 veröffentlichte Game Cyberpunk 2077 des Entwicklungsstudios CD Project RED gehört wohl zu einem der im Vorfeld meisterwarteten Spiele überhaupt, umso größer war dann die Enttäuschung zum Launch. Abseits jeglicher technischer Mätzchen und enttäuschter Erwartungen konnte sich das Game aber trotzdem eine treue Fanbase aufbauen und speziell das Setting, das auf einem Tabletop-Game basiert, wird stets gelobt. Am 13. September 2022 erblickte ein neues Projekt aus genau jenem Universum auf Netflix das Licht der Welt: Cyberpunk: Edgerunners. Die zehn Episoden umfassende Serie entstand in der Zusammenarbeit der Entwickler des Spiels und dem Animationsstudio Trigger. Ob und für wen sich das animierte Spin-off lohnt, lest ihr in unserem Review.

   

Der 17-jährige David Martinez lebt als Schüler der angesehenen Arasaka-Akademie in Night City, als seine Mutter bei einem Autounfall stirbt. Eigentlich kommt er aus armen Verhältnissen, weswegen er an der Schule stets gehänselt wurde. Als seine gemeinen Mitschüler selbst seine Mutter beleidigen, rastet er aus und mittels eines Implantates, das er in der Wohnung findet und sich einsetzen lässt, verprügelt er seinen Peiniger. Arm, verwaist und von der Schule verwiesen scheint seine Zukunft verbaut, bis er die Netrunnerin Lucy kennenlernt. Sie gehört zu einer Gruppe Cyberpunks, die mit David ein Hühnchen zu rupfen haben, da das Implantat namens “Sandevistan” eigentlich ihnen gehört. Zu seinem Glück nimmt die Gruppe ihn aber bei sich auf und er trainiert hart, um selbst ein Cyberpunk zu werden, der sich in Night City behaupten kann …

Der Waise und sein Team

Originaltitel Cyberpunk Edgerunners
Jahr 2022
Episoden 10
Genre Science-Fiction, Action, Drama
Regie Hiroyuki Imaishi
Studio Trigger
Veröffentlichung: 13. September 2022

Auf den ersten Blick dreht sich die Handlung der Serie um Davids Weg als Cyberpunk: Angefangen als Frischling mit kaum Cyberware im Körper und gerade erst aus dem Leben als Elite-Schüler ausgestiegen bis hin zu einer Legende. Netrunnerin Lucy eröffnet ihm eine ganz neue Welt, wird aber selbst von einer mysteriösen Vergangenheit verfolgt. Auch möchte sie David anfangs nur an ihre Kameraden ausliefern, da er sich unerlaubt das Sandevistan implantiert hat. Nach und nach verstehen sich die beiden aber immer besser und werden zur jeweils wichtigsten Person. Als Davids Vorbild fungiert hingegen der Anführer der Cyberpunk-Bande, der rustikale Maine. Wie ein Schleier hängt aber auch eine bestimmte Gefahr über der Geschichte, denn nicht nur, dass Davids Implantat durchaus gefährlich ist – jegliche Cyberware birgt stets das Risiko, die Psyche zu verseuchen, wodurch man den Verstand verliert und zu einem Cyberpsycho wird. Obwohl Zuschauende nicht viel Zeit mit den verschiedenen Figuren verbringen, wachsen sie dabei zum Großteil schnell ans Herz, was besonders auf David und Lucy zutrifft. Insgesamt hätten in der Hinsicht aber durchaus ein paar Episoden mehr gutgetan, da zu oft interessante Aspekte eines Charakters nur angedeutet werden.

Die Illusion, etwas Besonderes zu sein

Während den zehn Episoden wird das eigentliche Thema der Serie immer deutlicher. Es geht um die Frage nach Menschlichkeit, dem Sinn des Lebens und insbesondere die Illusion, in einer Stadt wie Night City etwas Besonderes zu sein und etwas bedeuten zu können. Night City verschlingt aber jede Seele, denn es handelt sich um eine Stadt, in der man nur als ein Mitarbeiter einer der großen Tech-Firmen – speziell Arasaka Industries und dessen stärkster Konkurrenz Militech – großartig etwas erreichen kann. Alle anderen finden sinnlos ihren Tod, zumeist indem sie für eben solche Corpos die niedere Arbeit verrichten. Cyberpunk: Edgerunners gelingt es beispielhaft, diesen Aspekt des Lebens in Night City darzustellen, sodass die Geschichte trotz dessen, dass sie letzten Endes ziemlich vorhersehbar ausfällt, zu überzeugen weiß. Denn hinter der schillernden Stadt mit all ihren Möglichkeiten wartet dann doch nur eine Tragödie, der aufgeweckte David verliert sich immer weiter selbst und jagt dem Traum nach, in Night City ganz nach oben zu kommen. Das Erzähltempo der Serie fällt dabei angenehm aus. Anders als man es bei zehn Episoden erwarten würde, wird die Handlung nur selten durchgepeitscht, sondern darf sich auch in ruhigen Momenten zwischen den Charakteren erholen.

Blutiges Spektakel für Erwachsene

Cyberpunk: Edgerunners setzt die brutale, hochsexualisierte Corpo-Welt originalgetreu um. Die Gewaltdarstellung ist entsprechend explizit. Das Blut spritzt nur so, Köpfe werden zerschossen und Körperteile abgetrennt. Kurz gesagt: Für ein junges oder zartbesaitetes Publikum eignet sich die Anime-Serie nicht. Während die drastische Brutalität durchaus ein Teil des Settings ist, so wirkt sie an einigen Stellen dennoch so, als würde sie vor allem einem Selbstzweck dienen. Zwar illustriert dies natürlich auch die Sinnlosigkeit der Gewalt, die in Night City alltäglich ist, aber die minutenlangen Gewaltorgien können das dann teils doch nicht so ganz transportieren. Sie wirken dann eher als solle das Ganze auf “cool” getrimmt sein, was aber nicht zur Message passen will. Ähnlich sieht es mit den gerade zu Beginn ziemlich spontan auftauchenden sexuellen Szenen aus. Allerdings muss man den Produzenten lassen, dass dafür die Atmosphäre des Settings sehr genau eingefangen wird. Gerade die Action-Szenen können sich zudem absolut sehen lassen, sodass Genre-Fans voll auf ihre Kosten kommen: Verfolgungsjagden, Schießereien, explodierende Autos, Faustgefechte – für jeden etwas dabei.

Für Game-Kenner und Neulinge

Ein echter Augen- und Ohrenschmaus sind ganz eindeutig die flüssigen Animationen und der fetzige Soundtrack. Das Charakterdesign trägt immer noch die Handschrift von Studio Trigger, obwohl die Serie zusammen mit CD Project RED entstand. Der Soundtrack präsentiert sich als eine Mischung aus ruhigen und aufgeregten Tracks, die aber alles andere als animetypisch wirken. Kein Wunder, schließlich handelt es sich um eine Serie zu einem nicht-japanischen Videospiel. Speziell das Ending “Let You Down” (das wundervoll animierte Video fungiert als eigenständiges Prequel zur Serie) bleibt mit den melancholischen, ruhigen Tönen aber in Erinnerung und schließt jede Episode perfekt ab. Als Spin-off des Games Cyberpunk 2077 werden sich hierbei Kenner, die ihre dutzende Stunden in Night City verbracht haben, sofort heimisch fühlen. Gerade ikonische Orte wie die Bar Afterlife sind vertraut und selbst einige coole Easter Eggs wurden eingebaut, immerhin spielt die Serie im Jahr 2076 und damit nur rund ein Jahr vor der Handlung des Games. Obwohl es sich um ein Spin-off handelt, können aber auch Neulinge ohne Probleme die Serie schauen. Allerdings können die vielen Begrifflichkeiten, Fraktionen und Begebenheiten des Settings dann erst einmal überfordernd wirken.

Fazit

Cyberpunk: Edgerunners hätte zwar an einigen Stellen mehr Episoden gebrauchen können (gerade einige der Charaktere bleiben dann doch einfach zu blass, obwohl allesamt sehr individuell und dementsprechend interessant gestaltet sind), aber insgesamt überzeugt die Serie dennoch mit einer spannenden Handlung, coolen Hauptfiguren und vor allem einem genialen Setting, das vielschichtiger nicht sein könnte. Besonders zum Ende hin schafft es die Serie, wirklich zu berühren und somit im Gedächtnis zu bleiben. Dazu trägt gerade der atmosphärische Soundtrack bei, der insbesondere in den ruhigen und emotionalen Momenten absolut glänzt. Fans des Games werden die Serie längst auf dem Schirm haben (und sich am Detailreichtum erfreuen), aber auch wer sich für dystopische Science-Fiction-Settings und gnadenlose Action begeistern kann, ist hier an der richtigen Adresse.

© Netflix

Ayla

Ayla ist Schülerin und beschäftigt sich hobbymäßig mit allen möglichen Medien, ohne dabei Beschränkungen zu kennen. Dennoch ist sie vor allem ein Serien- & Game-Junkie und liebt besonders actionreiche und dramatische Inhalte, wobei sie gleichzeitig für viele kindliche Themen zu haben ist, weshalb sie weiterhin großer Disney-Fan ist. Abseits ihrer Leidenschaft des Sammelns ihrer Lieblingsmedien schreibt Ayla gerne selbst Geschichten oder zeichnet Bilder, um sich so zu entspannen.

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