Dragon Dentist
Im Krieg setzte der Mensch schon immer Tiere ein. Auf Pferden ritten Soldaten in die Schlacht, mit Hunden spürten sie Feinde auf und wer kennt nicht die Geschichte von Hannibals Elefanten. Warum also nicht auch auf die Kraft und Fähigkeiten eines Drachen zurückgreifen, wenn es diese gibt? Jedoch bedeutet das auch, dass sich jemand auch um das Wohlergehen der geflügelten Wesen kümmert. Dazu gehört nicht nur, ihnen etwas zu Fressen zu besorgen, sondern auch die ärztliche Vorsorge. 2014 entstand für die Reihe Japan Anima(tor)’s Exhibition, für die verschiedene Studios kürzere Filmchen produzierten, die Geschichte Dragon Dentist, die wiederum 2017 in Langversion das Licht der Welt erblickte. Im Rahmen der KAZÉ Anime Nights 2020 liefen die Drachenzahnärzte am 27. Oktober 2020 in den deutschen Kinosälen. Wir fühlten dem Titel ordentlich auf den Zahn und prüfen, ob sich die 90 Minuten Spielzeit wie eine schmerzvolle Wurzelbehandlung anfühlen.
Es herrscht ein unerbittlicher Krieg zwischen zwei benachbarten Reichen. Eines davon schloss einen Pakt mit einem gigantischen Drachen, dessen Kräfte einen entscheidenden Faktor in der bevorstehenden Konfrontation darstellen. Jedoch ist das Wesen stark anfällig gegenüber allem, was seine Zähne angreift. Deswegen gibt es eine spezielle Einheit, die sogenannten Drachenzahnärzte, die sich um die Hauer des Tieres kümmert. Eines Morgens geht die junge Nonoko an ihre alltägliche Arbeit als Zahnärztin und entdeckt mit ihren Kollegen, dass ein junger feindlicher Soldat aus einem der Zähne wiedergeboren wird. Der Blondschopf heißt Bel. Seine seinen eigenen Landsleute brachten ihn um und wie es der Brauch will, wird er nun selbst zum Doktor der Beißer. Die Zähne des Tieres stellen nämlich ein Portal für die Seelen der Verstorbenen dar. Daher müssen diese in Ordnung bleiben, damit die Toten ihre Ruhe finden können. Allerdings beginnt sich das Rad des Schicksals mit Bels Ankunft zu drehen.
Auf neuen Pfaden unterwegs
Originaltitel | Ryuu no Haisha |
Jahr | 2017 |
Laufzeit | 90 Minuten |
Genre | Fantasy, Abenteuer |
Regie | Kazuya Tsurumaki |
Studio | Khara |
Veröffentlichung: 3. Dezember 2020 |
Im Gegensatz zu vielen anderen Geschichten, in denen Drachen mit in die Schlacht fliegen, geht Erfinder und Drehbuchautor Outarou Maijou (Id:Invaded ) einen anderen, kreativeren Weg. So stellt das gewaltige Wesen eher ein Portal für ein komplexes System der Seelenwanderung dar, das damit mehrere ansprechende Mysterien umgibt. Denn so wissen selbst die Ärzte nicht genau, warum hin und wieder Menschen durch die Zähne wiedergeboren werden, manch anderes lernen Zuschauende im Laufe der kurzen Spielzeit. So unterscheidet sich die Arbeit nicht so gewaltig von dem, was Zahnärzte beim Menschen machen müssen. Nieder mit den Kariesmonstern! Hier beginnt dann mit spektakulärer Waffengewalt und auch die Zwischenräume reinigend das Personal, denn auf wundersame Weise landen hierin immer wieder Gegenstände, die die Toten auf ihrer Reise zurücklassen. Dragon Dentist entführt uns wahrlich in eine fantasievolle Welt, die viele ungewöhnliche Ideen vereint. Allerdings herrscht in diesem Mundraum ein ordentliches Problem.
Die Wurzel allen Übels
In der kurzen Laufzeit steckt dermaßen viel, dass es überall an Erklärungen mangelt. Gerade das Leben auf dem Drachen schneidet die Geschichte fast zu kurz an und es wird daher nicht klar, welche genaue Beziehung zwischen den Ärzten, Tempelmitgliedern und der Armee herrscht. Außerdem bleibt unbeleuchtet, welche Funktion der Drache nun genau im Krieg hat, denn nebenbei fallen auf Seiten des Feindes (der übrigens namenlos bleibt) die Worte, dass sie den Drachen laut Vereinbarung nicht angreifen dürfen. Doch was am meisten negativ ins Gewicht fällt, dass der Drehbuchautor zwar Handlungsstränge strickt, diese aber nicht zu einem Ende führt. Es geht zum Beispiel viel um das Schicksal der Ärzte. Denn ein weiterer Weg, um diesen Job zu bekommen, ist eine Prüfung, bei dem die Leute ihren Todestag sehen. Nur wer diesen annimmt, sich also dem Schicksal beugt, darf in die Zunft eintreten, nur sorgt genau das für Unmut.
Willkommen im Team der Drachenzahnärzte
Gerade beim nachdenklichen Bel stößt es auf Unverständnis, dass sich seine neue fröhliche Partnerin Nonoko so einfach mit ihrem Tod abfindet. Womit er nicht alleine ist: Auch eine andere Ärztin stellt sich diesem System, nur hätte ihre Geschichte, vor allem die Ereignisse, die dazu führen, alleine einen Film füllen können. Auch in Sachen Figuren bietet Dragon Dentist sehr viel, mehr oder minder zu viel. Es bleibt einfach nicht genug Zeit, dass die Geschichte seine Figuren angemessen vertieft wird. Heldin Nonoko lernen wir zwar mehr kenne (genauso wie Bel) und gerade ihre psychologischen Gespräche bieten einen tiefergehenden psychologischen Stoff. Leider bleiben dafür andere Figuren auf der Strecke, weswegen uns deren Ableben nicht juckt.
Wenn der Karies zurückschlägt
Abseits all der inhaltlichen Probleme bietet das Abenteuer mit den Zahnklempnern auf optischer Ebene ein paar flotte Kämpfe. Studio Khara (Evangelion: 1.0 You Are (Not) Alone) setzt dabei auf flüssige Bewegungsabläufe, die Regisseur Kazuya Tsurumaki (FLCL) perfekt in die pastellastigen Hintergründe einfügen ließ. So wird bis auf eine Verfolgungsjagd zu Pferde, bei dem sehr viel CGI zum Einsatz kommt, viel für das Auge geboten. Selbst der Karies und all die anderen Feinde der weißen Hauer weckt das Team auf kreative Art zum Leben. Genauso die Ausrüstung der Dentisten, die hier nicht mit Bohrern zu Werke gehen, sondern mit immer anderen Waffen und Werkzeugen. Da wird schon mal eine Wurzelbehandlung zur Schlacht auf Leben und Tod, dass einem selbst die Hand an die Wange geht, aufgrund des fast schon spürbaren Schmerzes. Etwas, was vielleicht auch am Soundtrack von Neuling Hiroshi Nakamura liegt, dessen Klänge zur Stimmung beitragen.
Fazit
Dragon Dentist bietet einen ausgefallenen Mix aus bekannten fantastischen Elementen, wie Drachen, real existierenden Konflikten, kombiniert mit ungewöhnlichen Helden ‒ dem Schrecken vieler Kinder ‒ den Zahnärzten. Die Arbeit dieser ist faszinierend zu beobachten und entführt in eine ganz andere Welt. Alleine diese Szenen hätten eine ganze Serie füllen können, denn an der kurzen Spielzeit scheitert die Geschichte. So gibt es zu viel, was das Produktionsteam alles in die nur 90 Minuten hineinpackte: einen Krieg, Drachen, Seelenwanderung, Wiedergeburt, Streitereien über das Schicksal, sich aufbauende Freundschaften, Verlust und Hoffnung sowie spannungsgeladene Kämpfe. Mit Nonoko und Bel finden sich zwei sympathische Helden wider Willen, doch auch die beiden können nicht alles hier retten. So bleibt am Ende ein ansprechender Film für die Augen, aber nur ein halbgares Endprodukt was die Handlung sowie die Figuren angeht. Schade, vielleicht wird irgendwann doch noch eine Serie daraus, die die angefangenen Story-(Be)handlungen zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führt.
© KAZÉ Anime
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