Pluto

Der technische Fortschritt lässt die Menschen staunen, aber auch gruseln, denn künstliche Intelligenz ist mittlerweile nicht nur ein Phänomen in unzähligen Erzählungen, sondern wird gleichzeitig immer mehr in unserem Alltag zur Realität. Des Öfteren gibt es Berichte über geniale Erfindungen, die den Menschen helfen sollen. Doch neben den ganzen positiven Stimmen wird gleichzeitig auf die Gefahren hingewiesen, die künstliche Intelligenz mit sich bringt. Kann KI sogar eine ernsthafte Bedrohung für die Menschheit werden? Nur eine der vielen Fragen, die sich Kritiker stellen. Doch die Begeisterung für KI ist trotzdem ungebrochen und da ist es kaum überraschend, dass das Werk Pluto von Manga-Schöpfer Naoki Urasawa (Monster) eine Anime-Adaption bei Studio M2 (Onihei) erhalten hat. Die mitreißende Geschichte rund um die Koexistenz zwischen Menschen und Robotern kann seit dem 26. Oktober 2023 auf Netflix gestreamt werden.

       

In der nahen Zukunft verläuft das Zusammenleben zwischen Menschen und Robotern friedlich, aber dann kommt es zur einer Reihe von Mordfällen, von denen nicht nur Menschen, sondern auch Roboter betroffen sind. Der Europol-Ermittler namens Gesicht, der selbst Roboter ist, nimmt sich den eigenartigen Mordfällen an. Alle Opfer haben eine Gemeinsamkeit, denn ihnen wurden gewaltsam Objekte zu ihrem Körper hinzugefügt, die wie Hörner aussehen. Die ersten Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass ein Roboter für die Todesfälle verantwortlich ist. Beachtlich ist jedoch dabei, dass nicht nur Menschen, die sich für die gleichen Rechte von Robotern eingesetzt haben, getötet werden, sondern auch Roboter, die zu den sieben fortschrittlichsten der Welt gehören und daher zur Massenvernichtungswaffe taugen. Schon bald muss Gesicht feststellen, dass sich eine wahre Tragödie anbahnt …

Fortschrittliche Roboter in Gefahr

Originaltitel Pluto
Jahr 2023
Episoden 8 (in 1 Staffel)
Genre Thriller, Psychodrama, Science-Fiction
Regie Toshio Kawaguchi
Studio M2
Veröffentlichung: 26. Oktober 2023 auf Netflix

Die Geschichte nimmt ihren Lauf, als der Roboter Mont Blanc ausgelöscht wird, der zu den sieben hochentwickelten Maschinen gehört. Dieser weltberühmte Roboter stammt aus der Schweiz und war bei den Menschen ein beliebter Bergführer. Es ist daher kaum verwunderlich, dass sein Tod die Öffentlichkeit schockiert. Durch diesen Vorfall tritt der Protagonist Gesicht als Europol-Ermittler in Aktion, denn seine Aufgabe ist es, alle Mordfälle zu untersuchen, die nach dem gleichen Schema ablaufen oder einen Zusammenhang aufweisen. Doch der engagierte Mann gehört selbst zu den sieben fortgeschrittenen Maschinenmenschen und stellt daher ein mögliches Ziel für die Feinde dar. Im Verlauf wird ersichtlich, dass eine Anti-Roboter-Organisation hinter den Vorfällen steckt. Nach und nach erfährt das Publikum etwas über Gesicht, denn er kann seine Hände zu Waffen transformieren und muss sich öfters Wartungen unterziehen. Zudem hat er eine Frau namens Helena, die selbst ein Roboter ist. Dies zeigt nochmal auf, wie normal die Roboter unter den Menschen leben, denn einige gründen sogar eine Familie. Doch es gibt noch eine Besonderheit, denn Roboter sind so konstruiert, dass sie keine Menschen töten können und auch nicht lügen dürfen. Dies stimmt jedoch nicht ganz, denn es gibt einige seltene Ausnahmen, die innerhalb der Handlung aufgezeigt werden. Dabei wird der Scheinwerfer auch auf Gesicht gerichtet, denn seine Vergangenheit ist von einem Schleier umgeben. Sein lückenhaftes Gedächtnis lässt darauf schließen, dass jemand seine Erinnerungen manipuliert hat. Aber erst gegen Ende der Serie erfährt die Zuschauerschaft, welche Ereignisse aus seinem Gedächtnis gelöscht wurden.

Roboter mit Emotionen

Zu den sieben fortgeschrittenen Robotern gehören Gesicht, Mont Blanc, North Nr. 2, Atom, Epsilon, Brando und Hercules. Daneben tut sich noch das kleine Mädchen Uran hervor, denn es ist die jüngere Schwester von Atom. Sie besitzt jedoch nicht die Stärke von Atom und spielt daher eher eine kleine Rolle in der Handlung. Mont Blanc, der schon zu Beginn getötet wird, bekommt nicht sonderlich viel Screentime und bleibt ein Mysterium. Anders sieht es schon bei North Nr. 2 aus, der einst eine Kampfmaschine war und dann als Butler beim Komponisten Paul Duncan arbeitet. North Nr. 2 hegt großes Interesse am Klavierspielen, was ihm Duncan jedoch untersagt, da er die Musik von Maschinen missbilligt. Gesicht trifft dann auf Atom, einem besonderen Jungen, denn dieser schafft es perfekt die Menschen zu imitieren. Er verhält sich wie ein Mensch, denn nicht nur speist er wie einer, sondern kann zudem Emotionen wie Tränen zeigen. Seine Stärke ist aber auch nicht zu unterschätzen, denn wie alle anderen hochentwickelten Roboter, taugt er zu einer Massenvernichtungswaffe. Als weiteres sticht der sanftmütige Epsilon heraus, der ebenfalls mit einer Menge Gefühlsregungen ausgestattet ist. Beachtlich ist die Tatsache, dass er der einzige der sieben Roboter ist, der nicht am 39. Zentralasiatischen Krieg teilgenommen hat. Gerne als Feigling verschrien, stellt er sich jedoch als die cleverste KI hervor. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass ein Roboter sich gegen Krieg entscheidet und sich sogar liebevoll um Waisenkinder kümmert. Des Weiteren sind da Brando und Hercules, die beide Wrestler sind. Dabei sind sie nicht nur Rivalen im Wrestling, sondern auch miteinander befreundet. Allerdings teilen sie das gleiche Schicksal wie Mont Blanc, denn sie sind zu wenig charakterlich ausgearbeitet, um Interesse beim Publikum zu wecken. In der Gänze betrachtet sind es von den sieben Maschinenmenschen nur Gesicht, Atom und Epsilon, die in der Geschichte wirklich glänzen können.

Wie alles begann

Worum geht es in Pluto nun genau? Im Grunde um die Folgen des vergangenen 39. Zentralasiatischen Kriegs, denn dieser ist der Auslöser für so einiges, was in der Gegenwart passiert. Der Krieg brachte viele Opfer hervor und das nicht nur unter den Menschen, sondern auch unter Robotern. Gefühle wie Hass und Traurigkeit sind daher ein wichtiges Thema in Pluto, denn es geht größtenteils um Rache. Im gleichen Zug geht die düstere und tiefgründige Geschichte den Fragen nach, ob Maschinen ebenfalls Gefühle wie Trauer, Reue und Hass empfinden können. Fast alle der sieben hochentwickelten Roboter waren am Krieg beteiligt und schüren den Hass des Antagonisten, der gleichzeitig der Schöpfer der KI Pluto ist. Der titelgebende Pluto ist also ein starker Roboter, der die sieben fortgeschrittenen Maschinenmenschen ins Jenseits befördern soll. Doch neben Pluto und seinem Schöpfer gibt es noch den Hauptantagonisten, der die Weltherrschaft anstrebt. Somit besitzt die Serie gleich drei Bösewichte, von denen der Hauptantagonist der Drahtzieher ist.

Pluto und Astro Boy

Die Vorlage Pluto stammt aus der Zeichenfeder von Naoki Urasawa und wurde in Japan von 2003 bis 2009 in acht Bänden veröffentlicht. In Deutschland ist die Thriller-Serie, die auf Osamu Tezukas Manga Astro Boy basiert, seit 2010 bei Carlsen Manga erhältlich. Hierbei handelt es sich jedoch um keine Kopie von Astro Boy, sondern vielmehr um eine eigene düsterere Interpretation von Urasawa. Genau genommen hat der Mangaka einige Elemente aus dem Original übernommen, aber seine ganz eigene Geschichte draus gemacht. Pluto weist ansonsten die eine oder andere Ähnlichkeit zu Urasawas früheren Werk Monster auf, denn hierin spielen polizeiliche Ermittlungen ebenfalls eine große Rolle und der Hauptcharakter gehört letztlich selbst zu den Gejagten. Zudem gibt es eine Figur in Pluto, die ebenfalls Dr. Tenma heißt und ein Experte für computergesteuerte Gehirne ist. Allerdings haben die beiden Tenmas nur die Gemeinsamkeit, dass sie beide wahre Genies auf ihren Gebieten sind. Offensichtlich ist jedoch, dass der Name aus dem Astro Boy-Universum stammt und gleich mehrmals in Urasawas Titeln Verwendung findet. Bei den Schauplätzen wird sich an mehreren Ländern in Europa und Asien bedient. Wie schon in Monster sind hierin ebenfalls verschiedene Nationalitäten bei den Figuren mit von der Partie. Darunter Japaner, Deutsche sowie Türken.

Was lange währt, wird endlich gut

Die Anime-Adaption von Pluto wurde erstmalig im Juni 2017 angekündigt. Doch veröffentlicht wurde die Serie erst im Oktober 2023, was eine Wartezeit von über sechs Jahren für die Fans bedeutete. Nicht verwunderlich, dass es schon Befürchtungen gab, dass die Produktion doch nicht veröffentlicht wird. Umso überraschender, als im Februar 2023 der erste Teaser von Netflix veröffentlicht wurde, der sofort viele positive Resonanzen seitens der Fans erntete. Entstanden ist die Serie im Studio M2 unter der Regie von Toshio Kawaguchi. Auffällig ist hierbei, dass es sich um Kawaguchis bisher wichtigste Position bei einer Anime-Serie handelt, denn größtenteils war er in seiner Laufbahn bei Produktionen für Key Animationen verantwortlich. Damit stellt Pluto seine bisher größte Regiearbeit dar, die er durchaus gekonnt meisterte. Zwar wurden der Serie nur acht Folgen spendiert, aber dafür in dreifacher Länge. Die Dauer der Folgen entspricht also meistens einer Stunde. Dies hat jedoch einen kleinen Nachteil, denn die Episoden können sich etwas langatmig anfühlen. Insbesondere, da die Geschichte recht verzwickt, dialoglastig und komplex ist. Häppchenweise in 16 Folgen wäre daher eine bessere Alternative gewesen. In Sachen Animationen wurde das Beste herausgeholt, denn Pluto muss sich nicht einmal ansatzweise verstecken. Die Beteiligten an der Produktion haben nicht ohne Grund solange gearbeitet und am Ende zahlten sich die Jahre aus. Die futuristische Welt kommt dabei bestens zur Geltung. Letztendlich hat Studio M2 nicht nur erzählerisch, sondern zudem noch animationstechnisch eine hochwertige Serie auf die Beine gestellt. Nicht unerwähnt sollte die deutsche Vertonung bleiben, denn diese wurde tadellos umgesetzt. Die Stimmfarben sind alle passend zu den Charakteren gewählt und gerade Sebastian Winkler (Siegfried in Fate/Apocrypha) als Gesicht hinterlässt einen positiven bleibenden Eindruck. Aber auch Amira Leisner (Dororo in Dororo) als Atom und Felix Mayer (Kou Minamoto in Toilet-Bound Hanako-kun) als Epsilon überzeugen in ihren Rollen.

Der Klang der Roboter

Bei Pluto wird auf typische J-Pop Openings und Endings verzichtet, denn das instrumentale Intro mit Manga-Panels ist sehr kurz gehalten und das Outro zeigt nur Credits und kommt ebenso ohne Gesang aus. Zu hören ist in beiden Fällen der Soundtrack der Serie, der vom renommierten Komponisten Yugo Kanno (Psycho-Pass) stammt. Das Intro erweist sich als eine hervorragende Idee, denn es erschafft eine düstere und bedrohliche Atmosphäre. Zudem werden hierin die Zeichnungen von Naoki Urasawa gewürdigt, die in Form von kolorierten Panels gezeigt werden. Jedoch kann sich auch die Hintergrundmusik innerhalb der Serie hören lassen. Yugo Kanno erschafft mit seinen Musikstücken die perfekte Atmosphäre für das futuristische Werk, welches mit einer Menge Emotionen daherkommt. Von harmonischen, bedrohlichen, beklemmenden bis zu emotionalen Tracks ist so einiges im Repertoire vorzufinden. Als hörenswerte Highlights stellen sich unter anderem die Tracks „Clues to The Truth“, „Restless Period“, „Puzzled Mind“, „Know My Grief“, „Past Pain“, „Sharp Ridge“, „Tremendous Twist“ und „Zeal for Life“ heraus.

Fazit

Die Anime-Serie Pluto lässt sich eindeutig in die Kategorie Thriller einordnen und sollte zugleich keine großen Erwartungen an haufenweise Action mit Robotern stellen lassen. Die Prioritäten liegen nämlich ganz anders: Polizeiliche Ermittlungen, aber auch Gefühle wie Traurigkeit und Hass werden fokussiert. Generell ist Rache ein elementares Grundthema des Werkes. Der Trigger lässt sich schnell ausmachen, denn es ist der vergangene 39. Zentralasiatische Krieg, der zu den Mordfällen in der Gegenwart führt. Im Fokus stehen sieben vermenschlichte Roboter, von denen aber nicht alle ausreichend beleuchtet werden. Am Ende stechen nur drei von ihnen heraus, nämlich Gesicht, Atom und Epsilon, die am ehesten im Gedächtnis des Publikums verbleiben. Sie sind auch diejenigen, die mit vielen Gefühlsregungen aufwarten, trotz der Tatsache, dass sie Maschinen sind. Was die Spannung angeht,  braucht die Serie durchaus etwas Zeit. So baut sich langsam von Folge zu Folge eine packende Handlung auf. Insgesamt stellt sich die Produktion als ein sehenswerter und berührender Thriller rund um Menschen und Roboter heraus. Im direkten Vergleich kann Pluto jedoch nicht mit Naoki Urasawas Monster mithalten, denn dort sind die Charaktere deutlich besser ausgearbeitet.

© Netflix

Alva Sangai

Alva Sangai beschäftigt sich in ihrer Freizeit gerne mit Medien verschiedenster Art. Egal, ob Serien, Filme, Anime oder Manga. Dabei spielt es keine Rolle aus welchem Land die Produktionen stammen, denn Alva ist da sehr weltoffen. Des Weiteren hört sie gerne Musik, schreibt Geschichten und zeichnet ab und zu. Ein Tee oder ein Cappuccino darf dabei natürlich nicht fehlen. Nebenbei beschäftigt sich Alva mit den vielen Funktionen von Clip Studio Paint EX, denn sie möchte sich in der Zukunft an einem Web-Comic versuchen. Der Name Alva Sangai setzt sich aus dem Vornamen der Protagonistin ihrer ersten längeren Geschichte, sowie ”Sangai”, Hirschen die nur in Manipur (Indien) zu finden sind, zusammen. Sangai spielt also auf ihre Bollywood-Artikel an.

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