RahXephon

Dass fremde Wesen nicht immer in friedlicher Absichte kommen, wissen wir aus einem ganzen Batzen Hollywoodfilme. Doch auch in Japan gehen die Menschen davon aus, dass Aliens nicht kurz vorbeischauen, um nach dem Weg zu fragen. In dem 2002 von Studio Bones (My Hero Academia) produzierten Titel RahXephon führt die Menschheit schon länger einen intensiven Krieg gegen Wesen aus einer anderen Dimension. Die aktuelle Pattsituation soll durch einen Einsatz der Terra-Streitkräfte in Tokio gekippt werden. Doch die Stadt, die seit mehreren Jahren unter einer undurchsichtigen kuppelartigen Barriere liegt und von den feindlichen Mächten kontrolliert wird, birgt so einige Rätsel. Anders laufende Uhren sind noch das kleinste Problem! Dank Nipponart liegt der Anime seit dem 6. Februar 2020 zum ersten Mal hierzulande als Blu-ray Collector’s Edition vor, weswegen wir einen ganz genauen Blick in die verwirrenden Ereignisse, die rund um den Jungen Ayato Kamina geschehen, werfen.

       

Im Jahre 2015 beginnt für den Schüler Ayato Kamina ein ganz normaler Tag. Plötzlich tauchen jedoch unbekannte Jets am Himmel auf und ein Kampf gegen seltsame Wesen entbrennt über der Stadt, der im Laufe der Zeit mehrere Menschenleben fordert. In dem Tumult sucht Ayato verzweifelt Hilfe für seine Freunde. Doch anstelle von Ärzten findet er zwischen den zerstörten Gebäuden nur die schöne Reika Mishima. Er beschließt wenigstens ihr zu helfen. Weit kommt er aber nicht, denn unbekannte Männer in schwarz möchten ihn abtransportieren. Die Geheimagentin Haruka Shitow eilt ihm zur Hilfe, versucht ihn aber auch nur dazu zu bringen, ihr zu folgen. Ayato kann dank Reika fliehen und gelangt in einen mysteriösen Raum, in dem sich ein gigantisches Ei befindet. Genau aus diesem schlüpft ein Kampfroboter, der auf den Namen “RahXephon” läuft und den nur Ayato steuern kann. Mit ihm zusammen muss er fortan gegen eine Alienrasse kämpfen, die den Planeten für sich beanspruchen will.

Wenn es hart auf hart kommt, dann richtig

RahXephon beginnt nicht gerade mit einem sanften Harfenspiel, sondern sofort mit einem schnellen Trommelwirbel. Der normale, arme Junge Ayato stellt sich uns gerade einmal vor und erlebt dann schon einen Schicksalsschlag nach dem nächsten. Wir Zuschauer natürlich mittendrin und genauso ahnungslos. Denn viele Erklärungen gibt es nicht. Im Gegenteil, hier werfen viele Figuren Begriffe in den Raum, ohne dass sie für uns Sinn ergeben. Dolems und Mulianer, um Beispiele zu nennen. Doch auch wenn wir nicht sofort alles verstehen, was sich vor uns abspielt, die Szenerie ist packend, faszinierend und sorgt automatisch dafür, dass wir weiterschauen möchten. Was auch gut so ist, denn nachdem Ayato Tokyo Jupiter, so der Spitzname für die Stadt unter der Kuppel, verlassen hat, erfahren wir nach und nach, was sich draußen alles abspielt. Dabei spielen Themen wie Musik, die Mayas und die Folklore Nava-Indianer eine zentrale Rolle — eine eigensinnige, aber doch faszinierende Mischung.

Nichts für zwischendurch

Originaltitel RahXephon
Jahr 2002
Episoden 26 (in 1 Staffel)
Genre Mystery, Psychological, Drama
Regisseur Yutaka Izubuchi
Studio Bones
Seit dem 6. Februar 2020 im Handel erhältlich

Jedoch dachte sich Drehbuchschreiber und Erfinder Yutaka Izubuchi (Star Blazers: Space Battleship Yamato 2199), dass es wohl besser sei, viele Dinge perfide getarnt und dezent in die Handlung zu schreiben. Es braucht Zeit, um zu verstehen, was die Mu-Rasse, das Neustimmen der Welt und der gewaltige RahXephon in Wirklichkeit sind. Vor den anfänglichen Ereignissen in Tokyo sind nämlich viele Dinge vorausgegangen, die die Handlung aber nur knapp wiedergibt. Es ist ähnlich wie bei einem Puzzle, bei dem wir am Ende Teile zusammenfügen können, aber immer noch Lücken sehen. Trotzdem erkennen wir das große, Sinn machende Ganze, bei dem es bis dahin aber wirklich nicht einfach war. Für ein Nebenbeischauen ist RahXephon absolut nicht gedacht. Doch wer seine Freude mit starken Mysteryplots hat und gerne mitdenkt, der wird hier komplett auf seine Kosten kommen. Vor allem lohnt sich ein erneutes Anschauen sehr, weil wir immer wieder neue Dinge wahrnehmen können.

Der Weg zu sich selbst

Auf dem schwierigen Weg zum fulminanten Finale begleiten wir den künstlerisch begabten Ayato. Dieser zeichnet sich zu Beginn der Handlung als eher passiv aus. Seinen Widerwillen gegenüber Befehlen legt er immer schnell ab und tut, was man von ihm verlangt. Es entsteht der Gedanke, dass das Drehbuch ihm nicht genug Screentime schenkt, um seine inneren Probleme besser darzustellen. Schlussendlich zeigt sich aber im Laufe der Handlung, dass Ayatos Erziehung daran schuld ist. Erst ab der Mitte der Story wird ihm bewusst, dass er anfangen muss, selbst Entscheidungen zu treffen und für diese dann auch geradezustehen. Ein spannender emotionaler Vorgang, dem wir beiwohnen können. Ayato selbst verbirgt einige spannende unbewusste Geheimnisse. Als normal lässt er sich definitiv nicht bezeichnen, weil er als Klon einer Mu und eines Menschen einer der Auserwählten ist, um die Welt umzuformen. Ein geschickter Schachzug, da RahXephon sich damit vom gängigen „Nobody bekommt Super-Mecha“ distanziert.

Love is in the air

Neben Ayato begleiten wir auch die taffe Agentin Haruka, die eine starke Verbindung zu ihrem Schützling besitzt. Warum genau, webte Izubuchi geschickt in die Geschichte ein. Wer jedoch aufpasst, kann sich schnell viel zusammenreimen, zumal hier die Informationskrümel besser auffindbar sind. Sie, die Agentin, die ihn aus seiner gewohnten Umgebung riss und ihn dann zu den Terra-Streitkräften bringt, wo er mit RahXephon kämpfen muss und er, der eine unergründliche Verbindung zu allem, was mit den Mulianern zu tun hat, besitzt. Diese komplexe Beziehung schlängelt sich von Anfang an durch die teils kryptischen Abläufe, bleibt dabei bodenständig, jedoch emotional aufwirbelnd und immer wieder herzlich romantisch. Haruka selbst ist eine sympathische Figur mit vielen Charakterzügen. Sie teilt gerne aus, kämpft mit ihren Gefühlen, ist eine zuhörende Freundin, leistet sich aber auch Fehltritte. Es macht immer viel Spaß, sobald die Story sich wieder auf sie fokussiert.

Mensch oder Mulianer?

Neben diesen beiden Personen bevölkert aber auch ein ganzer Haufen anderer vielschichtiger Figuren den Anime. Angefangen bei der geheimnisumwitterten Reika, die immer wieder im Zusammenhang mit RahXephon in Erscheinung tritt, bis hin zum Kommandostab der Terra-Organisation, bei der Ayato unterkommt. Sie alle erzählen ihre oft tragischen Geschichten. Was ein wenig störend dabei ist, dass sich gerade um Ayato ein kleiner Harem bildet. Denn nicht nur Haruka hat starke Gefühle für den Jungen, sondern noch mehrere andere Damen. Das hätte nicht unbedingt sein müssen, schließlich ist schnell klar, in welche Richtung die romantischen Gefühle des Jungen gehen, die er selbst nicht richtig wahrnimmt. Besonders glückte jedoch dem Schreiberling das Spiel mit den unterschiedlichen Rassen. Rotes Blut für die Menschen, blaues für die Mulianer, trotzdem ist es nicht immer einfach zu erraten, wer zu welcher Spezies gehört.

Wenn schon ein riesiger Roboter …

Natürlich kämpft Ayato in RahXephon auch. Doch wer vor allem auf langanhaltende Gefechte setzt, den enttäuscht der Anime. Unser Held steuert seinen Giganten immer wieder, allerdings sind es eher knappe, dafür abwechslungsreiche Konfrontationen. Überraschend ist dabei, dass Ayato mit jeder psychologischen Weiterentwicklung seines Selbst auch neue Funktionen freischaltet. Immerhin gibt es für den Roboter aus dem Ei keine Bedienungsanleitung! Weswegen ihm niemand vorwerfen kann, dass er Funktion B nicht schon früher einsetzte. Neben dem unterschiedlichen Design der Gegner wenden diese auch immer anderen Strategien an. So wird es auf Dauer nicht langweilig auf dem Schlachtfeld. Vor allem aber, weil neben RahXephon auch eine Jetstaffel von Terra Einsätze fliegt und ihre eigenen Manöver kann.

Alles aus einem Guss

Dass der Anime mittlerweile ein paar Jahre auf dem Buckel hat, ist offensichtlich. Doch auch aus heutiger Sicht besitzt er flüssige Animationen, fast keine Animationsfehler und noch kein auffallendes, störendes CGI. Selbst RahXephon und andere Maschinen zeichneten die Animatoren noch klassisch per Hand, weswegen sie sich perfekt ins restliche Bild einfügen. Die Hintergründe sind abwechslungsreich gestaltet und warten mit traditionellen japanischen Räumen bis hin zur militärischen Kommandobrücke auf einem Schiff auf. Besonders hervorzuheben sind die vielen versteckten Symbole. Wer darauf achtet, findet viele Farbspiele mit rot und blau, wie etwa das Erkennungsmerkmal des Blutes. Auch taucht eine abgewandelte Version des Gemäldes „Die große Familie“ von René Magritte immer wieder auf. Oftmals im Zusammenhang mit Reika, was im Nachhinein auch eine versteckte Botschaft darstellt. Das ansprechende, abwechslungsreiche Charakter-Design von Akihiro Yamada (The Twelve Kingdoms, umgesetzt von Hiroki Kanno (Fullmetal Alchemist: Brotherhood)), rundet die Sache ab.

Wo es um Musik geht, muss auch Musik drin sein

Der extrem abwechslungsreiche Soundtrack stammt von Ichiko Hashimoto. Einer Dame, die Animefans vor allem für die gleiche Funktion bei Code Geass: Akito the Exiled kennen werden und deren Handschrift davon zeugt, dass sie es schafft, klassische Klänge mit starken Techno Beats zu vereinen. Hier summen, singen, teils mit verständlichem Text oder nur aus “lalala” bestehend, die Charaktere. Mal wohlklingend und mal kräftig an den Nerven zerrend, passend zu den Gemütszuständen der Figuren. Wer seine Ohren besonders gut spitzt, darf sich auch über einen Beitrag von Richard Wagner freuen. Das symbolverhangene Opening “Hemisphere” singt die bekannte Sprecherin und Musikerin Maaya Sakamoto. Das Stück vereint ihre sanfte Stimme mit einem schnellen Beat, welches einwandfrei auf den Anime einstimmt. Ab der zweiten Hälfte von RahXephon gibt es zwar keinen neuen Einspieler, jedoch tauschte das Produktionsteam einige Bildelemente aus oder fügte neue hinzu. Im Kontrast zum schnelleren Opening steht das sehr ruhige, leicht einschläfernde Ending von Ichiko und Mayumi Hashimoto namens “Yume no Tamago”, welches optisch nicht wirklich anspruchsvoll ausfällt.

Wenn Namen richtig erklingen

Bereits 2004 erschien die Serie auf dem hiesigen Markt. Damals brachte Panini Video den Titel in sechs Volumes mit deutscher Sprachfassung heraus. Genau diese Vertonung wurde von Nipponart übernommen, sodass wir Daniel Krause (Tsukasa in .hack//SIGN) hören sowie dessen japanisches Gegenstück Hiro Shimon als Ayato (Zenitsu in Demon Slayer: Kimetsu no Yaiba). Susanna Sandvoss (Mireille Bouque in Noir) verkörpert die taffe Haruka Shitou souverän. Die durch ihre Rolle Ami in Sailor Moon bekannte Aya Hisakawa ist ihr japanisches Pendant. Maaya Sakamoto, die den Openingsong singt, spricht ebenso Reika Mishima, die wiederum in der hiesigen Fassung von Maren Rainer (Michiru Kaio in Sailor Moon Crystal) gesprochen wird. Während die Sprecher oft eine solide Leistung ablegen, hätte es nicht sein dürfen, dass Torsten Münchow (deutsche Stammstimme von Alucard in Hellsing) gleich zwei Figuren verkörpert. Neben dem undurchsichtigen Reporter Johji Futagami spricht er auch einen der immer wieder auftauchenden Bodyguards. Da seine Stimme doch sehr markant ist, fällt das leider sehr auf.

Nun auf Blu-ray Disc

Während die ältere DVD-Fassung mit argen Bildproblemen zu kämpfen hatte (vor allem die Bildstörungen im unteren Bereich fielen sehr auf) kommt die Blu-ray-Version ohne diese daher. Das Bild ist zwar immer noch im 4:3 Bildformat, erstrahlt nun aber um Welten schärfer. Schön ist, dass die Farben immer noch im gedeckten Bereich angesiedelt sind. In einem Pappschuber kommt die wunderschön verzierte Box daher, deren Motive allesamt von Akihiro Yamada (The Twelve Kingdoms) stammen und die wichtigsten Figuren zeigt. Die vier Volumes sind hingegen alle mit dem Logo der Terra Armee bedruckt. Als Beilage liegen drei Sticker dabei. Insgesamt bietet die Box viel für das Auge, nur ist es schade, dass zwei kleine Fehler bei der Gestaltung unterlaufen sind. Zwei der vier Screenshots auf der Rückseite stammen nicht aus der Serie, sondern aus dem später entstandenen alternativen Film RahXephon: Pluralitas Concentio.

Fazit

RahXephon ist schon ein wirklich ungewöhnlicher Mix an Elementen und das alles verpackt in gerade einmal 26 Episoden. Dass der Drehbuchautor nicht alles bis in kleinste Detail erzählt, ist für mich verständlich. Trotzdem macht es die Animeserie einem wirklich nicht einfach, alles zu verstehen, denn gerade einige vorangegangene wichtige Ereignisse fassen Figuren in einem Satz zusammen. Doch auch wenn ich den Anime zweimal anschauen musste, um fast alles endlich richtig zu verstehen, empfand ich beide Durchläufe als packend, interessant und sehr anregend zum Nachdenken. Ayato ist für mich ein sympathischer Charakter. Vor allem, wenn er mit Haruka zusammen ist, weil einfach die Chemie zwischen den beiden stimmt. Däumchen drückend, war ich daher von Anfang an dabei, denn ich wollte mein Happy End für die beiden. Bis zum Finale graben jedoch einige Figuren Gräber für sich selbst aus, weshalb es eine Zitterpartie ohnegleichen ist, was meine Lieblinge angeht. Die Folklore der Nava, die Elemente der Mayakultur oder die Musikthemen finde ich alle unheimlich interessant und geben der Serie eine ganz besondere Note. Dadurch hebt sie sich schlicht aus der Masse heraus. Ebenso störe ich mich nicht an den eher kürzeren Kämpfen, nur auf das obligatorische Technikgerede hätte ich gerne einmal verzichtet. Den versteckten Bildhinweisen möchte ich zusätzlich eine positive Note vergeben. Ob nun blaue Wände, berühmte Gemälde, Uhrenanzeigen, hier ist so viel, dass sich alleine dafür ein weiterer Durchlauf lohnt. Zusätzlich gibt es ein ansprechendes Charakter-Design. Sogar die Mechas gefallen mir einmal, die Hintergründe sind abwechslungsreich, flüssige Animationen mit nur wenigen kleinen Fehlern und ein wirklich bis ins kleinste Detail passender Soundtrack runden RahXephon ab. “Hemisphere” zähle ich zusätzlich seit Jahren zu einem meiner Lieblingsopenings. Ich bin daher froh, nun stolze Besitzerin der schicken Blu-Ray Box zu sein.

Vielen Dank an Nipponart für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.
Die Rezension unterlag keinen inhaltlichen Vorgaben und spiegelt lediglich die Meinung des Autors wider.

© 2001 BONES·Yutaka Izubuchi/Rahxephon project

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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Alva Sangai
Redakteur
5. Februar 2020 15:47

Die Box sieht ja echt mega aus. Die Serie gammelt noch auf meiner Watchlist. Die Box wäre mal ein Ansporn >__<