Space Pirate Captain Harlock (2013)

Wenn die Erde zu klein wird und alle weißen Flecken von den Landkarten getilgt sind, dann kann es schon passieren, dass sich die Räuber der Ozeane ins Sternenmeer aufmachen. Zumindest schien sich das Leiji Matsumoto gedacht zu haben, als er 1977 seinen Manga Space Pirate Captain Harlock veröffentlichte. Piraten im Weltraum? Dieses Konzept funktionierte sehr gut, denn die Manga-Reihe wurde gleich mehrmals als Anime umgesetzt. Die neuste Adaption ist jedoch ein fast zwei Stunden langer Animationsfilm aus dem Jahr 2013, der von Universum Anime (UFA) vertrieben wird.

  

Im Jahr 2977 hat ein Krieg fast 500 Milliarden Menschen das Leben gekostet. Danach wurde die Erde zur verbotenen Zone erklärt. Die Überlebenden versuchen, auf anderen Planeten weiter zu existieren, in der Hoffnung, irgendwann in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen. Solange blockiert die Gaia Sanction – die neue Regierung – das All um die Erde herum. Doch der Weltraumpirat Captain Harlock stellt sich ihr mit seiner Crew auf dem Raumschiff Arcadia entgegen und nimmt den Kampf gegen die totalitären Machthaber auf. Mit dem jungen Yama schleust die Gaia Sanction einen Agenten in die Piratencrew ein, der in Erfahrung bringt, was Harlock wirklich vor hat.

Damals und heute

Produziert wurde der ganze Spaß von Studio Toei Animation, das schon frühere Harlock-Filme und -Serien herstellte. Harutoshi Fukui (Okinawa: The Last Battle) und Kiyoto Takeuchi (Appleseed: Ex Machina) adaptierten Leiji Matsumotos Manga für die große Leinwand. Tetsuya Takahashi (Appleseed Alpha) steuerte den Soundtrack bei, der sich aus neuen Musikstücken und altbekannten Themen zusammensetzt. In Japan erreichte der Film am Startwochenende, in Bezug auf die Einnahmen an den Kinokassen, Platz 2. Für die deutschen Fans gab es das Weltraumabenteuer ein Jahr später als Direct-to-DVD-Produktion, vertrieben über UFA. Auch der Sprung von klassischen Zeichnungen auf 3D-Animation blieb nicht unbemerkt. 2014 wurde das Weltraumabenteuer bei den “3D Creative Arts Awards” als “Bester Internationaler 3D-Animationsfilm” ausgezeichnet und im gleichen Jahr als “Bester Animationsfilm” bei den Awards of the Japanese Academy nominiert.

Die Sprache der Piraten

Originaltitel Space Pirate Captain Harlock
Jahr 2013
Laufzeit 115 Minuten
Genre Action, Space Opera, Abenteuer
Regisseur Shinji Aramaki
Studio Toei Animation

Im Gegensatz zu manch anderen Animes im deutschsprachigen Raum hat Harlock als High-End-Produktion das Glück, eine hochwertige Synchronisation zu bekommen. Die Deutsche Synchron Filmgesellschaft mbH & Co. KG (Dirty Dancing, Emergency Room) hat sich des Stoffes angenommen und das hört man auch. Mit Sven Gerhardt (Transformers: The Last Knight), der Harlock seine Stimme leiht und weiteren professionellen Synchronsprechern wird der Film auch in der deutschen Tonfassung zu einem Genuss. Weiterhin bieten sowohl DVD als auch Blu-ray neben der deutschen Synchronisation auch die japanische Originalfassung, beides in Dolby Digital 5.1, und deutsche Untertitel.

Über 40 Jahre Space Pirate

Da fragt man sich doch, was das Geheimnis dieses Captain Harlocks ist, dass er sich seit nunmehr über 40 Jahren als Manga, Anime und Animationsfilm in der Medienlandschaft halten kann? Das Abenteuer von 2013 vereint alle Vorzüge seiner Vorgänger. Harlock ist nicht einfach nur ein Pirat auf der Suche nach Schätzen, nein, seine Beweggründe sind viel tiefer. Er möchte die Welt verbessern, den Menschen ein anders, offeneres Leben schenken. Seine Crew besteht dabei aus Leuten, die – bevor sie ihn trafen – keine Perspektiven hatten und durch ihn wieder an die Freiheit zu glauben gelernt haben. Auch vermischt Leiji Matsumoto sehr gekonnt die Möglichkeiten eines Space-Settings mit deutschen Sagen (ja, die Japaner finden unsere Mythen total cool, das war auch schon in den 70ern so). Besonders die Nibelungen-Saga hat es in viele Harlock-Adaptionen geschafft, so auch in diese. Denn die Navigatorin Miime gehört zum Volk der Nibelungen – einer der wenigen Alien-Spezies, denen Harlock auf seinen Reisen begegnet – ihre Macht ist es, die das Piratenraumschiff durchs All steuert.

Der Weltraum voller Hoffnung

Der Film hält, was er verspricht: Action und Abenteuer. Bietet jedoch auch das Aufbäumen gegen eine Regierung, die das Volk belügt. Dazu ein Gentlemen-Pirat, eine Crew aus Abenteurern, ein junger Held, der seinen Platz in der Welt sucht, Sagen und Legenden, Rache, Selbstzweifel und Schuld und die Überwindung selbiger – all das und viel mehr macht Space Pirate Captain Harlock zu einem Film, den es sich zu schauen lohnt. Und den Namen sollte man sich merken. Bereits im Dezember 2016 wurde die erste Harlock-Serie (von 1978) in digital überarbeiteter Form erneut auf den Markt gebracht. Im September 2017 folgte eine neue Manga-Reihe unter dem Titel Captain Harlock: Dimensional Voyage (bisher nur in englischer Sprache verfügbar). Wer weiß, was in den nächsten Jahren noch kommt.

Für mich vereint dieser Harlock-Film das Beste seiner Vorgänger. Er ist modern, spiegelt aber trotzdem die Space-Opera der 70er wieder (besonders, wenn man sich die Frisuren so anschaut). Es gibt einige Wendungen, die ich so nicht erwartet habe, was den Film aber nur zu einem noch größeren Genuss macht. Drama und Action vereinen sich zu einem fast zweistündigen Animationserlebnis, bei dem es keine Sekunde langweilig wird. Ich bin sehr froh, dass mir dieser Schatz im Otaku Store Göppingen von der Inhaberin empfohlen wurde und seitdem glücklich in meinem DVD-Regal neben all seinen Verwandten steht.

Zweite Meinung:

Für mich geht der Film leider nicht so ganz auf. Ich merke deutlich, dass ich die Mangavorlage oder eine der Animeumsetzungen nicht kenne, denn viele Punkte der Handlung werden in meinen Augen nicht gut ausgearbeitet. Zum Beispiel find ich die erste Sinneswandlung von Yamas nicht nachvollziehbar. Es vergeht zu wenig Zeit für ihm auf dem Schiff oder in Kontakt mit dem Captain, als dass es logisch erscheint, dass er jetzt doch auf Seite des Captains steht. Und dann wieder nicht. Und dann wieder doch.  Auch finde ich die Charaktere nur spärlich ausgearbeitet, sie gehen in der Handlung etwas unter (oder, wie im Falle der Navigatorin, des Fanservices). Aber gerade die Handlung bietet spannende Ansätze, die mir gefallen haben und zusammen mit einem Schiff, das sich selbst reparieren, aber nicht putzen kann, den Legenden und Mythen macht es Spaß, ihn sich einmal anzusehen.

Dritte Meinung:

Ich habe vorher rein gar nichts mit dem Space Pirate Captain Harlock-Universum zutun gehabt, auch wenn es mir durchaus ein Begriff war. Daher kann ich nicht beurteilen, wie diese Umsetzung ist. Allerdings kann ich zumindest als Nichtkenner sagen, dass ich gut mitgekommen bin. Weshalb der Film auch für jene geeignet ist, die kaum bis gar nicht das Original kennen. Wahrscheinlich gefällt er diesen Leuten sogar besser, weil sie eben nichts zum Vergleichen haben. Mir hat der Film gut gefallen, obwohl ich kein großer Fan von Science-Fiction und Weltraumschlachten bin. Dennoch unterhält mich der Film und grafisch ist es einfach hervorragend, so mag ich CG-Filme. Die Charaktere sind allerdings etwas flach geraten, aber innerhalb von 2 Stunden kann man wohl nicht viel mehr erwarten. Ezra und Harlock kann ich aber besser nachvollziehen, warum sie so handeln. Yama ist mir da etwas zu wankelmütig, aber andererseits wird es ihm auch nicht gerade leicht gemacht. Dennoch hätte er mal zu seinen Entscheidungen stehen sollen und sich nicht immer wie ein Fähnchen im Wind verhalten sollen. Harlocks Plan ist ja wirklich sehr theoretisch, ohne jegliche Garantie, dass es überhaupt funktionieren wird.  Aber sonst bin ich schon sehr zufrieden mit dem Film.

Grit

Grit ist Verlegerin und liebt Animes und Mangas aus den Siebzigern. Obwohl ihr erster Anime "Die Königin der 1.000 Jahre" war, gehört ihr Herz doch ewig dem Weltraumpiraten Harlock. Weiterhin steht sie auf Musik aus den 80ern und Musicals aus den 90ern … den 2000er Jahren kann sie nicht viel abgewinnen.

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Ayres
Redakteur
12. Februar 2018 23:35

Ui, irgendwie konnte Captain Harlock mich bislang nie wirklich reizen. Aber je älter ich werde, umso spannender finde ich auch Figuren, deren Wurzeln in die 70er oder 80er ragen. Hier wäre ich der alten Serie gegenüber vermutlich nicht abgeneigt. Bei CGI-Filmen bin ich (trotz eurer Wertungen) eher skeptisch, vor allem weil das Filmformat eben auch eine ausufernde Charakterisierung verhindert. Und rein vom Look her finde ich die Figuren sehr weichgespült.