Steins;Gate: The Movie − Load Region of Déjà Vu

Traut man der Mehrheit von Toplisten und den Massen an Fans, die Steins;Gate in die Annalen ihrer All-Time Favoriten erheben, steht man bei der TV-Serie einem modernen Anime-Klassiker gegenüber. Was gibt es da Blesseres als hungernde Fans mit noch mehr Material zu beglücken? Bereits mit der Ausstrahlung der letzten TV-Folge 2011 wurde die Produktion eines Spielfilms angekündigt, der 2013 in die japanischen Kinos kam und von Peppermint Anime 2016 als Steins;Gate – The Movie in die deutschen Heimkinos geholt wurde.

    

Nach den Höhen und Tiefen der TV-Serie ist Okabe endlich an der Steins;Gate-Weltlinie angelangt. Alles ist friedlich, auch 2011, ein Jahr nachdem er die Kurisu dieser Weltlinie wieder getroffen hat. Okabe albert immer noch als Hououin Kyouma herum und als Kurisu nach Japan zurückkehrt, finden sich die beiden ganz schnell in der Routine ihrer Neckereien wieder. Doch ein Schatten zieht sich über das friedliche Leben: Okabe wird von überaus realistischen Flashbacks aus seinen vielen Besuchen alternativer Weltlinien heimgesucht. Neben Kopfschmerzen nimmt das schnell mehr Tragweite an: Eines Tages verpufft er vor Kurisus Augen einfach ins Nichts und niemand erinnert sich mehr an ihn. Außer Kurisu, denn die muss ihn ja noch retten gehen.

Futter für eingefleischte Fans

Hat man die Serie gesehen, ist bekannt, dass Okabes Abenteuer konklusiv beendet wurde. Steins;Gate – The Movie schließt an die auch als Folge 25 bekannte OVA Steins;Gate: Egoistic Poriomania an, in der Okabe & Co. Kurisu in den USA besuchen gehen. Diese OVA (und unzählige Drama CDs) beweisen, dass man durchaus auch ohne düstere Bedrohungen viel Spaß mit dem Cast haben kann, wenn sie miteinander herumalbern. Damit beginnen auch die ersten 20 Minuten des Films. Die sind zwar ganz im Geiste der Serie, doch gleichzeitig auch ein frappierendes Wiederkäuen alter Szenen. Okabe albert erneut vor dem Fernseher mit dem Alpaca herum (nur diesmal ist sofort klar, was es damit auf sich hat), Mister Braun droht wieder mit einer Mieterhöhung, Okabe und Kurisu kriegen voreinander vor Peinlichkeit die Klappe nur in Form von Neckereien auf und Mayuri berichtet wieder von ihren Albträumen der Alpha-Zeitlinien oder zupft an der gleichen gelben Schleife ihres Cosplaykleids herum. Abgesehen davon haben sich auch Szenen eingeschlichen, die sich klar an die Kenner der Visual Novel-Originalvorlage richten, da sie Szenen aus zwei “Bad Ends” adaptiert, die in der Serie nie auftraten. Für reine Anime-Zuschauer sind sie potentiell hinreichend fehlleitend, da eine von ihnen relativ blutig ausfällt, was den Tenor des Films keineswegs widerspiegelt.

Versuchter, aber eher gescheiterter Mystery-Plot

Originaltitel Steins;Gate Fuka Ryōiki no Déjà vu
Jahr 2013
Laufzeit 90 Minuten
Genre Drama, Romanze, Science-Fiction
Regisseur Kanji Wakabayashi
Studio White Fox

Die Visual Novel Easter-Eggs und auch die erste Szene deuten an, dass der Film vor allem die flüchtigen Erinnerungen die in der Serie angerissen werden genauer thematisieren will. Doch dann kommen Okabes Kopfschmerzattacken und Kurisu erhält mysteriösen Besuch, dessen Gesicht dem Zuschauer lange verborgen bleibt – ihm aber durch die Stimme sofort bekannt sein wird. Als sich besagter Besuch dann endlich zeigt, wirkt er wie Fanservice, um einer alten etablierten Figur mit gleicher Funktion erneut eine Rolle zuteil werden zu lassen. Sehr viel ausgiebigere Charakterisierung erhält sie in der fast 50 Minuten langen Drama CD “A Posteriori Existence”, doch die ist nur in Japan erschienen und selbst dort nur der Limited Edition von Steins;Gate – The Movie beigefügt. Nach der ersten Wendung zur Drittellinie dreht sich die Perspektive und Kurisu nimmt die Rolle des Protagonisten ein. Der Wechsel des Blickpunkts ist grundsätzlich nicht uninteressant, aber im Folgenden wird eigentlich ein der Serie stark gleichender dramatischer Verlauf durchgegangen. Wenn auch in einem sehr viel gemächlicheren Tempo und einen guten Deut gefühlsduseliger, da Kurisu ihre Emotionen offener zeigt als Okabe und anders als bei Okabe auch kein akuter Zeitdruck herrscht. Infolgedessen ist der größere Teil des Films in trübseliger Melancholie getränkt.

Bricht alle zuvor etablierten Regeln

Ein weiterer Grund warum der Mystery-Part auf sehr wackeligem Boden steht, ist die Tatsache, dass es sich beim Film wie schon bei der OVA um nicht-kanonisches Material handelt, das auf keiner Vorlage basiert. Während die OVA beweist, dass das kein Problem sein muss, provoziert der Film unnötige Fragezeichen, indem er die Serienmechaniken komplett über Bord wirft. In der Serie wird etabliert, dass es alternative Zeitlinien gibt, diese aber keine Parallelwelten sind. Der Film kommt nun und präsentiert mit der R-Linie eine Parallelwelt. In der Serie strukturiert sich die Welt jedes Mal neu, wenn sich eine Unlogik bildet, um diese dann auszulöschen. Doch nun kann eine Figur einfach von der Bildfläche verschwinden, während die Gegenstände, die sie im Moment vorher noch trug, wie aus dem Nichts herunterfallen. In der Serie betreffen Neustrukturierungen alle zeitlichen Punkte der aktiven Weltlinie, aber hier kann Okabe für die Zukunft verschwinden und trotzdem in der Vergangenheit noch existieren. Reading Steiner ist in der Serie immer nur die Fähigkeit, sich an vorige, verworfene Zeitlinien zu erinnern. Jetzt wird sie plötzlich dazu umgemünzt, auf anderen Weltlinien zu landen. Die Zeitsprungmaschine bewirkt ein Einflößen von Erinnerungen in das Gehirn der Vergangenheit. In der Serie etabliert Kurisu, dass ein Zeitsprung von über 48 Stunden eine Gefahr für das Gehirn bildet, da sich Gehirnstrukturen ständig entwickeln und die Diskrepanz zu groß würde. Diese Regel wird im Film sogar noch angesprochen, doch ausgerechnet Kurisu selbst nimmt ihr den Wind aus den Segeln und entwertet damit ihre Charakterisierung als Neurowissenschaftlerin in der Gehirnforschung. Auch die Auflösung am Ende ergibt in dieser Hinsicht wenig Sinn: Die grundlegende Prämisse der Serie ist, dass Okabe sich mit seinem Reading Steiner über die neukonstruierten Erinnerungen bei der Neustrukturierung der Welt hinwegsetzen kann und sein Gedächtnis vollkommen unangetastet bleibt. Die Krux der Auflösung des Films ist, das Kurisu ihm durch die Zeitreise eine Erinnerung einpflanzt, die ihn in der Steins;Gate Weltlinie verankert.

Vor allem für die hungrigen Romance-Fans

Im Zentrum stehen Okabe und Kurisu, deren Liebe erneut den Beweis zu erbringen hat, dass sie Zeit und Schicksal überwindet. So sehr das Werk anfänglich versucht sämtlichen Figuren des Steins;Gate Universums einen Auftritt zu verschaffen, so kurz kommen sie gleichwohl ganz schnell wieder. Die OVA bot einen Cameo von Suzuhas zukünftiger Mutter und der Film spendiert auch einen Schnipsel zu Darus eigener Romanze, doch wird der gröbste Teil dessen ebenfalls in die begleitende Drama CD (“Inevitable Blushing Gossip”) abgeschoben. Mayuri hat noch eine etwas aktivere Rolle in einer anderen Drama CD (“Symphonia of Meanderings Hidden in Ambiguity”), während sie im Film jenseits ihrer Plot Device-Rolle und diversen Reiterationen alter Dialoge kaum etwas zu tun hat.

Produktionsqualität teilweise sogar unter Serienniveau

Steins;Gate – The Movie mag ein Film sein, doch mit einer höherwertigen Produktion wird man im Vergleich zur Serie nicht konfrontiert. So beginnt er mit einer Sequenz, in der ein CG-Flugzeug einige Minuten in voller Pracht durchs Bild zieht, während viele weitere CG-Passanten im weiteren Verlauf durch die Gegend schlurfen. Die Regie von Kanji Wakabayashi ist sehr viel weniger verspielt als die der Serie, sodass die Standbilder zwar nicht unbedingt zahlreicher, aber als solche viel auffälliger sind. Gleichfalls fallen die Figuren im Film, wenn kein Zoom auf ihren Gesichtern liegt, mit ihren grobschlächtigen Zeichnungen öfter auf. Im Gesamten wurden aber Look & Feel der Serie behalten, was sicher auch daran liegt, dass deren Regisseure Hiroshi Hamasaki und Takuya Satou bei der Produktion des Films noch als “Chief Director” mit involviert waren. Die charakteristischen ausgebleichten Farben finden sich in vielen Szenen wieder ebenso wie diverse aus der Serie bekannte Lokalitäten.

Fazit

Wenn ich mir die Welt als eine Festplatte vorstelle, an deren Zustand mit Zeitreisen herumgedoktort wird und Okabes Reading Steiner dabei ein Backup-Mechanismus ist, dann ist die R-Weltlinie vielleicht der USB-Stick auf den er zwischengespeichert wird, ehe er wieder auf die veränderte Festplatte zurückkopiert wird. Vielleicht bedeutet das Ende, dass Kurisu es, wie auch immer geschafft hat, den Rückkopierprozess zu hacken und dabei an Okabes Backup-Datensatz rumgefummelt hat? Erklärt aber immer noch nicht, warum ausgerechnet das Reading Steiner das große Drama verursacht hat. Erklärt auch nicht, warum sich eine Gegenwart und Zukunft verändern kann, ohne dass sich diese Änderung auf die Vergangenheit auswirkt. … Nope. Steins;Gate – The Movie ergibt einfach keinen Sinn, egal wie viel Technobabble vorkommt, um davon abzulenken oder wie lange man selbst darüber nachgrübelt. Es hilft auch nicht, dass die Prämisse eine recht starke Ähnlichkeit mit The Disappearance of Haruhi Suzumiya aufweist, welcher allerdings ein wirkliches Mysterium und Charakterentwicklung zu bieten hat. Es ist auch schade, dass so viel auf die Drama CDs abgeschoben wird, die nur der japanischen Limited Edition des Streifens beiliegen. Die oben genannten Titel waren noch nicht einmal alle die der Ausgabe beilagen. Die humoristisch angelegten Zusatzgeschichten sollen wohl als Ausgleich zur Sob-Story des Films dienen. (Highlight ist definitiv die Drama CD aus der Juliausgabe der Comptiq, bei der Okabe & Co. ein Experiment durchführen, durch das sich Okabe in einer virtuellen Schulzeit und einem Dating Game-Setting wiederfindet und dringend die Flucht daraus ergreifen sollte, ehe er in ein Yandere-Bad End mit Kurisus Gesicht gerät.) Was dem rein deutschen Zuschauer freilich wenig hilft. Wenn ich die Extras allerdings als deutlich unterhaltsamer empfinde, als die eigentliche Hauptattraktion, läuft mir wohl irgendetwas grundsätzlich schief. Der einzige Aspekt, der den Film herausstellt, ist die Perspektive, die in der zweiten Hälfte zu Kurisu wechselt. Aber verlässt man den animierten Bereich des Franchises macht Steins;Gate: Linear Bounded Phenogram, das 2013 in Japan fast zeitgleich zum Film erschien, in dem Punkt doch einen deutlich besseren Job. Alles in Allem ist Steins;Gate – The Movie einfach nur ein Feels-Karussell und optional zusätzlicher Fanservice für diejenigen, die vor allem mehr Okabe-Kurisu animiert sehen wollen. Nicht mehr und nicht weniger. Wer darüber hinaus nichts davon erwartet, wird auch nicht weiter enttäuscht.

Zweite Meinung:

Der Film kommt kaum an die Serie heran. Ich habe mich zum Teil sogar gelangweilt, weil die Handlung des Films nicht viel hervorbringt. Es handelt sich hier um Zusatzmaterial, welches nicht notwendig gewesen wäre, weil es einfach keinen Mehrwert zur ersten Staffel bietet. Hier wollte man wohl nur vom Erfolg der Anime-Serie nochmal profitieren. Der Movie hätte ruhig kürzer ausfallen können und dafür schneller zum Punkt kommen sollen. Denn so bleibt er einem kaum in Erinnerung, was sehr schade ist. Besonders für mich als Fan der ersten Staffel. Man kann sich Steins;Gate: The Movie ansehen, aber er ist definitiv kein Muss.

Luna

Luna residiert auf dem Mond mit ihren beiden Kaninchen. Als solche hat sie eine Faible für flauschige Langohren und ist auch nicht um die ein ums andere Mal etwas entrückte Sicht auf die Weltordnung verlegen. Im Bestreben, sich verständigt zu bekommen, vertreibt sie gerne die Zeit mit dem Lernen und Erproben verschiedener Sprachen und derer Ausdrucksformen.

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