Words Bubble Up Like Soda Pop

Schicksalshafte Begegnungen gehören zu Anime-Filmen und Serien dazu wie ein marmeladig bestrichener, in den Mund geklemmter Toast am Schultagsmorgen. Egal ob das Mädchen nun faktisch vom Himmel fällt oder mit Riesenroboter im heimischen Petunienbeet landet, um den auserwählten Normalo aufmunternd zum Weltenrettungs-Frühsport herbeizunicken, damit man nicht Gefahr läuft, den Nachmittagsunterricht zu verpassen; niemand würde hier auch nur mit einer Wimper zucken. Ungewöhnlich ist es da schon eher, wenn der schicksalshafte und wortwörtliche Zusammenstoß schlicht im örtlichen Einkaufszentrum neben dem Baby-Krabbelmarathon stattfindet, aber genau da lässt Regisseur Kyouhei Ishiguro in Zusammenarbeit mit den Studios Sublimation und Signal.MD seine Protagonisten ineinanderkrachen. Ohne Knusperweißbrot oder stampfendem Blumentod blubbert der Film in satter Buntheit seit Juli 2021 auf Netflix herum und erzählt seine simple, aber gerade dadurch ungemein runde und fokussierte Liebesgeschichte.

   

Kouichi Sakura, mit dem Online-Namen ‚Cherry‘, ist wie es das offizielle Anime-u.-Manga-Medial-Gesetzbuch Paragraph 3 Absatz A1 vorschreibt, ein eher schüchterner Teenager, der Probleme damit hat, die richtigen Worte zu finden, aber fleißig nach ihnen sucht, um seine Gedanken zumindest in Haiku-Gedichtsform Ausdruck zu verleihen. Seine Schicksalspartnerin ist Yuki Hoshino a.k.a. ‚Smile‘, die als aufstrebende Influencerin zwar deutlich energetischer auftritt, aber ebenfalls damit zu kämpfen hat, sich anderen Leuten zu präsentieren. Denn in gnadenloser Ironie zu ihrem Online-Handle versteckt sie ihre perlweißen Beißerchen stets hinter einer Maske, da sie von Natur aus mit einem kräftigen Überbiss der biberigen Sorte gesegnet ist und sich für selbige schämt. Bei einem zufälligen Ineinanderprallen vertauschen die beiden im örtlichen Einkaufszentren ihre Handys und setzen damit den Anfang einer Geschichte, in deren Verlauf sie lernen, ihre Unsicherheiten zu überwinden. Wie? Selbstverständlich indem sie einem dementen Schallplatten sammelnden brüllsüchtigen Rentner dabei helfen, einen Traum zu erfüllen.

Simpel im Herzen

Originaltitel Cider no You ni Kotoba ga Wakiagaru
Jahr 2021
Laufzeit 87 Minuten
Genre Romanze, Slice of Life
Regie Kyouhei Ishiguro
Studio Signal.MD; Sublimation
Veröffentlichung: Juli 2021 auf Netflix

Words Bubble Up Like Soda Pop ist ein Film ohne Überraschungen, der genau damit überrascht. Junge Liebe oder generelle erste romantische Gehversuche sind ein fester Bestandteil des Anime als solchem, wobei etwaig herzschmerzende Teenager meist auf dem Hintergrund epischer Mecha-Gefechte, gnadenlos supernatürlicher Schlagabtausche oder übellauniger Gottheiten ihre Gefühle gemeinsam mit beherzten Weltenrettungen jonglieren müssen. Es kann daher immer wieder erfrischend sein, eine Geschichte zu haben, die das simple Treffen zweier buntgemalter Seelen in den Fokus rückt und zeigt, wie sie sich auf ganz natürlich schlichte Weise näher kommen und gleichzeitig helfen den ein oder anderen Fleck in sich selbst zu akzeptieren oder zu bereinigen. Die Handlung um Cherry und Smile wird dabei nicht sonderlich schwermütig oder melancholisch, sondern hält eine durchgängige ruhige Leichtherzigkeit bei, die sich auch mit der typischen Anime-Überdrehtheit zurückhält. Keine übernatürlichen Entitäten funken dazwischen, kein Zwangsbösewicht springt aus einer Kiste, um seine Entführungsquote für den Monat aufzubessern und auch etwaige melodramatische Vergangenheiten dürfen das Geschehen nicht aufbauschen. ‚What you see is what you get‘ und das ist eine einfache aber ungemein fokussierte Liebesgeschichte.

Kunterbunt nach außen hin

Wobei die Redewendung streng genommen nicht zutrifft, wenn man sich den Stil von Words Bubble Up Like Soda Pop anschaut, denn der besticht vor allem durch eine ganz eigene Präsentation. Auf allzu scharfe Ränder wird verzichtet, um die Welt von Smile und Cherry in ein Meer aus klaren, prägnanten Farben zu tauchen, die den Augen funkelnd entgegen leuchten. Dabei aber immer derart clever vermischt sind, dass sie sich nie selbst im Weg stehen, nie ins Grelle umschlagen und den Betrachter zum schützenden Zusammenkneifen zwingen. Der gewählte Artstyle gibt allen Charakteren und Ortschaften einen persönlichen Stil, der es wunderbar schafft, sie von anderen Produktionen abzuheben, aber immer noch in dem Sinne ‚einfach‘ zu bleiben, dass die Bilder nie versuchen allzu groß zu werden. Es gibt keine bombastischen atemberaubenden Sequenzen, dafür einen durchweg sanften Augenschmaus, der höchstens bei einer etwas hektischen Szene im Kaufhaus schwächelt, aber sonst bis zum Ende hin eine gewisse zufriedene Wärme ausstrahlt. Die buntere Präsentation steht dabei im schönen Kontrast zu der simpel und sich manchmal auf kleinste Sequenzen konzentrierende Handlung und sorgt dafür, dass sie visuell nie ins Gelangweilte abdriftet.

Wundervoller Mix

Aus dieser feinen Kombination wird eine Geschichte geformt, die passend zu seinen titelgebenden Blubberblasen vor allem ‚rund‘ ist. Alles sitzt an seinem Platz, nichts braucht zuviel Zeit oder bekommt mit hetzenden Handbewegungen eine Stoppuhr hingestellt. Es greift alles ineinander. Gerade der Abschluss ist dabei bemerkenswert, der in einer ganz einfachen aber großartigen Weise die einzelnen über den Film verstreuten von Protagonist Cherry erdachten Haikus zusammenfügt und gewissermaßen die komplette bis dahin gesehene Geschichte zusammenfasst und auch abschließt. Selbstverständlich passiert das auf einem Sommerfestival mit Feuerwerk; dem Anime-u.-Manga-Medial-Gesetzbuch kann man nun einmal nicht die lange Nase zeigen. Die Zusatzhandlung oder die übergeordnete Aufgabe, wenn man sie so nennen will, die sich um eine verlorene Schallplatte des erwähnten Rentners dreht, fügt sich ebenfalls toll ins Gesamtbild ein, nimmt nie zuviel Raum ein, fühlt sich aber nicht wie ein überflüssiger Fremdkörper an, sondern erzählt in sich eine ganz eigene Liebesgeschichte, die die zwischen Cherry und Smile um eine doch melancholischere dennoch schöne Note ergänzt.

Fazit

Words Bubble Up Like Soda Pop ist eine überzeugende kleine, aber feine in einen ganz eigenen wundervoll bunten Stil getauchte Liebesgeschichte. Es ist kein episches Meisterwerk, das etwas nie Dagewesenes vollbringt, sondern sich vielmehr auf wenige Punkte fokussiert und sie in ihrer Einfachheit bis zum Ende durcherzählt. Und das überzeugt mich komplett. Ich könnte mir vorstellen, dass der Film dabei auch stärker als sonst vom persönlichen Befinden abhängig ist. Soll heißen: wonach einem gerade der Sinn steht. Hat man vielleicht in letzter Zeit zu viele leise Geschichten gehört und braucht etwas, das mit mehr Wucht auf den Bildschirm kracht? Dann dürfte man hier nicht glücklich werden. Wem der Sinn nach Anime-Romantik der simplen Art ohne große Schnörkel steht, der dürfte hier goldgelb richtig sein. Für mich hat er sich auf allen Ebenen gelohnt, ich mag das natürliche Näherkommen, das unaufdringliche Einbinden sozialer Medien, die hier ohne Ballast daherkommen und tatsächlich eine helfende Rolle übernehmen, und gerade das Ende hat mir ein zufriedenes Grinsen aufs Gesicht gezaubert. Die Verknüpfung der Haikus ist clever, das Festival steht mit gutem Recht in den Anime-Statuten fest und der Stil ist einfach Balsam für die Augen. Ungewöhnlich und angenehm zugleich. Beiddaumige Empfehlung von meiner Seite.

© Netflix

Mort

Mort hat 'Wie? Nicht auf Lehramt!?' studiert und wühlt sich mit trüffelschweiniger Begeisterung durch alle Arten von Geschichten. Animes, Mangas, Bücher, Filme, Serien, nichts wird verschmäht und zu allem Überfluss schreibt er auch noch gerne selbst. Meist zuviel. Er findet es außerdem seltsam von sich in der dritten Person zu reden und hat die Neigung, vollkommen überflüssige Informationen in sein Profil zu schreiben. Mag keine Oliven.

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