X – The Movie

Was kann uns noch aufwühlen, wenn nicht das Ende der Welt? Die Fantasy-Saga X des Mangaka-Kollektivs CLAMP zählte insbesondere in den 90ern und frühen 2000ern zu den beliebtesten Schöpfern der japanischen Manga-Schmiede. Zu den absoluten Höhepunkten ihres kreativen Schaffens gehört ohne Zweifel auch der Manga-Titel X/1999. Ärgerlich für die Fans ist, dass die Veröffentlichung des Mangas seit 2003 auf Eis liegt und somit auch unklar bleibt, welchen Ausgang der Kampf um die Zukunft der Menschheit nimmt. In animierter Form existieren immerhin zwei verschiedene Versionen: Neben der hierzulande populären TV-Serie X erzählt der Film X – The Movie eine noch dramatischere Version der Geschichte. Dank Nipponart können sich Fans nach der Veröffentlichung der Serie nun auch den Film auf Blu-ray ins Regal stellen.

   

In X geht es um nichts Geringeres als das Ende der Welt. Und es gibt nur einen Ort, an dem der Kampf um die Apokalypse stattfinden kann: Tokio. Wir haben es mit zwei Fraktionen zu tun, die beide ihre eigene Vorstellung davon haben, wie es mit Menschheit und Erde weitergehen soll. Auf der einen Seite sind da die sieben Erddrachen, die am liebsten die gesamte Menschheit vernichten würden, damit sich die Erde von den Eingriffen der Menschen erholen und erneut erblühen kann. Auf der anderen Seiten haben wir die sieben Himmelsdrachen, die die endgültige Zerstörung der Erde in Kauf nehmen, um die Menschheit zu retten. Der letzte Kampf zwischen Himmels- und Erddrachen steht bevor, das Ende der Welt ist nah. Der Junge Kamui Shiro, der allein die Macht hat, das Schicksal zu ändern, kehrt nach Tokio zurück, um das Heilige Schwert zu holen, und wird schnell in den Kampf involviert – für wen soll er sich entscheiden: für die Himmelsdrachen, die die Welt so lassen wollen, wie sie ist, oder für die Erddrachen, die für Veränderung stehen und die Menschheit für die Verbrechen an der Erde vernichten wollen …? Für welche Richtung Kamui sich auch immer entscheidet: Er wird den Kampf um die Erde und das Schicksal der Menschen, die auf ihr leben, nicht verhindern können. Kamui erfährt die wahren Hintergründe über den plötzlichen Feuertod seiner Mutter. Sowohl die sogenannten sieben Siegel als auch die sieben Boten beginnen, sich um Kamui zu sammeln…

Das Publikum ist angeheizt, der Film muss in die Kinos

Originaltitel X – The Movie
Jahr 1996
Laufzeit 96 Minuten
Genre Fantasy, Action
Regisseur Rintaro
Studio Madhouse

Bereits 1996 erschien X – The Movie, noch lange bevor der Stoff mit der TV-Serie (2001) populär wurde. Dem vorausgegangen war im Jahr 1993 ein Musikvideo der Band X Japan, welche die japanischen Musikcharts damals fest im Griff hatte. Das Image Video zu dem Song “Double X” fungierte sowohl als Teaser des Films als auch als Boost für die Verkäufe des Mangas. Mit dem namhaften Regisseur Rintaro (Bonjour Galaxy Express 999) und dem später auch für die TV-Serie aufführenden Studio Madhouse wurden die tragenden Akteure für die Adaption engagiert. Aufsicht über das Projekt hatte Nanase Ohkawa, die gleichzeitig das Mangaka-Quartett CLAMP anführt. Zum Erscheinungszeitpunkt des Films befand sich der Manga noch in einer anfänglichen Phase und hatte gerade sein erstes Jahr hinter sich. Dementsprechend wenig Material war vorhanden, um die Handlung zu erzählen. Auch inhaltlich befanden sich noch nicht alle Akteure auf dem Schlachtfeld. So wurde der später durch den Charakter Nataku besetzte Platz bei den Erddrachen mit einem Original-Charakter namens Shogo Asagi aufgefüllt. Der Wassermagier bringt keinerlei Persönlichkeit mit, sondern erfüllt allenfalls eine Funktion. Diesen Umstand versuchte man mit der späteren Anime-Adaption Tsubasa: Reservoir Chronicle zu beheben, in welcher Shogo als Gast-Charakter auftritt. Für den Film ist er lediglich ein Handlanger von vielen, der obendrein auch nicht mit viel Screentime ausgestattet wird. Das macht den Umstand wieder hinfällig.

Das große Sterben

Wie in nahezu jedem Fall, wenn viel Geschichte erzählt werden soll, muss Zeit eingeplant werden. Ein Film ist das denkbar schlechteste Format, um eine Handlung, welche von 17 (!) Charakteren getragen wird, auszufüllen. An dieser Tatsache erleidet auch X – The Movie Schiffbruch: In 100 Minuten müssen möglichst viele Figuren verheizt werden, um den Kampf und damit das Schicksal der Erde zu besiegeln. Für das Erzähltempo bedeutet das: Die Charakere sterben wie die Fliegen. Das ist vor allem deswegen dramatisch, da die ursprünglich erschaffenen Helden als Persönlichkeiten ausgerichtet sind. Sowohl im Manga als auch in der TV-Serie erfährt man viel über ihre Vergangenheit, ihre Motivation und ihre Träume. Auf all das verzichtet der Film und schickt seine Magier als bloße Krieger in den Kampf. Einmal die Spezialfunktion ausfüllen und zack, sterben. Zwei wichtige Eckpfeiler der Handlung, Subaru und Seishiro, auch bekannt aus Tokyo Babylon , überleben noch nicht einmal die Einstiegsszene. Das schnelle Verheizen der Charaktere führte nicht nur zu massiver Kritik an dem Film, sondern auch zur Missgunst der Fans, die ihre Lieblinge nicht als Kanonenfutter wahrnehmen wollen.

Kompromisslos und konsequent

Trotz aller Kritik muss man X – The Movie eines lassen: Die Atmosphäre sucht ihresgleichen. Die traumartigen Sequenzen reißen den Zuschauer völlig in ihren Bann. Das Tokio, welches wir hier auffinden, ist praktisch wie ausgestorben. Menschenleer und dank zu weiten Teilen dominierender Stille ist der Sog besonders stark. Dadurch wirken die Erddrachen noch schauerlicher: Sie reden nicht viel, sondern machen kurzen Prozess mit ihren Gegnern. Dabei geht es im Film noch brutaler als in der TV-Serie zu und die Todesszenen fallen ziemlich grafisch aus. Durchbohrte Körper und durch die Gegend fliegende Körperteile tragen ihren Teil dazu bei, dass wir es hier mit schwerer Kost zu tun haben. Da die Handlung in vielen Szenen bei Nacht spielt, beinahe ausschließlich zerstörte Gebäude und Trümmerhaufen gezeigt werden, ist dieser Entwurf gleichzeitig auch die düsterste Fassung der X-Geschichte. Hier schöpft die Geschichte aus dem Vollen: Das Ende des Films zeigt ein völlig zerstörtes Tokio. Alle Himmel- und Erddrachen sind tot. Kamui kniet auf dem Tokio Tower und hält Fumas Kopf in den Händen, während X Japan mit “Forever Love” das Ending einläutet. Bei der getroffenen Wahl handelt es sich um ein bei Fans wenig beliebtes, aber konsequent gewähltes Ende, welches musikalisch von einem besonders traurigen Song begleitet wird. Gleichzeitig auch das einzige Lied des Soundtracks, auch sonst ist die Backgroundmusik sehr spärlich eingesetzt. Dafür beeindrucken auf der anderen Seite das reife Charakterdesign mit den dunklen Schatten auf den Figuren, die dynamischen Animationen der Kämpfe sowie der bedachte Einsatz der Effekte. Im Vergleich dazu wirkt die später entstandene TV-Serie geradezu freundlich und harmlos.

Das deutsche Re-Release

X – The Movie erschien bereits 2004 in Deutschland auf DVD und VHS. Das Re-Release von Nipponart findet gleichzeitig erstmals auf Blu-ray statt. Neben der japanischen Synchro mit deutschen Untertiteln ist auch die im Auftrag des Senders VIVA produzierte deutsche Synchronisation vorhanden. Der Sprechercast setzt sich überwiegend aus Sprechern zusammen, die zu Beginn der 2000er an vielen Produktionen im Anime-Bereich beteiligt waren, und ist identisch mit der Besetzung der Serie. Dementsprechend professionell klingt die Vertonung der Figuren. Gewöhnungsbedürftig sind allerdings die arg jung besetzten Sprecher der Charaktere Seishiro, Subaru und Fuma: Ihrem Auftreten zufolge würde man hier eher jüngere Männer als ältere Teenager erwarten. Ein Extra liegt dem Film in Form eines Stickers bei. Als inhaltliches Extra ist der Disc ein ca. zweiminütiges Video enthalten, welches die Entstehung eines der aufwendigen CLAMP-Artworks zeigt. Nur mit der Motivwahl des Disc-Menüs hat sich der Publisher vertan: Dieses zeigt ein Motiv mit Kamui und ausgerechnet Kakyo, der in diesem Film gar nicht auftaucht.

Fazit

Es ist schön, dass auf die Serie auch noch X – The Movie folgt. Obwohl der Film inhaltlich äußerst polarisierend ist, gehört er doch in die Sammlung eines jeden X-Fans. Und sei es nur wegen des kompromisslosen Alternativ-Endes. Sieht man einmal von dieser Verbundenheit zum Franchise ab, ist die Produktion allerdings weit davon entfernt, die Geschichte angemessen aufzuarbeiten. Das völlig überhetzte Abhandeln der Story-Eckpfeiler und das hastige Dahinraffen der Figuren erfüllt allenfalls den Anspruch einer rasanten Erzählung, wird aber keinem inhaltlichen Anspruch gerecht. In jedem Fall ist die TV-Serie dem Film vorzuziehen. Trotz aller Kritikpunkte überzeugen die rasanten Kämpfe und die traumartige Inszenierung. Persönlicher Wermutstropfen: Schade, dass der Schuber der Serie keinen Platz für den Film enthält.

Vielen Dank an Nipponart für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars.
Die Rezension unterlag keinen inhaltlichen Vorgaben und spiegelt lediglich die Meinung des Autors wider.

©1996 CLAMP/”X” Production Committee

 

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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chianna
Redakteur
18. Juli 2019 12:37

Ich mag X/1999, weil die Charaktere dort einfach gut ausgearbeitet sind. Das ist mir ehrlich gesagt wichtiger als ein abgeschlossenes Ende, und deswegen bin ich dem X-Movie bisher aus dem Weg gegangen. Der visuelle Eindruck lockt mich allerdings schon.
*WatchList erweiter*

Aki
Aki
Redakteur
21. Juli 2019 10:18

Oh da kommen Erinnerungen hoch! X The Movie war nämlich mein Einstieg in die X-Reihe, daher kann man sich vorstellen, dass ich heillos überfordert war. Ich weiß noch, dass er schlicht im Tv lief, irgendwann spät abends und ich nur eingeschalten habe, weil es halt ein Anime war. Was dann abging hat mich schon fasziniert aber es verlief alles so schnell, zu viele Figuren zu viel von allem und dann war schon Ende. Immerhin optisch sprach mich der Film komplett an, denn mir gefiel das Design der Figuren und auch die Animationen waren nicht schlecht (außer mein Gehirn hat hier was falsch abgespeichert!)

Im Grunde würde ich jeden zur Serie raten und sagen, schaut euch den Film erst an, wenn ihr die gesehen habt, sonst wird das mit den hier gar nichts.