Your Voice -KIMIKOE-
Jedes Wort besitzt eine Seele. Es kann Freude hervorbringen, aber auch negative Momente auslösen. Daher sollten Wünsche immer gut durchdacht sein, denn das ist der Hintergrund der Wortgeister, genannt Kotodama. Dies wird in dem Film Your Voice -KIMIKOE- bereits in den ersten Minuten von der Schülerin Nagisa Yukiai erklärt. Nach der Europapremiere auf dem Akiba-Pass Festival 2018 gibt es dank Peppermint Anime die Möglichkeit, die rührende Geschichte von Naoyuki Itou (Overlord) im Heimkino zu bestaunen. Ob Wünsche wirklich Wunder vollbringen können, die die Welt verändern? Diese Frage beantwortet die Umsetzung von Studio Madhouse (Das Mädchen, das durch die Zeit sprang). Eines steht jedoch fest: Wer bisher die Melodie von Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ noch nicht kannte, wird sie nach diesem Film nicht mehr aus dem Ohr bekommen.
In einem kleinen Küstenort Japans lebt die Schülerin Nagisa Yukiai. Durch die Weisheiten und machtvollen Geschichten ihrer Großmutter glaubt sie seit ihrer Kindheit an die Magie der Kotodama. Dahinter verbergen sich sogenannte Wortgeister, die das Leben beeinflussen können. Der japanische Glaube besagt, dass Kotodama die Kraft in sich tragen, Worte Wirklichkeit werden zu lassen. Das gilt allerdings nicht nur für positive Wünsche, sondern auch für die Kehrseite. Flüche werden auf die aussprechende Person zurückgeworfen. Auf der Suche nach einer trockenen Stelle im Regen findet Nagisa in einem leerstehenden Café Unterschlupf und stellt fest, dass dort früher ein kleiner Radiosender beheimatet war. Das neugierige Mädchen probiert sich als Moderatorin und versucht durch die Macht der Worte Freude und positive Energie weitergeben zu können. Sie lernt neue Freundinnen kennen und gemeinsam versuchen sie mithilfe der Kotodama eine ganz besondere Person zu erreichen.
Erreiche mit deinen Worten die Herzen der Menschen
Originaltitel | Kimi no Koe wo Todoketai |
Jahr | 2017 |
Laufzeit | 94 Minuten |
Genre | Drama |
Regie | Naoyuki Itou |
Studio | Madhouse |
Veröffentlichung: 22. Februar 2019 |
Was für Nagisa mit dem Radio anfangs als lustiges Spiel beginnt, weckt in einem anderen Mädchen traurige Gefühle. Nagisa redet über das Wetter, die Schule und Probleme mit ihren Freundinnen. Sie spricht einfach drauf los, ohne nachzudenken, was ihr guttut, denn wer hätte gedacht, dass der verlassene Radiosender Aquamarin noch live zu hören ist. Sie erhält eine Nachricht, denn das Café wurde bereits vor zwölf Jahren geschlossen und damit auch der Sender. Die ehemalige Betreiberin wollte nicht berühmt werden, sondern einfach nur den Bewohnern der Küste Freude durch ihre Worte schenken. Es ist Zufall, dass Shion genau in dem Moment, als Nagisa spricht, das Radio einschaltet. In ihr kommen Gefühle hoch, denn die Betreiberin ist keine andere als ihre Mutter, die nach einem schweren Autounfall im Koma liegt. Neben dem Krankenbett läuft das Radio und Shion versucht so übers Radio ihre Mutter zu erreichen und bei ihr zu sein. Für Nagisa ist das alles sehr gefühlvoll, denn sie weiß, was Worte ausrichten können, wenn man sich etwas von Herzen wünscht. Gemeinsam erarbeiten sie ein Programm mit dem Ziel Shions Mutter durch die Kotodama aufzuwecken. Wobei Nagisa erst einmal Shion dazu bringen muss, an die Wortgeister zu glauben.
Fernsehen für die Ohren
Einen Radiosender zu betreiben ist nicht einfach, denn es steckt sehr viel Arbeit dahinter. So beginnt ein Sommerferienprojekt, das immer mehr Mädchen und helfende Hände anzieht. Darunter auch die Studentin Ayame, die sich als richtiger Profi herausstellt. So wird gleich eines klargestellt: Radio ist kein Fernsehen, daher müssen die Mädchen versuchen, mit ihrer Stimme die besprochenen Dinge darzustellen und nicht durch Handbewegungen. Hinzu kommt noch die Musik. Nagisa hatte bisher einfach immer Schallplatten aufgelegt, besonders von Antonio Vivaldi. Es ist allerdings nicht so einfach, Musik in dieser Form für die Öffentlichkeit abzuspielen. Von einer Lizenzgebühr und den Rechteinhabern hatten die zu Beginn euphorischen Mädchen bisher noch nichts gehört. Ein eigener Jingle für Radio Aquamarin muss her und da kommt die musikalisch begabte Otoha wie gerufen. Die Zuschauenden bekommen durch Ayames Hintergrundwissen ebenfalls viele Informationen, durch die man Radio plötzlich mit einem anderen Ohr wahrnimmt.
Sanfte Farben und gefühlvolle Töne
Was auf den ersten Blick merkwürdig wirkt, erweist sich als besonderes Merkmal des Films: der Zeichenstil. Mangaka Toshinao Aoki (Dragon Pilot: Hisone and Masotan) scheint mit ihrem Charakterdesign alle Figuren mit einer weißen Linie zu umranden. Dadurch heben sie sich stark von den Hintergründen ab. Allgemein sind die Farben der Figuren matt gehalten. Besonders die Haare bekommen durch die Farben und die helle Umrandung den Ausdruck, als würden sie glänzen. Dieser zunächst gewöhnungsbedürftige Stil sagt eventuell nicht jedem zu. Eine wahre Augenweide sind dagegen die Hintergründe. Mit viel Liebe zum Detail spiegeln die Handlungsstätten reale Ortschaften wieder. Hier dienten die Shonan-Küste und die Stadt Kamakura als Vorlage. Eigens für den Film wurde die Idol-Band NOW ON AIR gegründet. Die Sängerinnen steuern nicht nur die Songs zum Film bei, sondern übernehmen die Sprechrollen der Mädchen. Auch die deutsche Synchronisation kann überzeugen, denn Amira Leisner (Darling in the FranXX) als Nagisa und Lara Wurmer (Carol & Tuesday) in der Rolle von Shion können die Gefühle über Freude und Trauer glaubwürdig vertonen. Wiederum spiegelt Alina Freunds (Ponyo – Das große Abenteuer am Meer) frech wirkende Stimme die markante Persönlichkeit Kaedes exakt wieder. Die musikalische Untermalung von Akito Matsuda rundet das Gesamtbild ab.
Sieben Hauptfiguren
Trotz den traurigen Hintergrundgeschichte gelingt es Regisseur Naoyuki Itou mit Your Voice -KIMIKOE- eine angenehme Leichtigkeit zu erzeugen und sich nicht zu sehr auf das Gefühlschaos zu beziehen, wie man es aus anderen Dramen kennt. Die Figuren bringen alle für sich die nötige Fröhlichkeit mit, um für eine positive Grundstimmung zu sorgen. Wobei es den Protagonisten ab und zu an Tiefgründigkeit mangelt, was damit verbunden ist, dass es nicht nur zwei Akteurinnen sind, sondern versucht wird, eine Gruppe von sieben Mädchen auf eine Ebene zu stellen, ohne eines zu bevorzugen. Daher wirkt die ein oder andere Figur etwas oberflächlich und das Verständnis für gewisse Handlungen und Reaktionen ist nicht zu hundert Prozent gegeben. Es handelt sich um einen Film, der hier und da etwas tiefgründiger hätte sein dürfen, es aber trotzdem schafft, die Zuschauenden mitzuziehen. Die Bedeutung, dass ein unüberlegtes Wort verletzen kann, dass ein Wort, das nicht ernst gemeint ist, nicht bewirkt, was es soll und dass ein richtiges Wort zum richtigen Zeitpunkt Wunder bewirken kann, ist die passende Beschreibung von Your Voice -KIMIKOE-.
Fazit
Jeder hat die Erfahrung gemacht, was Worte bewirken können. Freude, Trauer, Stolz, Wut und noch so vieles mehr. Your Voice -KIMIKOE- nimmt sich genau dieser Bedeutung von Worten an und verbindet sie mit einer gefühlvollen Geschichte. Die Kotodama werden in Form von Seifenblasen, die durch die Luft schweben, dargestellt. Zu Beginn ist nur Nagisa in der Lage, sie zu sehen, weil sie an die Wortgeister glaubt. Es macht Freude zu sehen, dass Nagisa mit ihren Worten so viele erreicht und ihnen den Glauben an die Kotodama bringt. Etwas negativ fallen mir die teilweise übertriebenen Reaktionen speziell von Nagisa auf. Sie tendiert zu leicht theatralisch wirkenden Momenten. Sie ist ein unglaublich gefühlvoller Mensch, doch diese Reaktionen wirken teilweise unrealistisch und passen nicht ins Gesamtbild. In anderen Szenen schafft sie es aber dann, die Gruppe zu vereinen und die positive Stimmung zu übertragen. Sie ist der Anker der Gruppe. Besonders die Gesangsparts und zu sehen, wie sich alle persönlich und auch professionell im Radiobereich weiterentwickeln, machen Spaß.
© Peppermint Anime
Veröffentlichung: 22. Februar 2019