Instabil (Band 1): Die Vergangenheit ist noch nicht geschehen
‘Wenn ich doch nur in der Zeit zurückreisen könnte…’ haben sicherlich schon viele träumerisch vor sich hingeflüstert, aber was wenn man es tatsächlich könnte? Nur unkontrolliert? Wie ein Weltgeschichte veränderndes Nasenjucken? Das ist zumindest die Situation, mit der sich Patrick Richter, Protagonist der Thriller-Reihe Instabil des Autorenduos Sam Feuerbach und Thariot, abfinden muss. 2017 begann das muntere Zeitspringen in rein digital erhältlicher Form, aber im November 2018 sind alle drei Bände in broschierter Form im Blitz-Verlag erschienen. Grund genug, sich an Herrn Richter zu klammern und mitzuspringen.
Auf der Liste von Dingen, durch die man ungern geweckt werden würde, steht vermutlich ‘von Eingangstür zerberstender Polizei-Einsatztruppe abgeführt’ ziemlich weit oben, direkt nach nassem Waschlappen und einem schlecht Trompete übenden Nachbarn. In dem Sinne hat Patrick Richter also durchaus Glück, denn sowohl von grenz-musikalischen Einlagen und matschig-kalten Stoffstücken blieb er an diesem Freitagmorgen verschont. Vermutlich würde er aber dem ‘Glück’-Part nur verhalten zustimmen, da er kurz darauf in schicken Guantanamo Bay-orange gehaltenen Pyjamas am Düsseldorfer Flughafen den Amerikanern als gerade noch so Lebendfracht übergeben wird. Der Grund für den modisch gewagten Kleiderwechsel und den stark bewachten Morgenspaziergang ist der Vorwurf, dass Patrick Richter, schlabberiger knapp 30er mit Literaturbachelor aus Köln und Leonardo DiCaprio Look-A-Like (no joke), Mitglied einer terroristischen Vereinigung sein soll. Mag der hanebüchene Schauspielervergleich auch die ‘I don’t believe you’-Liste anführen, muss aber doch die Extremistenangelegenheit in Zweifel gezogen werden. Ein unglücklicher Irrtum, der sich schnell aufklärt und über den hinterher alle herzlich lachen oder (ominöse Pause) steckt mehr dahinter? Rein rhetorische Frage.
Zwinkernde Zeitreise
Originaltitel | Instabil – Die Vergangenheit ist noch nicht geschehen |
Ursprungsland | Deutschland |
Jahr | 2018 |
Typ | Roman |
Band | 1 / 3 |
Genre | Thriller, Time-Travel |
Autoren | Sam Feuerbach & Thariot |
Verlag | Blitz (Rocket Books) |
Von Beginn an verdeutlicht die Geschichte um den unglückseligen Patrick Richter zwei den Ton bestimmende Dinge. Erstens: Langsam ist langweilig. Wenn das Buch im wahrsten Sinne des Wortes mit der (jetzt kaputten) Tür ins Haus fällt und die Hauptfigur samt Leser mit vorgehaltener Einsatztruppe in die Action abführt, weiß man, dass keine Erholungspause für Tee und Kekse eingeplant ist. Ein strammes Pacing gibt Patricks Marschroute vor, der mit der professionellen Sicherheit eines auf Glatteis tanzenden volltrunkenen Rhinozeros’ von einer Katastrophe in die nächste schlittert. Die Perspektive wechselt zudem regelmäßig zwischen verschiedenen Charakteren – maßgeblich der jagenden Polizei und einer Ruhm riechenden Journalistin –, um mehr Blickwinkel einzufangen und zusätzlich das Tempo durch schnellere Wechsel und kürzere Abschnitte zu erhöhen. Zweites Prinzip neben der actionbetonten Marschroute: Nehmt’s nicht zu ernst. Patricks Lauf durch die Zeit ist mit einer guten Portion zwinkernder Augen geschrieben. Schmunzelnde Beschreibungen und Witzeleien sind Regel und nicht Ausnahme, was der Geschichte nicht den Anstrich einer gnadenlosen Hetzjagd, sondern eines (zumindest für den geneigten Leser, weniger für den Protagonisten) heiteren Zeitreise-Action-Klamauks verpasst.
Zufälle gibt’s…
Entsprechend ist das Zeitreise-Thema selbst mehr Quelle für typische Time-Travel-Plottwists, als tief diskutierter Dreh- und Angelpunkt. ‘Don’t worry about it’ wäre die Empfehlung für alle, die den üblichen Zeithüpfwidersprüchlichkeiten grummelnd entgegen stehen. Generell hilft eine gewisse Action-Comedy bedingte ‘Passt schon’-Mentalität, um über allzu perfektes Timing, ‘Polizei-auf-Fahrrad-entkommen’-Kondition, allmächtige K.I. Handy-Assistenten und eine muntere Schar Zufälle hinwegzusehen, die sich am Ende alle auf einen Haufen werfen. ‘Plot-Convenience’, wie der Engländer sagen würde. Anders ausgedrückt: Wer nach packend erdrückendem Realismus sucht, sollte in eine andere Zeit springen.
Keine Zeit, keine Zeit…
Schwierig wird es aber, wenn dank des Pacings so manche Figurenentwicklung auf der Strecke bleibt. So sei beispielsweise die Idee der Liebe auf den ersten Blick gerne für Patrick und seine auftauchende Angebetete zugestanden, aber wenn wohl selbst Disney-Prinzessinnen die Augenbrauen über die Abruptheit der Beziehung heben würden, wäre dann doch eine ausführlichere Darstellung angeraten. Überhaupt benötigen die Figuren etwas mehr Raum, um über ‘Zickige (aber hübsche!) Ex-Freundin’, ‘Biestige (aber hübsche!) Polizistin’, ‘grummeliger (aber zumindest innen hübscher!) Ermittler’ usw. hinauszugehen. Da es sich um eine Trilogie handelt und zwei weitere Bände vorhanden sind, mag dafür Sorge getragen sein. Als letzter Streitpunkt bleibt der Humor, der von gefälligem Schmunzeln über akzeptierendes Nicken hin zu ‘Uff’ reicht. Er trifft nicht immer ins Schwarze und spickt die Zielscheibe mit der ein oder anderen Albernheit und einem ordentlichen Satz fluchender Umgangssprachlichkeit, mit der sich nicht jeder anfreunden mag.
Fazit
Mir gefällt der erste Band von Instabil; er liest sich in flüssiger Unterhaltsamkeit herunter, ohne langweilig zu werden. Der zugegebenermaßen hin und wieder leicht schielende, aber nichtsdestotrotz humorvolle Blick, mit der die Geschichte von Zeitstolperer Patrick präsentiert wird, hilft enorm, da klar wird, dass der Spaß im Vordergrund steht. Ja, Zufälle gibt es viele, ja, Patrick hat mehr Glück als Verstand, ja, Zeitreisen sind eigentlich ziemlich kuddelmuddelig, aber letztlich fühlt es sich eben wie ein Action-Comedy-Thriller an, dem man es entweder verzeiht… oder eben nicht. Und spätestens bei der K.I. mit Namen Siggi wird eine gute Portion ‘Eh, passt schon’-Mentalität benötigt. Natürlich entschuldigt Humor nicht alles und die Geschichte hat ihre Schwächen. So manche Figur bleibt auf der Stelle stehen und gerade die weiblichen Charaktere sind… ausbaufähig (aber hübsch!). Zudem kommt das Ende erstaunlich plötzlich und man wird das Gefühl nicht los, dass erschreckend wenig erreicht wurde. Instabil ist sicherlich kein zeitloser Roman, aber auch keine Zeitverschwendung (Achievement unlocked: obligatorischer Zeit-Pun).
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