Königsfall (Band 2): Der Paladin

Mit Königsfall – Der Paladin wird die Geschichte von Owen Kiskaddon weitererzählt. Der zweite Band der Königsfall-Trilogie setzt zehn Jahre nach Königsfall – Die Geisel ein. Jeff Wheelers Held Owen ist mittlerweile ein Siebzehnjähriger, der sich in seiner Welt behaupten muss und an der Schwelle großer Ereignisse und Entscheidungen steht. Zehn Jahre sind ein beachtlicher Sprung im Leben vom Kind zum Erwachsenen, da verändert sich vieles. Schafft Königsfall – Der Paladin es, die Charaktere authentisch weiterzuführen und die Geschichte schlüssig zu erzählen?

Es gibt noch immer keinen Frieden zwischen Ceredigion und seinen Nachbarn. Owen Kiskaddon, die Geisel des Königs, ist unter der Aufsicht von Lord Horwarth zu einem jungen Mann herangewachsen. Er ist in Horwarths Enkelin Evie verliebt, die seine Gefühle teilt. Dank Owens stragetischem Können und einer geschickten Lüge über seine Fähigkeiten als Gesegneter der Quelle erfreut er sich der Gunst König Severns, welcher ihn mit wichtigen Aufgaben betraut. Verkompliziert werden die Dinge, als einer von Severns angeblich getöteten Neffen bei König Iago von Atabyrion auftaucht und sein Recht auf den Thron von Ceredigion einfordert. Für Ceredigions Feinde ist das der perfekte Anlass, um ihre eigenen Interessen voranzubringen. Das veranlasst König Severn, schwerwiegende Entscheidungen zu treffen. Er sendet Owen inkognito zu König Iago, um den Anspruch des Thronanwärters zu prüfen und ihn gegebenenfalls mithilfe seiner mitreisenden Giftmischerin Etayne aus dem Weg zu räumen. Evie soll ihn begleiten. Ihre Aufgabe ist es, den ungestümen König unter ihre Kontrolle zu bringen – indem sie ihn heiratet.

Ein unheilvolles Trio

Originaltitel The Thief’s Daughter (The Kingfountain Series)
Jahr 2016
Ursprungsland USA
Typ Roman
Band 2 / 3
Genre Fantasy
Autor Jeff Wheeler
Verlag Heyne

Aus dem verängstigten Jungen, der in Königsfall – Die Geisel als Sohn eines Verräters um sein Leben bangen musste, ist ein junger Mann geworden, der sich seinen Platz in der Welt erarbeitet hat. Doch obwohl Owen Kiskaddon seinem König treu dient und in die Geschicke des Reiches eingebunden ist, ist hinter der Fassade der kleine Junge spürbar, der eher überlegt als wagemutig vorgeht und Vorgehensweisen von allen Seiten prüft, bevor er eine Entscheidung trifft. Evie dagegen ist noch immer so impulsiv und geradeheraus, wie sie als Kind war. Sie schreckt nicht einmal vor dem unberechenbaren Severn zurück, wenn sie etwas interessiert. Beide sind sich selbst treu geblieben und ergänzen sich gegenseitig in ihren Eigenarten. Zu ihnen gesellt sich die neue Giftmischerin des Königs, Etayne. Sie hat einiges in ihrem Leben durchgemacht, was sie stark geprägt hat. In der Kunst der Giftmischerei ausgebildet und mit der Gabe der Verwandlung gesegnet muss sie sich in ihrer Rolle bewähren. Dass diese drei für König Severn die ideale Waffe bilden, um seinen Feinden beizukommen, ist nachvollziehbar.

The Thief’s Daughter

Während die deutsche Übersetzung Königsfall – Der Paladin den Fokus der Geschichte, der auf Owen Kiskaddon liegt, noch unterstreicht, lenkt der englische Titel The Thief’s Daughter den Blick mehr auf Etayne, die neue Giftmischerin des Königs. Sie ist nur wenig älter als Owen und Evie. Anfangs wirkt sie ebenso geheimnisvoll wie Ankarette, ihre Vorgängerin, doch das ändert sich, als ihre Schwächen durch Owen erkannt werden. Im Gegensatz zu Ankarette, die ihre Person und ihre Rolle untrennbar miteinander verwoben hatte, existieren bei Etayne zwei Welten, die sich mitunter aneinander reiben. Die Sicherheit, die ihr der Status als Giftmischerin gibt, kann nicht immer darüber hinwegtäuschen, dass ihr inneres Wesen noch nicht ausgereift ist. Die Demütigung, von ihrer Umgebung lediglich als Werkzeug angesehen zu werden, macht sie für Owens warmherzige Art empfänglich und lässt Risse in ihrer Fassade entstehen, die eine Giftmischerin eigentlich nicht haben dürfte. Mit Etayne existiert somit ein weiterer Charakter, der der Geschichte, die König Severn zu steuern versucht, eine neue Wendung geben könnte, je nachdem, in welche Richtung die Tochter des Diebes sich entwickelt.

Treue bindet mich

Die Ereignisse in Königsfall – Der Paladin werden vom Grundleitsatz „Treue bindet mich“ getragen, der sowohl für König Severn in seiner Rolle als Regent als auch für seine Untertanen dem Thron gegenüber gilt. Wie tief dieses Motto in das Leben der Menschen eingreift, das wird im Verlauf der Geschichte immer deutlicher. Für König Severn bedeutet es die Last, als König regieren zu müssen, da er der Thronerbe seines Bruders ist. Für Owen und Evie heißt es wie für etliche andere auch, dass sie ihre eigenen Interessen hinter die Bedürfnisse ihres Herrschers stellen müssen, um nicht als Verräter zu gelten. Doch so sehr diese Haltung für Stabilität und Sicherheit innerhalb des Landes sorgt, so sehr treibt sie Menschen bis an die Grenzen des Erträglichen und lässt sie mitunter daran zerbrechen. Owen und Evie halten an „Treue bindet mich“ fest, auch wenn sie dafür alles, was ihnen lieb ist, aufgeben müssen. Doch wie lange sie sich den Belangen Ceredigions unterordnen können, das ist fraglich, denn Ankarette hat Owen in ihrem Abschiedsbrief einen entscheidenden Rat gegeben: “Verlangt Dein Gebieter Loyalität, dann beweise Deine Integrität. Verlangt er aber Integrität, dann beweise Deine Loyalität.“ Das wirft die Frage auf, ob Owen weiterhin die Interessen seines Königs verfolgen wird, auch wenn sie nicht den seinen entsprechen, oder ob er sich selbst treu bleiben und sich dem König widersetzen kann.

Fazit

Ich gebe zu, ich hatte bei aller Freude auf den zweiten Band der Königsfall-Trilogie doch auch ein wenig Angst, ihn aufzuschlagen. Angst, dass ich enttäuscht werde, nachdem mich Königsfall – Die Geisel so begeistern konnte. Angst, die Charaktere nicht wiederzuerkennen. Und Angst, dass ich sie zu lieb gewonnen hätte, so dass ihre Schicksale mich schmerzen könnten. Nun, letztere Angst war begründet. Die Intensität, mit der Owen nach Evie verlangt und sie doch nicht haben kann, die unberechenbare und boshafte Handlungsweise König Severns mit ihrer Zerstörungskraft, das hat Jeff Wheeler so gekonnt in Worte gekleidet, dass ich mich in der Rolle wiederfand, hilflos beobachten und schweigen zu müssen, während die Ereignisse unaufhaltsam voranschritten. Und wieder konnte ich das Buch erst aus der Hand legen, als ich es durchgelesen hatte; vorher hat die Geschichte mich nicht losgelassen. Jetzt bin ich mehr als gespannt auf den letzten Band, Königsfall – Der Verräter.

© Heyne Verlag

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