Königsfall (Band 3): Der Verräter
“Treue bindet mich”. Unter diesem Leitspruch steht die Geschichte von Owen Kiskaddon, die Jeff Wheeler in seiner Königsfall-Reihe erzählt. Die beiden Romane Königsfall – Die Geisel und Königsfall – Der Paladin haben das Feld vorbereitet, die Charaktere auf ihre Plätze gesetzt und die Ereignisse, die folgen sollen, angestoßen. Mit seinem abschließenden Roman Königsfall – Der Verräter will Jeff Wheeler Owens Weg beschließen. Wie wird es für den jungen Mann ausgehen, dessen Leben weitgehendst fremdbestimmt ist und der niemandem trauen kann – nicht einmal sich selbst?
Nach dem Verlust seiner Geliebten widmet Owen Kiskaddon sich ganz dem Dienst von König Severn Ausgustine von Ceredigion, während er gleichzeitig als Leiter des Espion dafür sorgt, dass Drew, der Sohn von Kathryn und Eyric, unerkannt aufwachsen kann. Die Quelle hat Drew als den grimmen Totgeglaubten benannt, den rechtmäßigen Herrscher von Ceredigion. Als Herzog Horwarth, der Owen aufgezogen hat, im Sterben liegt, besucht Elysabeth mit ihrer Familie Dundrennan, um Abschied zu nehmen. Severn übergeht Elysabeth in der Erbfolge und gibt Horwarths Herzogtum einem seiner Günstlinge. Zudem behält er behält Elysabeths Tochter Genevieve als Geisel bei sich am Hof. Unterdessen wird Owen in Begleitung seiner Giftmischerin Etayne nach Brythonien gesandt. Offiziell soll er bei Herzogin Sinia um ihre Hand anhalten, in Wahrheit jedoch einen Krieg mit Brythonien anzetteln, damit Severn es einnehmen kann. Überraschenderweise lässt Sinia sich aber nicht provozieren und nimmt Owens Antrag an. Da erreichten Owen schlechte Nachrichten aus Ceredigion.
Owens Weg
Originaltitel | The King’s Traitor (The Kingfountain Series) |
Ursprungsland | USA |
Jahr | 2016 |
Typ | Roman |
Band | 3 / 3 |
Genre | Fantasy |
Autor | Jeff Wheeler |
Verlag | Heyne (2019) |
Owen Kiskaddons Geschichte beginnt als Junge, den seine Familie als Geisel ausliefern muss. Mit Hilfe anderer gelingt es ihm, unter der Herrschaft eines despotischen Königs zu überleben. Er entwickelt sich zu einem jungen Mann, der sich eine relativ sichere Position am Hofe angeeignet hat, auch wenn diese Sicherheit durchaus trügerisch ist. Als Owen seine große Liebe an einen anderen verliert, hat er nicht dem Mut, sich gegen den Entschluss des Königs zu stellen, und spürt zum ersten Mal mit aller Wucht, wie sehr das Wort “Treue bindet mich” ihn einengt. Doch mit dem Auftauchen des grimmen Totgeglaubten beginnt er zu handeln. Er setzt auf einen langfristigen Plan, wohl wissend, dass sein Weg nicht leicht sein wird. Jahre später zeigen sich die Auswirkungen dieses Lebens. Noch immer Evie treu, die längst eine kleine Familie hat und ein erfülltes Leben an der Seite ihres Mannes führt, verschließt Owen sein Herz der Liebe und dient Severn, wobei ihm bewusst ist, dass er dem zynischen Herrscher immer ähnlicher wird. Als Sinia seinen Weg kreuzt, muss Owen sich entscheiden, ob er weiterhin für sich bleiben und um die Vergangenheit trauern will, oder ob er den Schritt in ein neues Leben wagen kann.
Starke Charaktere
Owen Kiskaddon ist der Hauptcharakter in der Königsfall-Trilogie, aus seiner Sicht erleben die Leser*innen die Geschehnisse. Verletzliches Kind, vorsichtiger junger Mensch und abgeklärter, zynischer Erwachsener. Diese Charakterentwicklung ist unter den Umständen, in denen Owen sich behaupten muss, nachvollziehbar und zeigt scheinbar eine in sich geschlossene Persönlichkeit. Und doch gelingt es Jeff Wheeler mit wenigen Worten und kleinen Szenen, diese Eindimensionalität aufzubrechen. Er zeichnet plausibel einen Menschen, der sich noch nicht ganz seinem Schicksal gefügt hat, in dessen Innerem noch Wünsche und Träume leben, die nicht gänzlich erstickt wurden und die der anscheinenden Abgeklärtheit entgegenstehen. Und nicht nur Owen, auch weitere Charaktere weisen eine solche Plastizität auf. Evie, gegen ihren Willen mit einem Fremden verheiratet, findet ihren eigenen Weg, um mit ihrer Liebe zu Owen fertig zu werden und sich eine lebenswerte Zukunft zu schaffen. Etayne kämpft mit ihrer Vergangenheit und ihrer unerfüllten Liebe zu Owen. Auch diese beiden zeigen neben weiteren Figuren eine große Individualität und geben den Leser*innen die Möglichkeit, mit ihnen mitzugehen.
Die Gaben der Quelle
Obwohl die Königsfall-Trilogie sich im Genre Fantasy etabliert, kommt die Geschichte doch mit wenigen fantastischen Elementen aus. Am wichtigsten ist die Quelle. Als Ursache für besondere Gaben, die an einzelne Menschen verliehen werden und ganz unterschiedlich aussehen können, ist sie ein anerkannter Bestandteil des täglichen Lebens. Warum einige Menschen besondere Fähigkeiten verliehen bekommen, andere wiederum nicht, lässt sich weder erklären noch vorhersehen. Welche Fähigkeiten den Auserwählten zugesprochen werden, ist ganz unterschiedlich, denn die Gaben der Quelle sind vielfältiger Natur. Aus diesem Grundgedanken heraus entwickeln sich die Geschichten der fiktiven Königreiche und Herzogtümer, denn es sind meistens Menschen mit den Gaben der Quelle, die Veränderungen bewirken. So liegt es auch immer an den Trägern einer Gabe, wie diese eingesetzt wird und zu welchen Ergebnissen die Entscheidungen ihres Trägers führen. Das macht die Gabe zu einem unberechenbaren Element für die Entwicklung der Geschichte, aber auch zu einem machtvollen Instrument für einzelne Charaktere.
Fazit
Selten habe ich eine Geschichte als so lebendig erzählt erlebt. Ich bin in Brunnen gesprungen, habe vor einem Despoten gezittert, mich in eine Ecke in der Küche zurückgezogen, Schätze aus dem Wasser gezogen, habe mich verliebt und meine Liebe verloren. Ich habe gekämpft, gelitten, aufgegeben, weitergemacht. Sprich: Ich habe mich beim Lesen völlig in Owens Welt verloren, und das mit Vergnügen. Die Charaktere sind mir ans Herz gewachsen, die Geschichte hat mich mitgerissen. Jeff Wheeler hat ein Händchen dafür, aus Worten Bilder zu zaubern, eine Gabe, die ich bewundere und sehr schätze. Mit seiner Königsfall-Trilogie hat er sich einen Platz auf meiner Lieblingsautorenliste erobert.
© Heyne Verlag