Kürbisgemetzel
Halloween, Samhain, Allerheiligen – der Zeitraum zwischen Ende Oktober und Anfang November, wenn der Schleier zwischen den Welten dünner wird, ist geprägt von einer düster-gruseligen Stimmung. Egal, ob man den Fest- und Gedenktagen etwas abgewinnen kann oder nicht: Kuschelige Stunden auf dem Sofa sprechen die meisten jetzt an. Und warum sollte man sich dabei nicht von sprechenden Kürbissen unterhalten lassen, die gemetzelt werden … oder selbst zu mordendem Gemüse werden? Die perfekte Lektüre ist also Kürbisgemetzel, welches im Oktober 2020 von Roxane Bicker und Sarah Malhus herausgegeben wurde.
Der Übergang des Oktobers in den November ist die Zeit, in welcher der Schleier zwischen den Welten dünn wird. Nicht nur die Monster treten in unsere Welt über, auch Menschen verirren sich plötzlich in fremde Gefilde. Magier*innen und Zauberwesen kämpfen mit lang vergessenen Sorgen, Kürbisse starten Revolutionen oder werden gezüchtet und entwickeln ein eigenes Bewusstsein. Manchmal sind sie aber auch einfach Helferlein in schwierigen Situationen. 15 Autorinnen und Autoren haben sich zur Aufgabe gemacht, die Kürbisse zum Sprechen zu bringen.
Sprechende Kürbisse und wie man damit umgeht
Originaltitel | Kürbisgemetzel |
Ursprungsland | Deutschland |
Jahr | 2020 |
Typ | Anthologie |
Bände | 1 |
Genre | Phantastik, Humor |
Herausgeber*innen | Roxane Bicker, Sarah Malhus |
Verlag: | Selfpublishing |
Veröffentlichung: 1. Oktober 2020 |
Eines haben die Geschichten gemein: Dass einer oder mehrere Kürbisse plötzlich sprechen können, ist eine Überraschung. Nicht immer muss es eine böse sein. Kürbisse läuten auch nicht ständig die Immanentisierung des Eschatons ein. Sie können auch ein Anker zu Zwischenwelten sein, Unterhaltungsprogramm und treue Begleiter des Landgrafen aus der Legende von Sleepy Hollow (stimmungsvoll eingefangen von Marie Mönkemeyer in „Des Landgrafen Soldat„). Die Protagonist*innen zeigen die unterschiedlichsten Reaktionen auf diese Umstände, fast immer passend, nicht selten augenzwinkernd als Anspielung auf Fandoms. Leider vermisst man die Voraussetzung der sprechenden Kürbisse für die Aufnahme im Kürbisgemetzel manchmal aber auch vollständig und nicht immer kann die Qualität der Geschichte dann über diesen Umstand hinwegtrösten. Doch vor allem die erste Hälfte glänzt mit starken und genial eigenwilligen Ideen.
Vielfältige Genre-Abdeckung
Richtig gemetzelt wird zum Glück nur in wenigen Geschichten, denn dann wäre die Anthologie Kürbisgemetzel sehr viel einseitiger. Alltägliche Situationen gleiten ins Surreale ab, das Ende der Welt wird (mit extrem langen Vorbereitungen und Umwegen) eingeläutet oder der Nachklang des Untergangs eingefangen (sehr eindrucksvoll beschrieben in „Die gruseligste Nacht des Jahres„ von Saskia Dreßler), polizeiliche Ermittlungen mit übernatürlichem Hauch findet man in der Geschichte von Roxane Bicker („Jägerinnen„ – und man möchte sofort mehr von diesen Figuren lesen. Aber auch klassische Fantasy wird abgedeckt; psychologisch mehrschichtige Lebensausschnitte, Reisen ins Ferne Japan und generationsübergreifende Geheimnisse finden ebenfalls ihren Platz im Kürbisgemetzel und bieten so für jede Lesestimmung Material. Positiv hervorheben sollte man die Diversität einiger weniger Geschichten, die Potential für längere Werke bieten.
Amüsant, nachdenklich, charmant und düster
Manche Stimmungen der Geschichte sind ja fast schon durch das Genre gegeben. Bei einem Aufstand der Kürbisse mit Widerstandserhebung am Ende wie in „Vekstholm Bockholl„ von Matthias Sebastian Biehl wird es schnell düster. Wenn der Geist einer Verstorbenen wie in „Nach Hause„ von Dani Aquitaine Allerheiligen nutzen will, um ihren Geliebten wiederzutreffen und unerwartete Hilfe von einem Kürbis bekommt, bietet das Chancen für Humor – aber auch für Rachegeister und das Weiterkommen im (Nicht-)Leben. Die richtig gruselige Stimmung fahren nur wenige auf (und selbst dann muss man sich als Leser*in nicht vor totalem Horror fürchten), so zum Beispiel Mae Ludwig mit ihrer Geschichte „Der Cache„. Vielschichtigkeit bietet nicht nur ein Beitrag und so wird man in Kürbisgemetzel mit Freundschaft, Anziehung sowie Hoffnung überrascht, wo man diese schon verloren glaubte.
Fazit
Einige der Autor*innen aus dieser Anthologie kenne ich persönlich, manche sogar sehr gut. Deshalb war es für mich selbstverständlich, dass ich diese Sammlung besitzen möchte. Mitredakteurin Ivy hat sich dann mit mir getroffen und mir ein Exemplar zu Rezensionszwecken überlassen – stilecht mit Signatur, die erste eigene Veröffentlichung muss man feiern! Nach und nach habe ich mich durch die Geschichten gelesen und war vor allem in der ersten Hälfte durchgehend begeistert. Kreative Ideen, spannende Twists, großartiger Umgang mit Worten. Doch es gibt einen Punkt, da werden die Geschichten in meinen Augen schwächer, was nicht nur an den thematischen Schwerpunkten, sondern auch der Umsetzung mancher Autor*innen liegt. Ein paar Beiträge wirken nicht rund und leicht unfertig, was schade ist. Letztendlich überwiegen aber die richtig guten Geschichten und ich kann den Kauf nur empfehlen!
© Roxane Bicker, Sarah Malhus
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