Robert Langdon (Band 5): Origin
Am 4. Oktober 2017 war es soweit: Robert Langdon hat sich nun schon zum fünften Mal seine Mickey Maus-Uhr angelegt, um kurz darauf mit Anlauf in einen Strudel aus Verschwörung, Religion und religiösen Verschwörungen zu springen. Er hat mit den Illuminaten gerungen, sich mit Sakrilegen herumgeschlagen, Infernos überstanden und auch das letzte Symbol entschlüsselt. Ist das neueste Rätsel der Mühe überhaupt noch wert oder sollte man lieber die Komplettlösung bemühen? Finden wir es heraus!
Eigentlich sollte es Robert Langdon inzwischen wirklich besser wissen. Da lädt ihn sein Freund Edmond Kirsch – seines Zeichens milliardenschwerer zukunftsweisender Computerwissenschaftler –, zu einer Präsentation im Guggenheimmuseum in Bilbao ein und eröffnet ihm, dass er die ganze Welt, ach was, das ganze Universum umkrempeln würde; und was macht der alterstechnisch schwer einzuschätzende Symbologe? Er geht hin! Hat er denn aus den letzten Jahren nichts gelernt? Müsste er nicht eigentlich augenblicklich die Hände in die Luft werfen und ‘Nee, Leute, ohne mich!’ rufen, sobald er ein nur im Ansatz nach Mysterium riechendes Ereignis wittert? Und Hand aufs Herz Robert, wie war das noch als du beim letzten Mal in ein Museum beordert wurdest? Ein nackter Mann, der mit seinem eigenen Blut kurz vor seinem Tod wirre Symbole auf Boden und Wände geschmiert hat. Und du bist dir sicher, du willst nach Bilbao?
Nun gut.
Überraschenderweise läuft in dem Bollwerk moderner Kunst nicht alles wie geplant ab. Kirsch wird, selbstverständlich, vor der großen Enthüllung ermordet und Langdon sowie das gesamte spanische Königshaus samt Azubi-Monarchin – denn was wäre Langdon ohne weibliche Begleitung? – in ein Meer aus Verschwörung, Betrug, Verrat und ganz generell Intrigen, die von intrigierenden Intriganten initiiert wurden, geschubst. Nun sieht er sich mehreren Fragen gegenüber gestellt, die alle miteinander verknüpft zu sein scheinen: Wer hat Kirsch ermordet, was war die große Entdeckung, die er gemacht hat? Was hat der König Spaniens damit zu tun? Wieso ist Langdon nicht einfach Zuhause geblieben und hat sich einen Film mit Tom Hanks angeschaut? Und, die wichtigste Frage von allen: Warum fühlen sich alle immer gezwungen Hinweise und Erkenntnisse auf möglichst dramatische Weise zu enthüllen? Die Antworten auf die meisten Fragen finden sich im Buch. Nur eines ist von Anfang an klar: Robert, du hättest wirklich damit rechnen sollen.
Hinhalten – Das Buch
Die Thriller von Dan Brown sind Weltbestseller und haben auch Verfilmungen nach sich gezogen; angefangen mit Sakrileg über Illuminati hin zu Inferno. Die Geschichten, die erzählt werden, haben dabei alle einen ähnlichen Kern. Im Zentrum steht stets ein Mysterium, welches der Protagonist Robert Langdon selbstverständlich mithilfe einer bildhübschen Begleiterin auf den Grund gehen muss. Leider ist er nicht mit etwaigen Agentengadgets ausgestattet, sondern muss sich lediglich mit seinen grauen Zellen und enormen Kunst- und Symbolwissen behelfen. Glücklicherweise sind die Rätsel meist mit Kunst, seien es die Werke DaVincis oder Dantes Göttliche Komödie, verbunden, so dass er immerhin eine Chance hat. Unglücklicherweise wird er stets von einem oder gleich mehreren fanatisch fanatischen Fanatikern verfolgt, gegen die einige Agentengadgets extrem nützlich wären. Die Spannung ergab sich immer aus der Schnitzeljagd, die sich Langdon mit seinen Gegnern lieferte. Hinweis führt zu Hinweis und letztlich zum Finale, meist gekrönt mit einer unerwarteten Wendung innerhalb der Geschichte. Dieses Schema bleibt für Origin erhalten, lässt aber deutliche Ermüdungserscheinungen erkennen. Zentrales Problem ist das schon fast zelebrierte Hinhalten des Lesers in Bezug auf das Mysterium, das den Kern des Buches bildet: Was hat Kirsch entdeckt?
Und sollte jemand auch nur für einen Moment vergessen, über diese Frage nachzudenken, wird nahezu in jedem Kapitel die Wichtigkeit seiner Entdeckung wiederholt. Immer, und immer, und immer wieder. Das kann auf Dauer die Nerven strapazieren. Gegen Spannungserzeugung ist nichts einzuwenden, aber irgendwann überschreitet es diesen gewissen Punkt und hinterlässt grollende Ungeduld. Man denke es sich in etwa so:
Wenn man kurz vor Weihnachten von einem Freund eröffnet bekommt, er habe das perfekte Geschenk gefunden, ohne mehr zu sagen, kann das zu wachsender Vorfreude und Spannung führen. Wenn derselbe Freund bereits im Juni damit anfängt einem immer wieder das Paket unter die Nase zu halten, nur um es wieder wegzuziehen und dann mit dem Zeigefinger zu wackeln, könnte das auf Dauer eine gewisse Frustration erzeugen. Origin ist genau dieser Freund. Als Leser wird einem viel zu deutlich, dass man bewusst hingehalten wird, sodass aus dem ersten fragenden ‘Wie geht es weiter?’ bald ein ‘Wie geht das denn nun endlich weiter?!’ wird. Das Ganze wird dadurch verschlimmert, dass am Ende jedes Kapitels wieder einmal irgendeine Person, irgendeine Nachricht liest und entweder zu sich selbst oder zu einem anderen murmelt: ‘Oh nein, das verändert alles’. Solche Cliffhanger können sicherlich im rechten Maße zum zittrigen Umblättern der Seiten führen. Wenn man allerdings zu 90% der Zeit an Kliffen hängt, wird selbst das auf Dauer langweilig und anstrengend.
Recherchestolpersteine
Originaltitel | Origin |
Ursprungsland | USA |
Jahr | 2017 |
Typ | Roman |
Bände | 1 (Teil 5 der Langdon-Reihe) |
Genre | Thriller |
Autor | Dan Brown |
Verlag | Bastei Lübbe |
Dan Brown betreibt einen beeindruckenden Rechercheaufwand, wenn es um die Erschaffung seiner langdonischen Abenteuer geht. Entsprechend gibt es etliche der Organisationen, Kulte, Forschungsrichtungen etc., die einem auf Roberts Weg begegnen, tatsächlich. Abgesehen vielleicht von mörderischen Albino-Kultisten und wild tätowierten Tötungsmaschinen im Auftrag obskurer Ideologien; der Teufel liegt hier im Detail. Aber gerade diese Verbindung aus Realität und Fiktion macht die Rätsel, denen Symbolflüsterer Langdon begegnet, interessant. Auf der einen Seite wird einem faktisches Wissen über ein Kunstwerk eingeflößt, nur damit es im nächsten Moment Teil der fiktionalen Hinweiskette werden kann, die die Handlung vorantreibt. Auch in Origin erfährt man vieles über Künstler, Bauwerke, Gärten, Treppen und selbst über ein Reagenzglas. Jedoch, anders als zuvor, springen einem diese Momente eher störend entgegen, da sich das zentrale Mysterium nur geringfügig in Symbolen verwirrt, die entpuzzelt werden müssen. Tatsächlich hat Langdon erstaunlich wenig zu tun und die Passagen über dieses Bauwerk, das von X erbaut und mit Y versehen wurde, wirken auf Dauer wie Stolpersteine auf dem Leseweg. Verfolgt man gerade einen handlungswichtigen Dialog, wird dieser meist dadurch das ein Gebäude/Architekt/Künstler erwähnt wird, unterbrochen, um dem empor blubbernden Recherchewissen Platz zu machen, das dem eigentlichen Fortlauf den Weg abschneidet. Gerade wenn es dem zentralen Geschehen nur Geringfügiges hinzufügt, ist es schwer, gesteigertes Interesse an den x-ten Eskapaden eines berühmten Impressionisten zu zeigen. Insbesondere da der Fokus der Bücher eben stets auf dem Mysterium lag und nie auf den Figuren, sodass Robert kaum alleine als Charakter eine Geschichte wirklich tragen könnte, obwohl er schon so lange im Dienst ist.
Eine Wende am Ende
Die eigentliche Auflösung von Kirsch großartiger Präsentation lässt eher einen faden Beigeschmack zurück. Speziell durch die immer wieder angefachte Spannung und das stete Hinauszögern erwartet man einen gewaltigen Knall, der letztlich niemals so laut sein kann, wie man es sich wünschen würde. Es hat etwas von einer enormen Silvesterrakete, die mittels einer riesigen Rampe und meterdicken Zündschnur gestartet wird, nur um nach kurzem luftigem Seufzen müde auf die Seite zu fallen. Das wäre nicht so schlimm, wenn zumindest die Aufklärung des Mordes das Feuerwerk rettet, aber auch hier bleibt es eher verhalten.
Ich habe bisher alle Titel von Dan Brown gelesen und gerade Sakrileg mochte ich persönlich recht gerne. Nicht deshalb, weil ich die Charaktere faszinierend fand oder ich selbst einen heiligen Gral bei mir im Hause herumstehen habe, sondern weil ich solche Schnitzeljagdgeschichten einfach mag. Rätsel, die zu Rätsel führen, dazu dann bitte noch irgendwelche Apparaturen, Tempel oder ähnliches und ich grinse glücklich. Ich kann dann auch mit eher fadenscheinigen Geschichten meinen Spaß haben. Bei Origin bleibt er aber auf der Strecke. Ab und an habe ich mich wie ein Esel gefühlt, dem eine Karotte mit der Aufschrift ‘Edmond Kirschs Präsentation’ vor die Nase gehalten wird. Nichts gegen die werten Paarhufer, aber das geht mir gegen den Strich. Dass dann die große Wende weit weniger pompös ist als die Trompetenfanfare im Voraus, hat weiter gegen besagten Strich gehämmert. Und nach dem 467. Mal, an dem ein entscheidender Hinweis am Kapitelende gefunden wird, nur um dann quasi abzublenden, rattert ein Presslufthammer an dem armen Strich. Zum Bruch kommt es dann vor allem mit den meist wenig relevanten Kunstverweisen, die ab und an einfach nur aufdringlich wurden. Nicht falsch verstehen: Ich habe gewaltigen Respekt vor Autoren wie Dan Brown, die sich derartige Mühe bei der Recherche geben, ich denke nur, dass die Informationen nicht besonders gut in den Text gearbeitet wurden, so dass es sich wie eine fliesende Geschichte anfühlt. Wer ein Fan der Reihe ist, sollte seine Erwartungen zügeln. Thriller-Liebhaber können durchaus einen Blick riskieren, eventuell aber erst mit der Taschenbuchausgabe. Wer bisher nichts mit den Büchern von Dan Brown anfangen konnte, wird mit Origin ebenfalls nicht zum Hobby-Verschwörungstheoretiker.
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Ganz so schlimm fand ich den Roman zwar nicht, aber es ist auf jeden Fall Dan Browns schwächster bisher. Insgesamt liest sich der Origin zwar recht flüssig und ich fand das Buch auch thematisch nicht uninteressant. Leider kommt kaum Spannung auf und auf ein richtiges Finale wartet man vergeblich. Die Auflösung um Kirschs Präsentation finde ich auch nicht sonderlich überzeugend. Das Ganze machte auf mich vielmehr den Eindruck eines Sturms im Wasserglas. Bleibt zu hoffen, dass es Dan Brown das nächste Mal wieder besser macht.