Peter Grant (Band 5): Fingerhut-Sommer

Wer sagt eigentlich, dass Einhörner lieb und nett sind? In Fingerhut-Sommer, dem fünften Band der Peter Grant-Reihe, schickt Autor Ben Aaronovitch seinen Zauberlehrling aus dessen Komfortzone London raus in die Pampa. Zwei Kinder wurden nämlich entführt und wieder einmal scheint Magie im Spiel zu sein. Bei den Ermittlungen muss Peter Grant nur schnell feststellen: Gerüchte kommen nicht aus dem Nichts, auf dem Land kann es ganz schön gefährlich sein und Einhörner sind nicht nett. Absolut nicht! Passend zum Erscheinen des siebten Bandes Die Glocke von Whitechapel begeben auch wir uns in den kleinen Ort Herefordshire – wo sich Fuchs und Hase mehr als nur gute Nacht sagen.

Peter Grant kann es immer noch nicht glauben. Seine Partnerin Lesley May hat ihn verraten und arbeitet für den „Schwarzen“ Magier. Doch es bleibt keine Zeit um Trübsal zu blasen, denn sein Chef Nightingale schickt in die ruhige Ortschaft Herefordshire. Dort werden zwei elfjährigen Mädchen vermisst, die möglicherweise auf magische Art entführt worden sind, was aber noch nicht sicher ist. Für den Stadtjungen heißt das: Ermittlungen in der tiefsten Provinz. Na, ob das gut geht? Zum Glück begleitet ihn die schöne Flussgöttin Beverley Brook. Doch ganz ohne Hintergedanken ist sie nicht mit von der Partie, wie Peter bald feststellen muss.

Kleiner Tapetenwechsel

Originaltitel Foxglove Summer
Ursprungsland England
Jahr 2014
Typ Roman
Band 5 / ?
Genre Urban Fantasy, Krimi
Autor Ben Aaronovitch
Verlag dtv

Fingerhut-Sommer spielt als erster Band der Reihe nicht in London. Das bedeutet nicht nur, dass sich Stadtjunge Peter mit den Gepflogenheiten auf dem Land herumärgern muss, sondern auch, dass wir einige liebgewonnene Figuren diesmal gar nicht zu Gesicht bekommen. Allen voran den perfekte britischen Gentleman und Lehrmeister Nightingale. Dieser zieht nur im Hintergrund die eine oder andere Strippe und überlässt sonst alles seinem Lehrling. Kein London bedeutet auch, dass wir keinen Abstecher ins Folly machen, was wiederum heißt: Kein Toby und noch weniger Mollys gruselige Einlagen und ihre Kochversuche. Ein hartes Los, das wir Fans mit diesem Band ziehen, denn gerade Peters Chef wird schnell vermisst! Doch zum Ausgleich lernen wir eine Menge neuer interessante Figuren kennen. Unter anderem den alten Zauberer Hugh Oswald und seine mysteriöse Enkelin Melissa, die eine Vorliebe für Bienen hat. Dank des alten Mannes erfahren wir mehr über das Geschehen in Ettersberg, was eine seltene Gelegenheit ist, da Nightingale nur wenig aus seiner Vergangenheit preisgibt. Außerdem erhält der Lehrling ein wichtiges Instrument für seine Ausbildung. Diese ging ja im letzten Band doch etwas wegen der Ermittlungen unterging und wird hier auch nicht groß weitergeführt, weil er nicht in London ist. Trotzdem fällt das Thema nicht gänzlich unter den Tisch. Auch bei der Polizeiarbeit treffen wir viele verschiedene Figuren, die mal mehr, mal weniger mit der Magie zu tun haben wollen. Zum Glück findet der Bobby aus London in DC Dominic Croft einen Mann, der ihm gerne zur Seite steht, auch wenn das beutet, vor seltsamen Dingen wegzurennen!

„Stehen die nicht unter Artenschutz?“

In London tummeln sich viele magische Wesen, doch die Provinz muss in diesem Punkt nicht zurückstecken. So darf der Zauberlehrling sich mit der hiesigen Flora und Fauna anfreunden. Ein besonderes Highlight ist dabei die Begegnung mit einem waschechten Einhorn. Dieses ist jedoch alles anders als freundlich und hat es auf den Peter und Co. abgesehen. Als Leser dürfen wir uns daher auf eine schnelle, spannende Verfolgungsjagd freuen, bei der ein paar Zäune weichen dürfen. Gekonnt spielt Ben Aaronovitch hier wieder einmal mit den gängigen Klischees und beschert uns so einen mordsmäßigen Spaß. Auch in Bezug auf die Flussgötter lernt der Leser in Fingerhut-Sommer noch etwas dazu. Beverley verführt unseren armen Anfängermagier zu einem magischen Ritual, bei dem unser Lehrling vor allem erst im Nachhinein erfährt, dass es eins war. Tja, armer Peter, aber das Mitgefühl hält sich in Grenzen, denn ein schelmisches Grinsen ist nur schwer zu unterdrücken. Beziehungstechnisch geht es auch endlich ein paar Schritte weiter. Zwar ist dies keine Überraschung, aber eine sehnsüchtig erwartet Entwicklung.

Magisches Kinderkuddelmuddel

Zentraler Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist die Suche nach den Kindern. Doch die dauert gar nicht allzu lange, denn schon in der Mitte des Bandes findet Peter diese. Manchen Gerüchten im Dorf konnte der Polizist aus London dann doch Glauben schenken. Eine Sache stimmt aber nicht und so bleibt es weiterhin interessant, denn das Mädchen Nicole gibt Rätsel auf. Die Spur, die unser Zauberlehrling verfolgen muss führt in die Sage um die Wechselbälger. Hier lernen wir noch einiges über diesem Aberglauben dazu und natürlich steckt mehr dahinter, als wir oder Peter anfänglich glauben. Bei der endgültigen Auflösung gibt es für alle Beteiligten eine nette Überraschung. So stellt sich heraus, dass es sich bei der entführten Nicole um ein Feenkind handelt, das gegen das echte Menschenkind ausgetauscht wurde. Während diese Erkenntnis wirklich punkten kann, fällt das Final sehr überstürzt aus. Leser bekommen das Gefühl, dass ein paar Seiten mehr dem Ganzen gut getan hätten. Außerdem bringt uns der komplette Band keinen Deut in der eigentlichen Haupthandlung — der Gesichtslose — weiter, was wirklich schade ist. Immerhin meldet Lesley sich immer mal wieder per SMS. Da Peter der Verrat immer noch sauer aufstößt, lösen ihre Nachrichten ein Wechselbad der Gefühle bei ihm und bei uns aus.

Fazit

Nachdem mir Der Böse Ort nicht so sehr gefällt, kann Fingerhut-Sommer wieder mehr punkten. Ich finde die Abwechslung in diesem Band einfach angenehm, da wir wieder viele Schauplätze besuchen und neue Figuren kennenlernen. Gerade Melissa gab mir einige Rätsel auf, da ihr Verhalten schon sehr eigenartig ist. Ich hatte sie zum Beispiel lange unter Verdacht, bei den Kindern ihre Finger im Spiel zu haben. Trotz der Neulinge vermisse ich jedoch Nightingale sehr. Es ist seine ruhige Art, die immer so ein schöner Gegenpart zu seinem Schüler bildet und die hier einfach fehlt. Was die Mädchen anbelangt, hat mich der Autor wirklich an der Nase herumgeführt. Und so war ich überrascht, wie sich am Ende die Puzzleteile richtig zusammenfügen. Neben den Ermittlungen finde ich es schön, dass Peter und Beverly ihre Beziehung vertiefen, was einfach an der Zeit war.  Ich hätte nur nicht gedacht, dass Sex in einem Fluss einen Flussgott erschaffen kann! Da lernte ich wieder etwas dazu und ich bin genauso gespannt wie Peter, ob das noch Folgen haben wird. Mein persönliches Highlight ist die Einhornverfolgungsjagd und leider muss auch ich sagen, dass ich das Ende als etwas heruntergerattert empfinde. Da bleiben einfach Fragen offen. Genauso finde ich es zu einfach, wie unser Bobby der Feenkönigin entfliehen kann. Trotz der kleinen Schwächen finde ich diesen Band lesenswert, weil der Humor wieder stimmt und Ben Aaronovitch ein Magier der Wörter ist.

© dtv

Aki

Aki verdient ihre Brötchen als Concierge in einem großen Wissenstempel. Nie verlässt sie das Haus ohne Mütze, Kamera oder Lesestoff. Bei ihren Streifzügen durch die komplette Medienlandschaft ziehen sie besonders historische Geschichten an. Den Titel Sherlock Holmes verdiente sie sich in ihrem Freundeskreis, da keine Storywendung vor ihr sicher ist. Dem Zyklus des Dunklen Turms ist sie verfallen. So sehr, dass sie nicht nur seit Jahren jeden winzig kleinen Fetzen zusammensammelt. Nein, sie hat auch das Ziel, alles von Stephen King zu lesen.

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