Chrononauts – Die Zeitreisenden
Stell dir vor, du bist Christoph Columbus, erreichst nach Wochen der Kräfte zehrenden Entbehrung und Opfer endlich und erschöpft die fremden Gestade der (vermeintlich) Neuen Welt – nur um dann am Strand die gehisste Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika vorzufinden. Für solch einen Schabernack sind die beiden Abenteurer und Wissenschaftler (in dieser Reihenfolge) Corbin Quinn und Danny Reilly in Chrononauts – Die Zeitreisenden verantwortlich. Gleich fünf Film-Adaptionen von Titeln, die von Mark Millar stammen, fanden zwischen 2015 bis 2017 in die Kinos. Dass der Zeichner vielbeschäftigt ist, steht wohl außer Frage. Nach langjährigen Einsätzen bei DC und Marvel schickte er mit Chrononauts – Die Zeitreisenden eine in einem Band abgeschlossene Graphic Novel ins wortwörtliche Rennen um die Gunst der Leser. Panini Comics veröffentlichte den Band Ende 2016 in Deutschland. Da der actionlastige Stoff sich für eine Verfilmung anbietet, sollte es kein Wunder sein, dass eine Hollywood-Adaption bereits in Produktion ist. Mit Fast & Furious-Autor Chris Morgan ist immerhin ein Temporausch-Experte mit dem Stoff betreut.
Corbin Quinn und Danny Reilly sind die genialsten Wissenschaftler der modernen Zeit. Nach einem erfolgreichen ersten Test ihrer Technologie mit einer unbemannten Sonde geht es jetzt daran, einen Menschen durch die Zeit zu schicken. Die ganze Welt schaut zu, wie Corbin und Danny die ersten Menschen sind, die eine Zeitreise durchführen. Allerdings weichen die beiden Freunde schnell von den ursprünglichen Plänen ab und springen wild durch die Epochen. Dabei lassen sie es so richtig krachen: Ob als Könige der Antike, auf wilden Parties in den 1920ern oder auf Dinosaurier-Safari in der Urzeit. Ihr unverantwortungsvolles Verhalten hat auf den gesamten Zeitstrom Konsequenzen. Von dieser Entwicklung alles andere als angetan, setzen ihre Vorgesetzten, die das Treiben aus zeitlicher Entfernung ansehen, einen bewaffneten Einsatztrupp auf die Wissenschaftler an…
Kaum zu stoppen: Die temporeiche Reise der Jungs
Originaltitel | Chrononauts |
Jahr | 2015 |
Land | USA |
Genre | Action |
Autor | Mark Millar |
Zeichner | Sean Gordon Murphy |
Verlag | Panini Comics |
Mit Kick-Ass und Wanted erschuf Mark Miller moderne Comic-Klassiker. Für seinen Titel Chrononauts – Die Zeitreisenden holte er sich Sean Gordon Murphy (American Vampire) ins Boot, der für detailverliebte Zeichnungen steht. Zudem kommt sein rauher Stil mit vielen Schraffuren daher. Die Geschichte wird in einer solch rasanten Geschwindigkeit erzählt, dass der Leser kaum Zeit zum Verschnaufen findet: Das Tempo ist manchmal derart hoch, dass eine Epoche nur auf einer Seite abgehandelt wird und schon geht es zur nächsten. Das Treiben von Corbin und Danny ist dabei auf den wenigsten Seiten wirklich sinnvoll und ist häufig einfach nur mit einer wilden Hatz gleichzusetzen. Langeweile kommt deshalb in den vier, zu einem Band zusammengefassten, Heften nicht auf. Angesichts des Genres und der Erzählgeschwindigkeit sind auch die Dialoge nicht ganz anspruchslos ausgefallen. Allerdings ist die Krux mit Zeitreisegeschichten immer die Logik. Auch in Chrononauts hinkt diese an einigen Stellen. So dauert es beispielsweise viel zu lange, bis Handlungen mit Konsequenzen für den Zeitstrom eintreten. Auch gleich zu Beginn tun sich Fragezeichen auf: Da braucht es für den Start der Zeitreise auf einmal doch eine technische und stark an Stargate erinnernde Apparatur, obwohl man ja die Anzüge hat, die genau diese Apparatur unnötig machen sollen. Schwer ins Gewicht fällt das allerdings nicht: Es macht einfach Spass, die beiden Hauptfiguren durch die Zeit fetzen zu sehen, die trotz ihres Egoismus immer sympathisch bleiben. Mangelnde Logik hin und her. Dabei ergänzen sie sich gut und überzeugen mit ihrer Freundschaft, deren Facettenreichtum für die blassen Nebenfiguren entschuldigt.
Zum Verfilmen erschaffen
Nach Aussage von Autor Mark Millar, der von Guardians of the Galaxy sehr begeistert war und Chrononauts – Die Zeitreisenden in der Tonalität identisch mit der cinematischen Umsetzung der galaktischen Außenseiterbande sieht, gab es die Optionierung der Filmrechte an Chrononauts fast schon, bevor der Comic überhaupt erst gemacht worden war. Das merkt man dem Comic auch deutlich an: Jedes noch so kleinste Panel schreit nach einer Verfilmung. Die Einstellungen sind dynamisch und jede Pose wohlüberlegt. Dazu kommen viele popkulturelle Referenzen wie etwa H.G. Wells’ Zeitreisemaschine oder der Zurück in die Zukunft DeLorean. Beispiele für die sonstige Wahnwitzigkeit gefällig?
Chrononauts – Die Zeitreisenden besitzt ordentlich Wumms. Dass die Geschichte nur ein Vorwand für eine fixe Abfolge zeitlichen Chaos darstellt, ist vollkommen entschuldbar. Da das Hauptgespann besser funktioniert als man annehmen mag, ist Charme die große zweite Stärke der Graphic Novel. Zumal es nicht immer politisch korrekt zugehen muss und man es als zeitreisender Single sowieso krachen lassen darf. Allerdings merkt man dem Autor an, dass er bereits bei der Konzeptionierung der Geschichte eine Verfilmung im Kopf hat. Die Folge davon sind harte Brüche zwischen den einzelnen Szenen und eher weniger als mehr Charakterentwicklung. Dadurch schmerzt es ein wenig, dass die Geschichte nach einem Band schon wieder vorbei ist.