Die Legende von Korra – Ruinen des Imperiums
Die wenigsten Bösewichte würden sich als Bösewicht sehen, sondern als die Helden ihrer eigenen Geschichte. Auch in der zweiten Comic-Trilogie, welche an die Animationsserie anschließt, werden durch Autor und Avatar-Schöpfer Michael Dante DiMartino weiter lose Fäden von Die Legende von Korra zusammengeknüpft. Nachdem in Revierkämpfe das neuentstandene Geisterportal sowie die Liebesbeziehung zwischen Korra und Asami im Mittelpunkt stehen, widmen sich die im November 2020 von Cross Cult auch als Sammelband veröffentlichten Ruinen des Imperiums nun mit Kuvira der letzten Antagonistin der Fernsehserie und den Nachwirkungen ihres rücksichtslosen Eroberungsfeldzuges.
Wegen diesem wird Kuvira in Republica inzwischen der Prozess gemacht. Die besiegte Militärdiktatorin zeigt sich jedoch alles andere als einsichtig. Immerhin hat sie ein im Bürgerkrieg versunkenes Erdkönigreich wieder befriedet, Ordnung ins Chaos gebracht und hinter den schlimmen Taten standen ja durchaus gute Absichten, zumindest aus Sicht von Kuvira. Erdkönig Wu versucht derweil sein Reich in eine Demokratie umzuwandeln – gegen den Wunsch großer Teile seiner Untertanen. Probleme bereitet auch, dass in der ersten Wahlregion Gaoling noch eine von Kommandant Guan befehligte letzte Einheit des Erd-Imperiums ausharrt, die bisher nicht kapituliert hat. Wu bittet für die Lösung dieses Problems Team Avatar um Unterstützung und als Möglichkeit die Situation friedlich zu lösen, bietet sich zudem Kuvira an, die ihren ehemaligen Untergebenen zur Aufgabe überreden soll. Guan will Gaoling jedoch nicht wie erwartet gewaltsam erobern, sondern sich vom Volk zum Gouverneur wählen lassen. Die Lösung von Korra ist Toph Beifong zu überreden als Gegenkandidatin anzutreten. So gut die Idee auch scheint, Guan will die Wahl stehlen, indem er sich nicht nur seine Wähler, sondern auch die Mitstreiter von Korra durch eine neue Gehirnwäschetechnologie treu ergeben macht.
Die Legende von … ähm, Kuvira
Originaltitel | The Legend of Korra – Ruins of the Empire |
Jahr | USA |
Land | 2019 |
Genre | Fantasy, Steampunk |
Autor | Michael Dante DiMartino |
Zeichnerin | Michelle Wong |
Verlag | Cross Cult |
Veröffentlichung: 18. November 2020 |
Im Mittelpunkt dieser Story-Arc steht ganz klar Kuvira, die in der Animationsserie in der dritten Staffel zunächst noch als Mitstreiterin an Korras Seite kämpft, um dann letztlich mit immer weiter eskalierenden Taktiken ihren Vereinigungskrieg aus dem Erdkönigreich bis nach Republica zu tragen. Dabei geht Kuvira auch gegen ihre eigene Adoptivfamilie vor und tötet zudem Asamis Vater. Der Comic macht sich nun daran, die persönlichen Ursachen dahinter näher zu beleuchten, indem kurze Rückblicke in Kuviras Kindheit geworfen werden, in der sie von ihrer leiblichen Familie verstoßen wurde und in ihrer Adoptivfamilie meist ein Außenseiterdasein gefristet hat. Auch wird sie mit den Folgen ihrer Taten konfrontiert, wie dem Hass Asamis oder der Enttäuschung ihrer Zweitfamilie, inklusive der ihres ehemaligen Verlobten Bataar. Auch der letzten Hinterlassenschaft ihres Imperiums muss sie sich in Form von Guan stellen, dem jedes noch so unmenschliches Mittel recht ist, um mehr Macht zu erlangen.
Vertrauen oder nicht vertrauen?
Spannung wirft insbesondere die Frage auf, inwieweit Kuvira zu trauen ist. Zwar bietet sie ihre Hilfe an und man merkt, dass es durch die Konfrontation mit ihrer Familie und Guan in ihr arbeitet, doch es bleibt durchgehend die nagende Befürchtung, ob sie nicht doch wieder in alte Verhaltensmuster verfällt, anstatt ihre Chance zur Wiedergutmachung zu ergreifen. Allein ihre Anwesenheit und inwieweit sie eine zweite Chance oder Vergebung verdient hat, führt innerhalb von Team Avatar schnell zu Gräben, die sich durch Guan und seine Gehirnwäsche zu handfesten Konflikten vertiefen. Durch den Fokus auf Kuvira, auf die Beifong-Familie und die Situation im Erdreich rücken andere Figuren zwangsläufig in den Hintergrund, sodass sogar König Wu letztlich eine stärkere Entwicklung durchmacht, als die ursprünglichen Hauptfiguren. Immerhin bereichert Toph ab dem zweiten Band die Geschichte, deren drohendes Schicksal auf ein politisches Amt für reichlich sarkastische Kommentare ihrerseits sorgt.
Bekannte Schwächen
Auch Ruinen des Imperiums leidet an ähnlichen Schwächen wie schon Revierkämpfe, wie etwa dass sich das Elementarbändigen weniger eindrucksvoll auf Standbilder überträgt oder dass mit Guan erneut ein vergleichsweise einfach gestrickter Antagonist auftritt, der hier jedoch eher die Funktion erfüllt, Kuvira den Spiegel vorzuhalten. Der Zeichner-Wechsel in der zweiten Comicreihe von Irene Koh zu Michelle Wong sorgt zudem zwar für einen saubereren Stil und vermittelt die Geschichte ordnungsgemäß, bleibt aber meist unambitioniert und hinterlässt keine einprägsamen oder emotional bewegenden Bildmomente. Insgesamt scheinen die Comichandlungen zudem bisher mehr die Funktion eines Epilogs zu erfüllen, als der Geschichte von Korra wirklich ein neues Kapitel hinzuzufügen.
Fazit
Für Korra- und insbesondere für Kuvira-Fans dürfte sich auch die zweite Story-Arc in Comicform lohnen. Die Geschichte ist zwar unterhaltsam und entwickelt ein – eher einfach gestricktes – Psychogramm von Kuvira, aber mitreißende Begeisterung hat sich bei mir beim Lesen nicht so richtig eingestellt, zumindest nicht im Vergleich zur Serie. Während nach dem Abschluss von Revierkämpfe mit Ruinen des Imperiums schon der Nachfolger in den Startlöchern stand, scheint aktuell keine weitere Comicserie in Aussicht, was aber auch damit zu tun haben mag, dass DiMartino (und Avatar-Mitschöpfer Bryan Konietzko) zwischenzeitlich (und letztlich unglücklich) mit dem Avatar-Remake auf Netflix beschäftigt waren, sodass es – hoffentlich – mit der Legende von Korra weitergeht.
© Cross Cult
Veröffentlichung: 18. November 2020: