Paper Girls (Band 2)
Auf der Flucht vor flugdinosaurierreitenden Rittern verschlägt es die vier Paper Girls in eine Zukunft, die für uns nur eine kurze Zeit zurück liegt. Doch wer glaubt, dass die Mädchen in 2016 sicher sind, der hat die Rechnung ohne das Genie eines Brian K. Vaughn gemacht. Seit Juli 2017 kann man den zweiten Band der Reihe, die bei Cross Cult erscheint, lesen. Am 20. Dezember wird auch der neueste Teil pünktlich für Weihnachten zu kaufen sein, ein Grund für uns, sich die Reihe genauer anzusehen.
Wir folgen mitten in der Nacht einem Smart, in dem eine erwachsene Frau mit ihrer Schwester telefoniert und über ihre scheinbar leicht verrückte Mutter spricht. Genau wie in Band 1 ist es 4:40 Uhr, viel zu früh also, um eigentlich unterwegs zu sein und auch die Fahrerin kann nicht glauben, dass sie immer noch so früh aufsteht. Plötzlich sieht sie etwas, was sie das Gespräch unterbrechen lässt und wir befinden uns in der Situation, mit der Band 1 endete: Die Zeitungsausträgerin Erin Tieng stellt sich vor und bittet um Hilfe. Nur um festzustellen, dass sie auf ihr 28 Jahre älteres Ich getroffen ist.
Die Gruppe ist unvollständig
Natürlich funktionieren Zeitreisen nie so, wie sie geplant (oder in diesem Fall ungeplant) sind und schnell stellen die Paper Girls fest, dass ihnen ein Mitglied fehlt: die jüdische Hockeyspielerin KJ. Die Zukunfts-Erin soll ihnen bei der Suche helfen, also quetschen sich die Mädchen in das kleine Auto (nicht, ohne über die Sardinenbüchsen, in die sich die Autos der Zukunft entwickelt haben, zu lästern), um von deren Haus aus alles zu koordinieren. Schnell merken sie, dass sich Erin nicht unbedingt positiv entwickelt hat. Sie ist leicht reizbar, frustriert vom Job und leidet unter Angststörungen.
Der Apfel zeigt den Weg
Während die Paper Girls noch vollkommen fasziniert auf den Fernseher starren (wie kann dieser so flach und doch mit so viel Tiefe ausgestattet sein?) und sich fragen, welche Sprache in den Nachrichten gesprochen wird, weil es 1988 noch kein Twitter gab, fällt der Strom aus. Das weckt unliebsame Erinnerungen an die Abenteuer aus dem ersten Band, aber führt auch dazu, dass Tiffany entdeckt, wie die 2016er Erin ein Gerät mit einem Apfel auf der Rückseite benutzt – dasselbe Symbol, welches sich auch auf dem Fund der Vergangenheits-Erin findet. Ihre erwachsene Version nimmt dieses in die Hände und verbindet sich auf für den Leser mysteriöse Weise mit dem quadratischen Applegerät, welches größer als ein iPod Shuffle ist, und bekommt kurz darauf eine Wegbeschreibung zur “Ersten Falz” angezeigt.
Überdimensionierte Viecher halten die Stadt auf Trab
Es wäre nicht Paper Girls, wenn die Handlung nicht noch verrückter werden würde.
Showdown in der Mall
Originaltitel | Paper Girls Vol. 2 |
Jahr | 2016 |
Land | USA |
Genre | Science-Fiction, Mystery |
Autor | Brian K. Vaughn |
Zeichner | Cliff Chiang |
Verlag | Cross Kult (2017) |
Alles läuft im stillgelegten Einkaufszentrum der Stadt zusammen. Hier wird fast beiläufig Kritik an großen Versandhäusern geübt und auch sonst ist es faszinierend, wie Brian K. Vaughn popkulturelle und politische Anspielungen einbaut. Bei der Freude Tiffanys darüber, dass eine Frau Präsidentschaftskandidatin ist, möchte man im Angesicht der Realität eine Träne verdrücken. Und auch sonst wird es dem Leser ebenso schwer wie der jungen Erin bei der Entscheidung gemacht, wem man vertrauen kann und wem nicht.
Mehr Erwachsenwerden, mehr Identitätsfindung
Es kommt in Zeitreisegeschichten nicht selten vor, dass die Protagonisten auf ihr älteres oder jüngeres Selbst treffen oder es mit aller Macht zu vermeiden versuchen. Doch selten wird diese Begegnung mit so viel Gefühl erzählt, wie es hier getan wird. Die 1988er Erin ist im ersten Moment natürlich ziemlich geschockt, dass sie es nie aus Stony Stream herausschaffen wird. Und auch die erwachsene Version bekommt einen Spiegel vorgehalten, sie hat ihr jüngeres Ich vor sich, welches noch voller Hoffnung und Mut und Engagement ist. Beide lernen im Laufe der Geschichte voneinander, vor allem, als das Mädchen der Frau eine Standpauke darüber hält, dass sie nicht wirklich ein Loser geworden ist. Alles gerät ins Wanken, als sie bei der “ersten Falz” einen Hockeyschläger finden, auf der eine eindeutige Warnung steht:
Ungewöhnliche Charaktere für ein außergewöhnliches Abenteuer
Diese Mädchen sind anders, als man es gewohnt ist. Sie haben es in einer Zeit, in der nur Jungs diesen Job ausüben durften, geschafft, Zeitungsausträgerin zu werden. Die Paper Girls haben es nicht nötig, sich die Nägel zu lackieren, ohne Unterbrechung über Jungs zu sprechen oder die neuesten Klamotten zu besitzen. Sie sind willensstark und wissen, was sie wollen: ihre Freundin wiederfinden und ein paar Fragen beantwortet bekommen. Gerade das macht es so wunderbar erfrischend, von ihnen zu lesen. Die knalligen und ausdrucksstarken Zeichnungen, deren Farben aus einem Candy Shop extrahiert sein könnten, unterstreichen die Geschichte und die Entwicklung der Mädchen.
Auch Band 2 der Reihe lässt einen mit tausend Fragen zurück. Ich mag den ersten Teil für seine Abgedrehtheit und der Absurdität von Menschen, die auf Dinosauriern durch die Gegend fliegen und dabei wie Shakespeare sprechen, der in der Zukunft neu interpretiert wurde. Auch die Kombination aus Diversität, die durch ein schwules Pärchen geschaffen wird, und starken Charakterköpfen sagt mir zu und ich bin gespannt, was sich Brian K. Vaughn in der Richtung noch ausdenkt. Der zweite Band besitzt eine etwas ruhigere und klarere Handlung, was nach dem verrückten Einstieg guttat. Er überzeugt mit den Beziehungen unter den Protagonisten ebenso wie mit seinen Bildern, die ich mir teilweise einfach nur groß an die Wand hängen möchte.
Das liest sich alles sehr verlockend und ich habe Paper Girls direkt mal auf meine Kaufliste gesetzt. Eine Rückfrage: Erscheinen die Bände im Großformat oder ist das Taschenbuchform? Denn da ich auf Überformate wenig Lust habe, würde ich mir die Reihe dann eher für’s Kindle holen.
Von mir bekommt die Reihe eine absolute Empfehlung, wenn man damit leben kann, nicht alle Fragen direkt beantwortet zu bekommen. Sie ist so wunderbar abgedreht, dass man da gar nicht sofort alle Informationen braucht. Bei Cross Cult kommen sie als Hardcover heraus, das Format ist größer als das Hardcover eines Fantasyromans o.ä., in der Höhe nehmen sie circa 25 cm ein. Aber definitiv nicht so riesig wie die Comics von Splitter oder ein Asterix-Band z.B. – vergleichbar am ehesten noch mit einem 10 Zoll Tablet.