A Quiet Place: Tag Eins
Das Prequel A Quiet Place: Tag Eins besitzt nur rudimentäre Verbindungen zu den beiden Filmen A Quiet Place und A Quiet Place 2. Das Spin-off unter der Regie des Pig-Regisseurs Michael Sarnoski erzählt vom Tag des Ausbruchs, allerdings an einem anderen Ort und nicht aus der Perspektive der bewährten Familie Abbott. Stattdessen treten die krebskranke Samira (Lupita Nyong’o, Wir) und ihre Therapiekatze Frodo in den Vordergrund, die sich ihren Weg durch New York bahnen. Das bietet ebenso viel Bekanntes wie gänzlich neue Nuancen innerhalb des kleinen Franchises, was wohl auch daran liegt, dass die Regie zwar wechselt, aber die Idee weiterhin von John Krasinski stammt. Der Film erschien am 10. Oktober 2024 fürs Heimkino.
Ihre letzten Tage verbringt die krebskranke Samira (Lupita Nyong’o) in einem Hospiz außerhalb New Yorks. Sie ist verbittert und zynisch, weswegen ihr ärztlicher Betreuer Reuben (Alex Wolff, Old) sie mit anderen Patienten zu einem Ausflug in die Stadt animiert. Samira schwärmt von einem letzten Besuch im Jazz-Club, in dem ihr Vater einst spielte, und einer Pizza von Patsy’s. Doch dann bricht während eines Meteoritenschauers die Hölle los, als mit den Himmelsobjekten abertausende Außerirdische die Stadt überrennen, die nicht sehen, aber dafür extrem gut hören können. Mit unverletzlicher Panzerhaut und unstillbaren Hunger auf Menschen lassen die Kreaturen New York im Chaos versinken. Im Tumult der Gefechte ist Samira mit ihrer Therapiekatze Frodo auf sich allein gestellt.
Originaltitel | A Quiet Place: Day One |
Jahr | 2024 |
Land | USA |
Genre | Science-Fiction, Drama |
Regie | Michael Sarnoski |
Cast | Samira: Lupita Nyong’o Eric: Joseph Quinn Reuben: Alex Wolff Henri: Djimon Hounsou |
Laufzeit | 99 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 10. Oktober 2024 |
Erinnerungen an 9/11
Das Konzept des Endzeitschockers A Quiet Place ist simpel, aber effektiv: Die Erde wird von blinden Aliens überrannt, die jedes noch so kleine Geräusch mit ihrem hypersensiblen Gehör wahrnehmen. Absolute Stille ist deshalb das Gebot der Stunde. Fokussiert auf eine Familie und ihren Kampf ums Überleben, bietet der 2018 veröffentlichte Film enorme Spannung und kommt nahezu ohne gesprochene Worte aus. Der gigantische Erfolg an den Kinokassen brachte einen zweiten Teil mit sich, der die Geschichte der Familie Abbott fortführt. Bevor es in einem dritten Teil weitergeht, soll A Quiet Place: Tag Eins die Zeit bis dahin versüßen. Da die Eindrücke der Familie doch eine recht einseitige Perspektive auf die Entwicklung der Dinge zeigt, liefert uns Lupita Nyong’os Samira noch einmal einen anderen Blick. Verbittert, zynisch, ausgezehrt – so wird sie eingeführt. Menschlichkeit beweist sie aber nur wenig später, als sie mit anderen Patienten einen Ausflug in ein Marionettentheater macht und plötzlich die Hölle losbricht. Regisseur Sarnoski inszeniert den Erstangriff angemessen wuchtig und immersiv. Er zwängt uns konsequent in die Perspektive Samiras, die in den auf einmal von Staub vernebelten Straßen Manhattans komplett die Orientierung verliert. Bilder, die unweigerlich an die Fernsehaufnahmen nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 erinnern. Diese unterscheiden sich deutlich von den Bildern, die wir bislang kennen. Denn nun wechselt der Blick von der Kleinstadt in die Großstadt, wo das Ausmaß des Schadens noch deutlicher wird.
Menschlichkeit in einer aus den Fugen geratenen Welt
Mit Samira tritt eine Figur ins Geschehen, die keine völlig leere Leinwand ist, die erst noch bemalt werden will. Kurz vor dem Tod stehend, bringt sie Emotionen und Haltung mit, die man nicht in jedem Menschen ohne weiteres findet und die der Tonalität einen melancholischen Anstrich verpassen. Das Beschützen ihrer Katze Frodo wird ebenfalls zu einem zentralen Thema, denn gerade Tiere werden in Ausnahmesituationen viel zu oft vergessen, weil der Blick völlig auf uns Menschen gerichtet ist. Nebenbei bemerkt entwickelt Frodo sich zu einem echten Szenendieb, wobei man die Logikbrille nicht allzu häufig aufsetzen darf. Samira ist ein toller Charakter! Nicht nur, dass Nyong’o sie fantastisch darstellt und ihr eine wahnsinnige Präsenz verleiht. Samira entwickelt mit ihren letzten Träumen eine eigene Überlebensstrategie. Gemeinsam mit dem (etwas farblosen) Eric entsteht somit eine ganz neue Vision innerhalb der schweren Katastrophe. Die Chemie zwischen Lupita Nyong’o und Joseph Quinn ist erstaunlich. Aber nicht die Chemie eines füreinander bestimmten Paares, sondern zweier Menschen, die sich auf psychologischer Ebene gegenseitig brauchen. Mit Djimon Hounsou gibt es für Fans eine erfreuliche, wenngleich kurze Brücke zum zweiten Teil.
Geräusche in Relation
In New York herrscht ein durchschnittlicher Lärmpegel von 90 Dezibel, das verkündet der Film zu Anfang. Aber wie hört sich das nach der geräuschsensiblen Invasion an? Eine Frage, der nur bedingt nachgegangen wird. Manchmal ist das Drehbuch geschickt darin, Gegebenheiten und Routinen zur Bedrohung auszubauen. Wenn in einem Gebäude der Strom ausfällt, dann springt der rettende Generator an – mit sehr viel Lärm. Manchmal aber fehlt es an Verhältnismäßigkeit. Wie kann das Öffnen einer einfachen Dose die Aliens anziehen, nicht aber die Geräusche, welche sie selbst verursachen? Ähnliche Fragestellungen kamen bereits bei den ersten beiden Teilen auf, werden hier in ihrer Dimension jedoch auf die Spitze getrieben. Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass die Figuren zum Teil abstruse Entscheidungen treffen und sich damit selbst in gefährliche Situationen manövrieren. Diese Art der erzählerischen Überkonstruktion verleiht A Quiet Place: Tag Eins einen bitteren Beigeschmack. Da die Action wohldosiert ist und die Charaktermomente deutlich im Vordergrund stehen, ist das an vielen Stellen verzeihbar. Ungeachtet der oftmals sichtbaren Trickeffekte der zerstörten Stadt, ist der Film gut gefilmt, in einigen Momenten, wie dem Besuch der Marionettenshow zu Beginn oder mit Sam und Eric im Jazz-Club, sogar außergewöhnlich gut.
Fazit
Es wäre gemein, A Quiet Place: Tag Eins einfach als Lückenfüller abzutun, der sich außerhalb der Hauptreihe platziert. Auch wenn es sich nicht um den eindrucksvollsten der Filme handelt, führt Tag Eins viele neue Nuancen auf und bewegt sich deutlich tiefer im Drama-Genre. Der Film bringt viele Argumente für sich mit: Dazu gehören ausgezeichnete Darsteller, welche souverän ihre Rollen spielen. Eine sensible Regie mit Gefühl für gute Figurenerzählung. Ein exzellentes Erzähltempo, das sich stets perfekt den Szenen entsprechend anpasst. Und effizient mitreißend inszenierte visuelle Effekte, die nie aufgetragen oder überladen eingesetzt sind, eher zurückhaltend für diese Art Film. Nicht zu vergessen das geniale Sound Design, das sie Serie auszeichnet. Nur die Logikfragen drängen sich immer wieder auf und reißen teilweise auf unangenehme Weise aus der Immersion.
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