Alita: Battle Angel

Manche Filme sind einfach Herzensangelegenheiten und erfordern einen besonders langen Atem. Solange heißt es: in der Entwicklungshölle schmoren und die Geduld der Fans auf die Probe stellen. Dazu gehört auch die Verfilmung des Manga-Titels Battle Angel Alita von Yukito Kishiro (im Original “Gunm”). Bereits Ende der 90er spielte James Cameron (Avatar – Aufbruch nach Pandora) mit der Idee, den japanischen Klassiker auf die Leinwand zu bringen. Zwar tritt er bei der Umsetzung von Alita: Battle Angel nur als Co-Produzent auf, doch der Stoff wurde in die Hände seines Freundes Robert Rodriguez (Sin City) gegeben, der den Regieposten der Cyberpunk-Produktion einnahm. Basierend auf dem Drehbuch von Cameron und Laeta Kalogridis (Shutter Island) wurde der Stoff auf einen zweistündigen Film zurechtgeschnitten. Dass der Teufel bereits in diesem Vorhaben steckt, erklärt sich von selbst.

    

Iron City, eine futuristische Stadt des 26. Jahrhunderts. Dort sind die Überlebenden des “Falls” zusammengerottet. Ein Krieg, der vor hunderten von Jahren stattfand. Über Iron City schwebt eine Stadt namens Zalem, welche Wohlstand verheißt. Auf einer der vielen Müllhalden entdeckt der Wissenschaftler Dr. Ido (Christoph Waltz, Django Unchained) den Torso eines weiblichen Cyborgs. Er nimmt ihn mit, repariert und vervollständigt ihn. Schließlich tauft er ihn auf den Namen Alita. Die zum Leben erweckte Alita (Rosa Salazar, Maze Runner – Die Auserwählten in der Todeszone) hat keine Erinnerung an ihre Herkunft. Es gibt nur einzelne Erinnerungsfetzen, die auf ein hohes Alter und eine gefährliche Vergangenheit hindeuten. Sonst verhält sich Alita wie ein junges Mädchen und verliebt sich eines Tages in den Jungen Hugo (Keean Johnson, Nashville). Dieser arbeitet für den zwielichtigen Vector (Mahershala Ali, Moonlight), der gefährliche Motorball-Kampfspiele organisiert. Noch ist Vector Alita unbekannt, also ahnt sie nicht, dass dieser gemeinsam mit Chiren (Jennifer Connelly, Winter’s Tale) hinter ihr her ist. Doch das soll sich bald ändern…

Keine Zeit zu verlieren und ohne Rücksicht auf Verluste: von allem bitte etwas

Originaltitel Alita: Battle Angel
Jahr 2019
Land USA
Genre Science-Fiction, Action, Dystopie
Regisseur Robert Rodriguez
Cast Alita: Rosa Salazar
Dr. Dyson Ido: Christoph Waltz
Chiren: Jennifer Connelly
Vector: Mahershala Ali
Zapan: Ed Skrein
Grewishka: Jackie Earle Haley
Hugo: Keean Johnson
Tanji: Jorge Lendeborg Jr.
Laufzeit 122 Minuten
FSK

Ghost in the Shell oder Dragon Ball Evolution sind nur zwei Hollywood-Adaptionen östlicher Hits, die auf wenig bis gar keinen Anklang stießen. Ein Risiko ist schließlich immer vorhanden, den Inhalt einer Manga-Reihe mit mehreren Bänden auf die Laufzeit eines Spielfilms zurecht zu stutzen. Alita: Battle Angel ist dabei keine Ausnahme: Je nach Betrachtung ist der Film zu lang oder zu kurz. In 122 Minuten wird die Geschichte von vier Bänden gepresst. Ohne Rücksicht auf Verluste. Bereits die hier schnell abgehandelte Hintergrundgeschichte bietet Stoff für einen eigenständigen Film. So lässt sich anhand eines zwischen Erde und Mars tobenden Krieges nur erahnen, was sich im Hintergrund alles abspielt. Das muss auch erstmal reichen, denn Rodriguez stürzt sich nach Alitas Reparatur direkt auf einen Serienkiller, der es auf Frauen abgesehen hat, führt Kopfgeldjäger ein und widmet sich dann der populären Sportart Motorball. Keiner dieser Aspekte wird dabei ausreichend bedient, sodass wiederkehrend nur durchschimmert, was man hier alles verpasst.

Nicht mehr als das Kratzen an einer schönen Oberfläche

Diese Umstände sowie die Einführung weiterer Figuren lenken erfolgreich davon ab, dass die Figuren kaum vom Fleck kommen. Mit Hugo weiß das Skript nahezu gar nichts anzufangen. Er bringt hier und da ein paar Ereignisse ins Rollen, doch wer ist Hugo eigentlich? Was ist seine Geschichte? Diese Fragen lassen sich auf jeden außer Alita übertragen. Diese trägt ihr Herz am rechten Fleck, wird jedoch auch nur deshalb menschlich, da man es versäumt hat, allen anderen Figuren eine Seele zu verpassen. Die Coming of Age-Aspekte bleiben dabei völlig auf der Strecke. Deswegen wirkt es wie das Einlösen eines Versprechens, dass es zum Kuss zwischen Alita und Hugo kommt, doch wie Alitas Gefühle für den Jungen aufgebaut werden, wird schon mit dem ersten Aufeinandertreffen erzählt.  Noch schlimmer ist allerdings, dass der Film seine eigene Prämisse geradezu sträflich vernachlässigt: Die Suche nach Identität. Irgendwann ist einfach Schluss damit. Immerhin ist Alita nun anderen Umständen ausgesetzt und diese gilt es zu lösen. Zwischen den Zeilen findet darüber hinaus nichts statt.

Visueller Bombast mit gigantischen 3D-Effekten

Erwartungsgemäß sind die Effekte herausragend. Neben dem erstklassigen Motion- & Performance Capture sind es die größtenteils nachgebauten Kulissen, welche überzeugen können. Die im Vorfeld vielfach diskutierte Designentscheidung, Alitas Augen zu vergrößern um dem Manga-Look Tribut zu zollen, erweist sich als weit weniger schlimm als von vielen befürchtet. Auf den ersten Blick mag das auffallen, doch innerhalb der Handlung nimmt man diese Auffälligkeit schnell als gegeben hin. Im Besonderen in den Actionszenen macht sich die Optik ausbezahlt. Anders als in vergleichbaren Filmen entsteht die wahre Action hier durch Choreografien und nicht durch hektische Schnitte und wackelige Kameraführung.

Das Drehbuch wird den Darstellern nicht gerecht

Rosa Salazar liefert eine solide Performance ab. Die Anforderungen an sie umfassen die gesamte schauspielerische Palette. Blass bleiben die Figuren von Christoph Waltz und Keean Johnson, da diese kein eigenständiges Profil bekommen, sondern nur in der Interaktion mit Alita funktionieren. Was im Falle Waltz auch hinzukommt, ist sein österreichischer Akzent, welcher in dem futuristischen Szenario besonders auffällt. Zwar wird am Rande erwähnt, dass in Iron City Menschen aller Kontinente zusammenkommen, doch als einzige Figur sticht sein Dr. Ido negativ hervor. Jennifer Conellys Figur lässt immerhin durchsickern, dass zumindest ein innerer Konflikt tobt, von dem man als Zuschauer nicht viel mitbekommt. Oscarpreisträger Mahershala Ali bleibt ebenfalls eindimensional. Große Namen also für das Marketing des Films, doch viel hat man von ihnen hier nicht. Trotz der Altersfreigabe ab 12 Jahren geht es mitunter recht brutal zu. Das bedeutet nicht, dass Blut fließt, aber abgetrennte (Cyber-)Körperteile sind nicht minder beeindruckend für ein junges Publikum.

Fazit

Robert Rodriguez ist ein opulenter Blockbuster gelungen, der visuell überragend ausfällt. Inhaltlich ist Alita: Battle Angel jedoch nahezu blutleer. Eine Entwicklung der Figuren gibt es nicht und jede von ihnen macht genau das, worauf man seine Erwartungen im ersten Eindruck auch bauen würde. Das wäre noch verzeihlich, wenn wenigstens die Handlung überzeugen würde. Doch ihrer Komplexität beraubt bleibt davon schließlich nur noch ein Gerüst aus Linearität und Klischees. Ein Kompromiss folgt dem nächsten, sodass die Story sich dem Zuschauer derart anbiedert, dass es kaum noch erträglich ist. Es bleibt ein durchschnittlicher Film mit einem mageren Plot, der sich jedoch bestens dafür eignet, eine Weiterentwicklung der 3D-Technologie seit Avatar – Aufbruch nach Pandora zu demonstrieren.

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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Sebastian Jokisch
Sebastian Jokisch
17. Februar 2019 22:21

Mit dem Blog ist eigentlich alles gesagt außer, SCHADE. Was die Kritiker auf Youtube und anderen Seiten vorgepredigt haben ist auch eingetroffen. Motorball soll zum Schluss eingefügt worden sein, weil die Fans das verlangten? Fast der ganze Film trägt die Prämisse des dazwischengeschnittenen Motorballs in sich. Würde man die Motorball weglassen, so würde der Film noch magerer aussehen, was aber bei den ganzen wilden Schnitten kaum mehr auffallen würde. Ich bin gespannt, wie das Material aussieht, dass für den Motorball weggeschnitten wurde. Ich könnte wetten, jenes hätte den Film wenigstens einen kleinen roten Faden gegeben. So bleibt der Film eine Aneinanderreihung von zusammenhangslosen (zumindest so erzählten) Schauplätzen.

Man hat dem Film deutlich angemerkt, dass er sich mit seinen Details, vor allem den Namen, fast schon zwanghaft von der originalen Geschichte abgrenzen wollte. Iron City klingt eher wie ein utopischer Name für einen Stadtstaat im anhaltendem Kriegszustand. Schrottstadt, wie im Original, wäre auch eine zu dreckige und dunkle Bezeichnung für die aufgeräumte und saubere Stadt des Menschlichen Abfalls des Films.

Auch wenn gegenteiliges behauptet wird, die Kampfszenen sind äußerst schwach ausgefallen. Sie sind nicht nur zu kurz und zu einfältig, die Mimik und Gestik der Kämpfer sind grottenschlecht. Das mag dem Grafikinterface geschuldet sein, dem man sehr deutlich anmerkt, wie wenig Zeit dafür aufgewendet wurde. Ich erinnere an Final Fantasy: The Spirits Within (2001). Selbst Avatar hatte eine bessere Umsetzung der Mimik.

Neben den starken technischen Mängeln und eher mittelmäßiger Schauspielkunst (was man zumindest Rosa Salazar nicht vollends ankreiden darf, da ein Computer zum großen Teil ihre Schauspielkunst umsetzen musste) ist das wirklich schlechte Drehbuch. Cameron gehört dafür ins Gefängnis gesteckt, mit einer kompletten Ausgabe der Originalgeschicht und Papier und Bleistift und nicht solange entlassen, bis er eine wirklich dystopische Cyberpunk-Geschichte abgekupfert hat. Denn leider hat er die Rechte am Original und wohl zuwenig Mut, die Geschichte nach eigenem Gutfinden zu erzählen.

Man merkt dem Film sehr stark an, dass niemand mit dem anderen zufrieden war und gut zusammengearbeitet hat. Weder Cameron mit dem Drehbuch oder Rodriguez oder der Kameraführung und erst recht niemand mit der eigentlichen Geschichte, mit der unendlich wirkenden Tragik der Vorlage, die die tiefen Abgründe der Psyche und den schier unerschöpflichen Prakmatismus der Menschen veranschaulichen will. Nein, der Realfilm hat nicht diesen Anspruch und versucht lediglich, soviel Wiedererkennungswerte (die Panzerkünstlerin Gerda) wie möglich in den wenigen Minuten zu quetschen und zu drängen, dass es absurd wird. Das Böse verliert seine Geschichte, seine Herkunft, sein Gesicht und die scheinbar gute Alita ihre Vorlieben und Abneigungen, einfach gesagt, ihren Charakter.

Gerda vs. Nova, ich kann es immer noch nicht fassen…