Aniara
Das Science-Fiction-Genre beschäftigt sich seit jeher mit existenziellen Themen. Viele Texte des Genres drehen sich um die menschliche Existenz. Dazu gehört auch das 1974 erschienene Versepos des schwedischen Schriftstellers Harry Martinson, Grundlage des Films Aniara. Die Low Budget-Produktion von Pella Kagerman und Hugo Lilja hat Großes im Visier: Es geht wieder einmal um die Menschheit, die in einem mächtigen Raumschiff (der Aniara) zum Mars übergesiedelt werden soll. Was sich nach Aufbruchsstimmung anhört, endet in Verzweiflung, denn das Schiff mit seinen tausenden Passagieren kommt vom Kurs ab und driftet verloren durchs All. Raum für existenzielle Fragen, die in Deutschland seit dem 13. Februar 2020 auf Blu-ray und DVD aufgeworfen werden.
Die Erde ist zerstört und einige auserwählte Menschen treten die Reise zu ihrem neuen Heimatplaneten, dem Mars, an. Das gigantische Raumschiff “Aniara” gleicht eher einem Luxuskreuzer und geht auf die Bedürfnisse einer konsumorientierten Spezies ein: Restaurants, Vergnügungscenter, Shoppingmeilen. Für die Passagiere fühlt sich das Leben auf der Aniara an wie auf der Erde. Doch nach einer Kollision mit Weltraumschrott entgleitet die Aniara ihrem Kurs und aus den ursprünglich geplanten drei Wochen Transit werden Jahre. Auch wenn der Captain und seine Crew für Deeskalation sorgen, schlägt die Stimmung von Hoffnung in Angst um. Eine junge Frau (Emelie Garbers) betreut das Virtual Reality-Projekt “Mima”, welches seine Teilnehmer in einen Schlaf versetzt und ihnen schöne Träume von der Erde beschert. Sie beobachtet eine Veränderung bei den Besuchern …
Konsum und Trostlosigkeit
Originaltitel | Aniara |
Jahr | 2018 |
Land | Schweden |
Genre | Science-Fiction |
Regie | Hugo Lilja, Pella Kagerman |
Cast | Protagonistin: Emelie Garbers Chefone: Arvin Kananian Iaagel: Bianca Cruzeiro Chef-Ingenieur: Peter Carlberg |
Laufzeit | 106 Minuten |
FSK | |
Seit dem 13. Februar 2020 im Handel erhältlich |
Die ruhige Erzählweise von Aniara lässt den Film schnell in Gefahr laufen, von Zuschauern als langweilig und emotionsarm wahrgenommen zu werden. Weder sind die Figuren sonderlich zugänglich, noch setzt das Drehbuch auf Einzelschicksale. Das große Drama betrifft das Schiff mit all seinen Passagieren und genau darum geht es. Selbst die Protagonistin ist namenslos, denn das ist nicht ihre Geschichte. Sie begleitet lediglich das Schicksal der Passagiere, indem sie ihnen schöne Träume beschert. Sie begleitet uns beim Durchleben von Hoffnungen und Ängsten. Als eine der wenigen stellt sie sich auch kritischen Fragen und erkennt früh die Lage. Über sie selbst ist wenig zu erfahren, außer, dass sie sich zu einer anderen Frau auf der Aniara hingezogen fühlt. Da die Geschichte mehrere Sprünge vorsieht (erst ein paar Tage, dann ein paar Wochen, Monate, Jahre), bleibt nur sie als Orientierungspunkt. Im Gegensatz zu vielen anderen Passagieren kommen bei ihr nur bedingt menschlichen Abgründe wie Gier, Missgunst oder Triebe zum Vorschein.
Ein fliegender Sarg
Aniara lebt von seinen Bildern, welche die Zukunft der Menschheit reflektieren. Die Quintessenz des Films liegt im Konsumverhalten der Menschheit, in welchem es nur darum geht, hedonistische Bedürfnisse zu befriedigen. Wie lange kann das gutgehen? Kaum einer denkt an die Erde zurück, wenn ein Programm wie Mima simuliert, wie es war, einst dort zu leben. Der äußere Zustand des Schiffs spiegelt dabei den inneren Zustand wieder: Je schlechter es um die Passagiere steht, desto stärker häufen sich Müll, Flecken und Chaos. Der Verfall schleicht voran, unaufhaltsam. Wie das zu beurteilen ist, bleibt dem Zuschauer allerdings selbst überlassen. Denn der Film erhebt weder den Zeigefinger, noch nimmt er seine Zuschauer an die Hand, um ihnen zu sagen, wie es (nicht) sein soll. Diese pessimistische Grundstimmung sowie das ziellose Umherirren des Schiffs zählen zu den großen Stärken des Films. So spannend die Idee um das Luxus-Raumschiff auch ist, so unspektakulär ist Aniara in Szene gesetzt. Die Erzählweise kann der Größe des Gedankens dahinter nicht gerecht werden und zwischen den vielen Zeitsprüngen tritt irgendwann auch Leerlauf ein. Das mag zwar zu der weitgehenden Stimmung der Passagiere passen, für ein Erzählmedium kann diese inhaltliche Entscheidung auch nach hinten losgehen. Das letzte Drittel sackt ohne Struktur ab, und damit auch die Spannungskurve, sodass das Ende längst nicht mit dem großen Paukenschlag anrückt, der eigentlich zu erwarten ist.
Fazit
Für Science-Fiction-Fans ist es eine spannende Zeit: Filme wie Arrival, High Life oder Prospect widmen sich den tiefschürfenden menschlichen Fragen und verzichten auf turbulentes Actiongetöse. Dort reiht sich auch auch Aniara als Parabel auf die menschliche Natur ein. Kein Wohlfühlfilm, sondern ein nachdenklich stimmender Blick auf ein Übermorgen, in dem die Menschen vollkommen in ihren Konsumfantasien verloren sind und jeglichen Blick auf die Umstände verlieren. Der geringe Budget-Einsatz ist angesichts der großen philosophischen Fragen verschmerzbar, während die narrativen Schwächen im letzten Drittel nicht mehr auszubügeln sind. Zu haltlos, zu schwebend und zu wirr fallen die letzten Minuten aus. Das geht alles mit dem Zustand der Aniara einher, verliert erzählerisch jedoch an Substanz.