Ant-Man and the Wasp: Quantumania

Das Marvel Cinematic Universe hat in der allgemeinen und öffentlichen Wahrnehmung (wenn man denn soziale Medien als Sprachrohr heranziehen möchte) mit Phase 4 eine gewisse Übersättigung, von der Presse “Marvel Fatigue” genannt, erlangt. Ein schwammiges übergeordnetes Konzept der vierten Phase, der fehlende rote Faden und viel Diversität führten dazu, dass nicht mehr jedes Projekt jede:n überzeugen konnte, und selbst die Solo-Filme von Lieblingen wie Thor oder Doctor Strange abgestraft wurden. Ant-Man and the Wasp: Quantumania wird eine wichtige Aufgabe zuteil: Nicht nur eröffnet der Film die fünfte Phase (und damit den zweiten Teil der großangelegten Multiverse-Saga). Auch gilt es, verlorengegangene Fans wieder einzusammeln. Mit dem in Loki eingeführten Kang (bzw. einem Varianten dessen) betrifft nämlich “der neue Thanos” die große Bühne. Als der Film am 16. Februar 2023 in die Kinos kam, war bereits klar, dass dessen Schreckensherrschaft bis mindestens in Phase 6 anhalten wird, denn in Avengers: The Kang Dynasty (2025) ist er Titelfigur.

Scotts (Paul Rudd, Immer Ärger mit 40) Leben läuft wieder in geregelten Bahnen. Er erfreut sich seiner Beliebtheit als Avenger und konnte seine Autobiografie “Look Out For The Little Guy” verfassen. Tochter Cassie (Kathryn Newton, Freaky) hat sich offenbar in Sachen Begeisterung für komplexe Technologie von Hank Pym (Michael Douglas, Basic Instinct) anstecken lassen und einen Apparat entwickelt, der es ermöglicht, Kontakt zur Quantenebene herzustellen. Wenig begeistert davon ist Janet (Michelle Pfeiffer, Dangerous Minds), die sich seit ihrer Rückkehr von jener Quantenebene weigert, über ihre Zeit dort zu sprechen. Durch einen doofen Zufall werden alle vier sowie Hope van Dyne (Evangeline Lilly, Lost) durch den Apparat in die Quantenebene gesogen und in zwei Gruppen getrennt. Dort existieren ganze Vegetationen und Zivilisationen. Diese leben in Angst vor Kang dem Eroberer (Jonathan Majors, Lovecraft Country), der zusammen mit seiner Armee unbesiegbar scheint. Vor ihm wollte Janet die anderen warnen und muss nun alles daran setzen, Kang aufzuhalten. Es hängt nicht nur die Zukunft der Quantumebene davon ab …

Marvel auf Star Wars-Pfaden

Originaltitel Ant-Man and the Wasp: Quantumania
Jahr 2023
Land USA
Genre Action, Fantasy, Science-Fiction
Regie Peyton Reed
Cast Scott Lang / Ant-Man: Paul Rudd
Hope van Dyne / Wasp: Evangeline Lilly
Kang: Jonathan Majors
Dr. Henry „Hank“ Pym: Michael Douglas
Janet van Dyne: Michelle Pfeiffer
Cassie Lang: Kathryn Newton
Laufzeit 125 Minuten
FSK
Veröffentlichung: 17. Mai 2023 auf Disney+

Ant-Man und Ant-Man and the Wasp lassen sich beide tonal zwischen Actionkomödie und Familienfilm verorten. Beide Filme folgten bei ihrer Veröffentlichung jeweils einem Avengers-Film und sollten wieder für mehr Spaß und Leichtfüßigkeit nach der vorangestellten Dramatik sorgen. Von diesem Image trennt sich Quantumania schließlich: Anders als seine (indirekten inhaltlichen) Vorgänger ist der Film nämlich als tiefstes Sci-Fi-Fantasy-Vehikel einzuordnen und bringt diesmal auch Ereignisse von Bedeutung in Bewegung. Bereits visuell nimmt das Key Visual vorweg, dass es deutlich düsterer und fantasylastiger als zuletzt zugeht. Die zu 90 Prozent vor dem Greenscreen gefilmte Produktion vermittelt zu weiten Teilen eher den Eindruck, Teil des Star Wars-Franchise zu sein. Fremde Welten, exotische Wesen und gigantische Pantoffeltierchen – viel ist nicht von den kleinen irdischen und bodenständigen Auftritten gelieben. Die Quantenebene selbst vermittelt weniger das Bild eines eigenen Ökosystems, sondern legt ihren Fokus auf Schauwerte. Ebenfalls an Star Wars erinnert der Kampf einer Rebellenfraktion gegen den gewalttätigen, mächtigen Imperator mit seinen austauschbaren Schergen.

… and the Wasp

Die Einführung der erwachsenen Cassie Lang bringt ein weiteres potentielles Young Avengers-Mitglied hervor. Wie schon in anderen Beiträgen von Phase 4 wird die nächste Generation vorbereitet. Zwar kennen wir Cassie bereits als Kind aus den ersten beiden Filmen, aber als eigenständige Heldin kann sie hier kaum einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das liegt zum einen daran, dass (wieder einmal) eine erneute Hochbegabung eines Teenagers ermüdend wirkt und das beiläufige Einführen einer neuen Generation mittlerweile zum gefühlten Standard geworden ist. Da konnten Yelena Belova oder Kate Bishop größere Fußstapfen hinterlassen. Cassie ist eher Randnotiz als Aushängeschild. Dann ist da noch Janet, die wir nie als Wasp erleben durften, welche aber in diesem Film die größte weibliche Rolle spielt. Das größte Rätsel der Handlung geht von Janets “Ich sag’s euch später”-Verschwiegenheit aus. Zunächst einmal ist es erfreulich, dass Michelle Pfeiffer endlich ein wenig mehr zu tun bekommt, und wann immer Janet im Bild ist, vermittelt sie Reife und Gelassenheit. Abschütteln lässt sich der Beigeschmack allerdings nicht, dass die Tatsache, dass sie über ihre Zeit in der Quantenebene nicht sprechen möchte, nur dazu dient, das Mysterium um Kang zu stärken. Was ist eigentlich mit Hope? Deren Rolle fällt derart überschaubar aus, dass sie selbst neben Hank und Cassie völlig untergeht und nur im Finale nochmal auf sich aufmerksam macht. Auch hapert es an interessanten Nebenfiguren, was von zwei vorab gespoilerten Cameo-Auftritten nicht kompensiert werden kann. Natürlich ist es für Comic-Fans toll, wenn eine Figur, die so sehr aus der Zeit gefallen scheint, dass sie heute nicht mehr (unter normalen Umständen) ins MCU passen würde, ihren Auftritt bekommt. Einen inhaltlichen Mehrwert hat das nicht und somit sind wir wieder an einem (Kritik-)Punkt angelangt, den schon Doctor Strange in the Multiverse of Madness zur Genüge bediente.

Kang: Dauerpräsenz mit Wiederkehrgarantie

Was bei der Patchwork-Familie Lang-van-Dyne-Pym zu kurz kommt, geschieht auf der anderen Seite: Kang ist die größte Stärke des Films und Jonathan Majors gilt völlig zu Recht als eine der größten Hollywood-Entdeckungen der letzten Jahre. Seine Präsenz entschädigt die fehlende Komplexität, die Kang mitbringt. Arroganz und Selbstgefälligkeit stehen ihm ins Gesicht geschrieben, aber die große Agenda bleibt vorerst aus. So richtig spannend wird es dahingehend nämlich erst in der Post- sowie After-Credit-Szene. Erfrischend ist, dass Kang nicht einfach der nächstgrößte Bösewicht ist, sondern schnell eine eigene Duftnote hinterlässt. Denn Kang hat etwas auf seiner Seite, was zuvor die Infinity-Steine nur begrenzt kontrollieren konnten: Zeit.

Fokus auf Phase 5 anstelle offener Baustellen

Als Eröffnungsfilm der fünften Phase bekommt Quantumania einen besonderen Stellenwert. Diese Filme besitzen einen wichtigen Marketing-Effekt, haben aber auch die Aufgabe, vorzubereiten und zu verknüpfen. Diese Ehre wurde dem Kassenmagneten Iron Man dreimal zuteil (mit zwei Solofilmen sowie Captain America: Civil War) sowie WandaVision mit der schier unlösbaren Aufgabe, Aufräumarbeiten nach dem Blip zu betreiben. Offene Erzählstränge existieren zum Zeitpunkt von Phase 5 noch zur Genüge. Quantumania führt keinen davon fort (sieht man einmal von Janets Geschichte ab), eröffnet gleichzeitig aber weitere für die Zukunft. Das fühlt sich im Kontext zu Phase 4 ziemlich unbefriedigend an, weil nahezu alles bis auf Loki konsequent ignoriert wird. Auch für sich stehend bleibt das Narrativ wenig ausgereift, denn es geht spürbar nicht darum, eine überzeugende Geschichte zu erzählen, sondern alles für Phase 5 in Stellung zu bringen. Eine sichere Bank ist bei Marvel typischerweise der Endkampf und in dieser Hinsicht überzeugt Quantumania dann auch. Die sonstigen Action-Einlagen betreffen häufig Figuren, die bislang nicht bekannt sind und bei denen auch unklar ist, ob man sie jemals wiedersehen wird. Sonst aber wird es nie wirklich gefährlich, spannend oder halsbrecherisch. Und leider auch visuell nie so qualitativ hochwertig wie im Vorfilm Wakanda Forever. An der eintönigen Quantenebene schaut man sich schnell satt.

Fazit

Ant-Man and the Wasp: Quantumania dient allenfalls als Prolog für Kang. Wenn wir etwas aus der Infinity Saga mitgenommen haben, dann die Wichtigkeit der Nachvollziehbarkeit der Motive des Antagonisten. Weder als eigenständiger Film noch als Teil des Franchise gibt der Film eine sonderlich gute Figur ab und es stellt sich die berechtigte Frage, ob Ant-Man und Wasp nicht lieber kleinere Brötchen backen sollten. Vor allem Wasp gibt in diesem Film maximal schmückendes Beiwerk ab und ihre Rolle derart klein, dass sie es kaum rechtfertigt, mit im Titel zu stehen (oder man überträgt den Namen mit ein wenig Fantasie auf Janet). Dank Jonathan Majors’ Leinwandpräsenz und der Bedeutung seiner Figur für den Langzeitplan besitzt der Film dann noch einen erzählerischen Mehrwert, während Spannung und Dramatik fast auf Ameisengröße gehalten sind. Natürlich kann man sich von dem Ergebnis gut unterhalten fühlen. Innerhalb eines Franchise drängen sich Vergleiche jedoch auf und da steht Quantumania als einer der bislang schwächsten Einträge da.

© Disney


Veröffentlichung: 8. Juni 2023

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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