Aztech
Sie sind unter uns. Oder über uns. Oder wie auch immer. In der Anthologie Aztech geht es (einmal mehr) um die menschliche Begegnung mit außerirdischem Lebe(wese)n. Die insgesamt neun Kurzfilme, die hier zu einem großen Ganzen vereint werden, wurden klassischerweise von unterschiedlichen Regiseur:innen gedreht. Die Produktion aus Mexiko bietet dabei eine breite Palette an Ideen und Heransgesehensweisen. Aztech hatte seine Deutschland-Premiere auf dem Obscura Filmfest 2024.
Uralte aztekische Prophezeihungen erfüllen sich: Gesteinsbrocken fallen auf die Erde und die Splitter eines Meteoriten verteilen sich über quer über Mexiko und leiten das Ende unserer Zeit ein. Oder auch nicht?
In neun unterschiedlichen Kurzgeschichten erfahren wir von den Konsequenzen, denn seltsame Dinge nehmen ihren Lauf …
Die einzelnen Kurzfilme:
- El Camino (Fernando Campos, Jaime Jasso)
- Los Solitarios (Rodrigo Ordóñez)
- Ulises (Jorge Malpica)
- Dulce Muerte (Gigi Saul Guerrero)
- Coleccionistas (Leopoldo Laborde)
- Umbral (Francisco Laresgoiti)
- Cárcel de dioses (Ulises Gúzman)
- ATL (J. Xavier Velasco)
- El Sexto Sol (Alejandro Molina)
Mexiko als Zentrum des Weltuntergangs
Originaltitel | Aztech |
Jahr | Mexiko |
Land | 2020 |
Genre | Science-Fiction, Komödie |
Regie | Diverse (siehe Text) |
Cast | Diverse |
Laufzeit | 100 Minuten |
FSK | Keine Angabe |
Titel im Programm des Obscura Filmfest 2024 |
Ursprünglich sagten uns die Mayas für 2012 den Weltuntergang voraus. Dass dem nicht so kam, ist allgemein bekannt. Dennoch entstand damals in Mexiko eine ganz besondere Form der Attraktion: Weltuntergangstourismus. In Scharen zog es Menschen von außerhalb ins Land, die das Ende der Welt für den 21. Dezember 2012 erwarteten. Das hat natürlich Spuren hinterlassen. Aztech will sich nicht am Maya-Kalender orientieren, greift aber die lose die Idee auf, dass der Weltuntergang in Mexiko seinen Lauf nehmen wird. Der Kometensplitterschauer dient dabei nicht nur als auslösendes, sondern gleichzeitig verbindendes Element. Die einzelnen Geschichten stehen ansonsten in keinem direkten Zusammenhang, sondern für sich allein.
Ein Exot im eigenen Land
Aztech ist für das lateinamerikanische Kino ungewöhnlich, denn auf der einen Seite haben wir den Genre-Film (Hand aufs Herz: Wie viele Science-Fiction-Titel aus Latein-/Südamerika kennt ihr?), zum anderen aber einen soziokulturellen Kontext des zeitgenössischen Mexikos. Bei den Ariel Awards, dem bedeutendsten mexikanischen Filmpreis, gab es die Auszeichnung für die besten Effekte. Das lässt sich natürlich keineswegs mit den Visual Effects aus Hollywood vergleichen. Mexiko backt da kleine Brötchen. Wie sieht es inhaltlich aus? Wie das immer so bei Kurzfilmen (und insbesondere Anthologien) ist, ist vor allem der Rahmen es, der alles verpacken soll. Der fällt hier sehr dünn aus: Die Meteoritensplitter alleine sind kein guter Kleister, um die Filme zusammenzuhalten. Es findet keine Rahmenhandlung statt, was zur Folge hat, dass wir neun aufeinander stattfindende Kurzfilme bekommen, die einfach nur alle denselben Auslöser haben. Mittels Voice Over soll der Eindruck erweckt werden, dass jemand das Ganze aus Vogelperspektive betrachtet, was aber nicht ins Gewicht fällt. Fairerweise muss auch gesagt werden, dass nicht alle Filme ein Original (sprich: eigens für Aztech gedreht) sind. Etwa Ulises wurde bereits 2018 gedreht und auch schon mit Preisen ausgezeichnet. Die Art und Weise, wie nun mit den außerirdischen Kräften umgegangen wird, ist Geschmackssache: Die meisten der Filme hätten auch mit einem anderen Auslöser gedreht werden können und wirken daher etwas beliebig.
Buntes Allerlei um das Ende unseres Zeitalters
Die Anthologie eröffnet El Camino von Fernando Campos und Jaime Jasso. Das funktioniert hervorragend als Animations- und Postproduktions-Demorolle, bietet aber erzählerisch wenig. Positiv zeichnet sich Jorge Malpicas Ulises ab, das die Geschichte eines Fischers und einer Meerjungfrau erzählt und mit seiner Kameraführung überzeugt. Ansonsten bleibt auch noch die farbintensive Eisschlacht Dulce Muerte von Gigi Saul Guerrero mit ihren tödlichen Süßigkeiten in Erinnerung. Der Rest der Kurzfilme vermischt fantastische Elemente: von Auferstehung, von Freunden ohne physischen Körper, von madmaxesken Versionen der mexikanischen Peripherie oder von einer Gruppe junger Leute, die den Meteoriten dank eines Überwachungsnetzwerks jagen. Viel von allem, das die Laufzeit füllt und für Abwechslung sorgt, aber wenig, das auch haften bleibt.
Fazit
Wie bei allen Anthologien auf dieser Welt regelt am Ende ein Mischverhältnis aus persönlicher Geschmacksfrage, der Gesamtkomposition mit Handlungsrahmen (auch bekannt als der rote Faden) und der Qualität der einzelnen Filme, ob das Produkt aufgeht oder nicht. Aztech funktioniert dahingehend unterdurchschnittlich gut bis gar nicht. Wir haben es hier mit ein paar zusammengeschnürten Kurzfilmen zu tun, die qualitativ eine große Schere bilden. Sicherlich steckt in den einzelnen Filmen viel Schweiß, Herzblut und Arbeit, aber für wen empfiehlt sich das nun? Es sei denn man möchte sich ganz gezielt mit obskuren Kurzfilmen, die den Weltuntergang in Mexiko zum Gegenstand haben, auseinandersetzen. Als abendfüllender Spielfilm bleibt der Spaß ohne genug Alkohol auf der Strecke. Auch wenn man ein Herz für Trash besitzt, fehlt es an richtigen Pointen, zündenden Gags oder gar zum Nachdenken anregenden Visionen.