Barbarians
Was haben wir aus Filmen und Serien gelernt, in denen es darum geht, dass sich Familie, Freundes- oder Kollegenkreis zum gemeinsamen Dinner treffen? Natürlich, dass das selten gut (aus)geht, alte Konflikte wortwörtlich auf den Tisch gepackt und Fehden ausgetragen werden, die aus einer bislang nicht all zu offensichtlichen Dysfunktionalität stammen. In seinem Regie-Debüt Barbarians sorgt Charles Dorfman, bislang als Produzent von Filmen wie Rabid aufgetreten, dafür, dass dies nicht das einzige Problem des anwesenden Quartetts bleibt. Die britische Produktion war einer von 17 Filmen im Programm der Fantasy Filmfest Nights 2022 und erhielt in Deutschland lediglich eine digitale Veröffentlichung auf den gängigen Streaming-Portalen (Datum: 15. Juni 2023).
Adam (Iwan Rheon, Game of Thrones) und seine Freundin Evie (Catalina Sandino Moreno, The Quarry) laden ihren Freund Lucas (Tom Cullen, Downton Abbey) und dessen Freundin, die Schauspielerin Chloe (Inès Spiridonov, Allein), ein. Nicht einfach so, sondern mit einer ganz bestimmten Absicht. Was mit kleinen Sticheleien und fiesen Spitzen beginnt, endet in einem handfesten Streit, als nach und nach persönliche Geheimnisse offenbart werden. Als die Spannungen zunehmend ansteigen, stellen die vier fest, dass ein Trio maskierter Eindringlinge versucht, sich Zugang in das Anwesen zu verschaffen. Werden sie ihren Streit beilegen und als Team agieren können?
Toxische Maskulinität
Originaltitel | Barbarians |
Jahr | 2021 |
Land | Großbritannien |
Genre | Horror |
Regie | Charles Dorfman |
Cast | Evie: Catalina Sandino Moreno Lucas: Tom Cullen Chloe: Inès Spiridonov Adam: Iwan Rheon John: Will Kemp |
Laufzeit | 89 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 15. Juni 2023 (digital) |
Barbarians verdient keinen Innovationspreis für seinen Plot. Angespannte Familiensituationen, die von externen Störfaktoren (um es mal ganz neutral auszudrücken) belästigt werden, findet man wie Sand am Meer. Das Horror-Genre ist voll davon: You’re Next, The Strangers, The Invitation und wie sie alle heißen. Dessen scheint sich Charles Dorfman, der sich auch für das Drehbuch verantwortlich zeigt, bewusst zu sein. Er verbringt umso mehr Zeit damit, seine Figuren in aller Ruhe genüsslich vorzustellen, individuelle Schmerzpunkte auszuloten und an allen sich anbietenden Stellen kleine Feuer zu legen. Insbesondere Adam und Lucas sind dafür anfällig. Denn zwischen den beiden Männern bricht etwas aus, dass man nur all zu häufig beobachtet, wenn es um Geld und Frauen geht: furchtbares Imponiergehabe. Ein Diskurs, was einen Mann stark und erfolgreich macht. Tom Cullen und Iwan Rheon sind gleichzeitig auch die beiden Glanzlichter des Films, denn sie spielen ihre Alphamännchen auf Augenhöhe und liefern sich ein schmerzhaftes verbales Duell mit unterschwelligen Botschaften unterhalb der Gürtellinie. Zudem haben auch ihre Freundinnen wenig gemeinsam und würden sich am liebsten die Augen auskratzen. Der Auftakt ist der Part des Films, der am meisten Spaß macht, denn wenn die Gemeinheiten und zynischen Kommentare nach und nach ausgepackt werden, kann man sich bestens zurücklehnen, um sich bei Dosenbier auf Kosten aller Beteiligten zu amüsieren.
Eskalation in die falsche Richtung
Nach einem (mit 50 Minuten viel zu lang geratenen) ausgedehnten Auftakt wendet sich das Blatt. Bis dahin durfte man nur hoffen und spekulieren, welchen Weg Barbarians wohl einschlagen mag und was es mit all den Metaphern, die sich in aller Regel um Füchse drehen, auf sich haben mag. Interpretationsspielraum ist dabei herzlich willkommen. Doch welcher Marschroute auch immer erhofft wird: Der Film liefert nicht die, die man gerne sehen würde. Der letzte Akt, auf dem all die Hoffnung ruht, wie sich Situation nun auflösen mag, enttäuscht mit seiner Beliebigkeit. Denn der Fortlauf erweist sich als relativ generisch und wird nicht dem ausufernden Vorbau gerecht. Was Dorfman da in fast einer Stunde aufbaut, verliert sich im Anschluss daran, wenn der Film auf alle gängigen Mechaniken des Home Invasion-Genres zurückgreift, ohne dabei neue Impulse zu setzen. Das geht soweit, dass man sich die Frage stellen muss, was Dorfman wohl zu diesen kreativen Entscheidungen antrieb, wenn er sich für eine Entwicklung von der Stange entscheidet. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade die Außenszenen nicht immer optimale Beleuchtungsbedingungen bieten.
Fazit
Barbarians ist prima gespielt und macht sich gut darin, Konflikte auf genüssliche Weise auszutragen. Auch als Kommentar auf toxische Maskulinität leistet das Drehbuch je nach Standpunkt zu diesem Thema einen passablen bis wertvollen Beitrag. Was verheißungsvoll beginnt und Lust auf mehr macht, kann in der zweiten Hälfte nur noch enttäuschen. Das liegt nicht nur daran, dass die erste Hälfte stark gespielt ist und Neugierde weckt, sondern ist vor allem damit zu begründen, dass im Anschluss gute Ideen vollständig fehlen. Der Film wäre mit seiner Einteilung in Akte und den Metaphern gerne wesentlich mehr, als er am Ende ist. So läuft alles ins Leere und das Gesamtkonzept funktioniert nicht.
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