Burning
Nur knapp ist das Psycho-Drama Burning an der Goldenen Palme 2018 in Cannes vorbeigeschlittert und musste Shoplifters – Familienbande den Vorzug überlassen. Der südkoreanische Film von Lee Chang-dong (Secret Sunshine) konnte sich daraufhin bei den Oscars 2019 in die Nominierungsvorauswahl der Kategorie „Bester fremdländischer Film“ kämpfen, um auch dort wieder leer auszugehen. Dabei besitzt die geheimnisvolle Dreiecksgeschichte durchaus einen Sog, der den Zuschauer ganz fesseln kann. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Ungleichheit Südkoreas spielend, wird hier schwere Kost aufgetischt. Dabei beruht die Handlung auf einer gerade einmal zehn Seiten starken Kurzgeschichte des beliebten japanischen Autors Haruki Murakami.
Jong-soo (Ah-in Yoo, Veteran) ist ein Mann mit vielen Träumen, aber wenig Perspektive. Er sehnt sich danach, Schriftsteller zu sein, hält sich aber mit Aushilfsjobs über Wasser. Eines Tages bleibt er beim Passieren der Fußgängerzone in seinem Kindheitsdorf bei zwei Promoterinnen hängen. Eine davon entpuppt sich als seine ehemalige Klassenkameradin Hae-mi (Jong-seo Jeon), die Jong-soo direkt anspricht. Beide entschließen, ihr Gespräch fortzuführen und gehen miteinander aus. Schließlich landen beide im Bett und es dauert auch nicht lange, da hat Jong-soo auch schon den Schlüssel zu ihrer Wohnung. Denn während Hae-mi in Afrika ist, sieht er nach der Katze. Diese trifft er seltsamerweise nur nie an. Noch größer ist die Überraschung, als Hae-mi von ihrer Reise ein ganz besonderes Mitbringsel im Gepäck hat: den reichen Ben (Steven Yeun, The Walking Dead). Der scheint auf der sonnigen Seite des Lebens zu stehen, denn alles fällt ihm in den Schoß. Trotz der merkwürdigen Situation verbringen die Drei Zeit miteinander. Die Dinge verändern sich, als Ben von seinem außergewöhnlichen Hobby erzählt …
Slowburner
Originaltitel | Beoning |
Jahr | 2018 |
Land | Südkorea |
Genre | Drama, Mystery |
Regisseur | Lee Chang-Dong |
Cast | Jong-soo: Ah-in Yoo Hae-mi: Jong-seo Jeon Ben: Steven Yeun |
Laufzeit | 148 Minuten |
FSK |
Zehn Seiten Vorlage (Scheunenabbrennen), zweieinhalb Stunden Spielzeit. Dementsprechend kann man sich bereits ausrechnen, dass die Handlung langsam, dafür aber intensiv erzählt wird. Denn die Dreiecksbeziehung bekommt Raum, um sich völlig zu entfalten. Sehr viel Raum. Die Aufmerksamkeitsspanne des Zuschauers wird dabei immer wieder herausgefordert, denn die unaufgeregten Gespräche bieten weder viele Emotionen, noch sind sie visuell aufregend in Szene gesetzt. Dabei ist die Handlung noch nicht einmal sonderlich komplex. Nur bietet sie viel Freiraum zur Interpretation, was Burning wesentlich komplexer erscheinen lässt, als es eigentlich ist. Mit Erzählkunst hat das augenscheinlich wenig zu tun, da sich unter den Dialogen selten Gesprächsstoff befindet, der das Prädikat banal nicht verdient hätte.
Alleine gelassene Generation
Lee Chang-dong besitzt ein präzises Gespür für seine Figuren. Sie bilden dabei eine Gesellschaft ab, die sozial kaum stärker geteilt sein könnte. Jong-soo und Hae-mi stehen für eine junge und um ihre Träume betrogene Generation. Gebildet, mit Zielen und letztlich doch ohne Chancen. Mit dem Unterschied, dass Hae-mi in ihrer Naivität viel unbeschwerter und leichtsinnlicher unterwegs ist. Es ist unklar, ob sie mit Jong-soo schläft, um mal eben einen Katzensitter zu haben, oder ob wirklich Gefühle der Antrieb ihres Handelns sind. Bei Ben weiß man nie so recht, woran man ist. Ist er vertrauenswürdig, wenn er sich nach einem Joint öffnet? Oder steckt Kalkül hinter seinem Geheimnis? Die schillernden Figuren sind mit Sicherheit das Herzstück der Geschichte und werden von talentierten Darstellern verkörpert.
Ist das wirklich real?
Über dem Geschehen hängt von Anfang an eine Wolke des Unwirklichen. Burning besitzt eine traumhafte Atmosphäre, die voller Rätsel ist. Viele Geheimnisse werden auch gar nicht geknackt. Das beginnt bereits mit dem Wiedersehen von Jong-soo und Hae-mi. Er erkennt sie nicht wieder. Sie schiebt eine Schönheits-OP vor, um die verdrängten Erinnerungen rechtfertigen zu können. Doch sind sie überhaupt, wer sie zu sein scheinen? Der aufmerksame Betrachter wird immer wieder einige Dinge entdecken, denen er Bedeutung einrechnet. Viel erklärt wird nicht, was mitunter frustrieren kann, gleichzeitig aber herausfordert. Klar ist für Jong-soo nur: hier stimmt etwas gewaltig nicht. Doch solange stauen sich Wut und Ärger erst einmal auf. Vor allem Ben bleibt zunächst eine nicht greifbare Kraft, die sich ganz unreal anfühlt.
Poesie der Dämmerung
Visuell wird immer wieder die Schere zwischen Südkoreas gesellschaftlicher Struktur gezeigt. Die Enge der Großstadt wechselt mit der offenen Landschaft der Grenzstadt Paju ab, wo auch die Kamera zunehmend fliegen darf. Gegensätze werden dargestellt. Armut und Reichtum, Freiheit und Gefangenheit, Spontaneität und Fokus. Auf einer übergeordneten Ebene wird immer wieder daran erinnert, woher die Charaktere kommen und wohin sie wollen. Die hypnotische Bildsprache geht Hand in Hand mit der musikalischen Bemalung und erzeugt ein Gefühl der Ratlosigkeit. Etwas, in dem sich Zuschauer und die Protagonisten vollkommen gleich sind. Auffällig ist die Darstellung des Himmels: Wenn der rote Himmel mit dem Abendblau der Dämmerung verschwimmt, hat das seinen Grund und ist keineswegs willkürlich.
Fazit
Die zweieinhalb Stunden von Burning fühlen sich nach deutlich mehr an. Das ist der geradezu ausufernden ersten Hälfte geschuldet, die jedem Gespräch viel Zeit zugesteht. Die Schauwerte sind dabei minimal, sodass diese Produktion nur zu schnell an die Geduldsreserven der Zuschauer geht. Wer nicht gewillt ist, sich vollständig auf den Titel einzulassen, steigt gedanklich schnell wieder aus. Unterhaltung bietet diese Produktion beim besten Willen nicht. Nur viel Stoff für alle interpretationsfreudigen Zuschauer, die zudem gewillt sind, die kulturellen Differenzen hinter sich zu lassen.
© Capelight Pictures