Constantine
Als zur Jahrtausendwende und in den Jahren danach mit Blade, Van Helsing, Elektra und Hellboy eine Schar von Action-Titeln die Kinos stürmte, war auch Constantine ganz vorne mit dabei. In deutschen Gefilden zum damaligen Zeitpunkt, 2005, eher unbekannt, gelang es dem Film rund um Keanu Reeves (John Wick), eine Fangemeinde aufzubauen. Und das, obwohl die Vorlage Hellblazer nahezu eine Unbekannte war und der Film ohne Vorschusslorbeeren auskommen musste. Umso beachtlicher fiel der Erfolg der Verfilmung aus, die ein Jahrzehnt später noch eine gleichnamige Serie erhalten sollte. Bis heute zählt Constantine jedenfalls zu jenen Filmen, bei denen vielen Zuschauern gar nicht erst bewusst ist, dass sie auf einer Comic-Vorlage beruhen, da keine Assoziationen zu DC oder Marvel gegeben sind.
Ohne Wissen der Menschheit tobt zwischen Himmel und Hölle ein von Engeln und Dämonen ausgetragener Streit. Der Exorzist John Constantine (Keanu Reeves) weiß um die Existenz beider Mächte. Denn einst befand er sich für wenige Minuten in der Hölle. Doch er konnte fliehen und sucht nach seinen einstigen Verfehlungen nach Absolution. Er kann seitdem Dämonen und Halbblutengel sehen und setzt sich mit dieser Gabe nun für das Gute ein. Die Polizistin Angela (Rachel Weisz, Die Mumie) zieht ihn zu Rate, als deren Schwester augenscheinlich Selbstmord begeht. Angela selbst glaubt als überzeugte Katholikin nicht daran, dass ihre Schwester einen solchen Schritt wagen konnte. Schnell wird klar, dass es hier nicht nur um einen einzelnen Dämon geht, sondern dass das Ende der Welt von langer Hand geplant ist …
Der unbekannte Comic-Held war plötzlich ein anderer
Originaltitel | Constantine |
Jahr | 2005 |
Land | USA |
Genre | Fantasy, Thriller |
Regisseur | Francis Lawrence |
Cast | John Constantine: Keanu Reeves Angela Dodson / Isabel Dodson: Rachel Weisz Midnite: Djimon Hounsou Chas Kramer: Shia LaBeouf Gabriel: Tilda Swinton Lucifer: Peter Stormare Balthasar: Gavin Rossdale |
Laufzeit | 116 Minuten |
FSK |
Das DC-Imprint Vertigo erblickte 1993 das Licht der Welt, um sich eine ältere Zielgruppe zu erschließen. Das geschah mit etwas reiferen Inhalten und vor allem grafischer Gewalt. Darunter entstanden Titel wie Neil Gaimans The Sandman, Garth Ennis‘ Preacher und eben Hellblazer, welcher seine Existenz Alan Moore verdankt. Dieser erfand auch die Figur des John Constantine, der 1985 als Nebenfigur in The Saga of the Swamp Thing startete. Die Beliebtheit der Figur führte zu einer eigenen Reihe aus der Feder von Jamie Delano, er wurde über die Jahre hinweg von vielen kreativen Köpfen fortgeführt. Der Handlungsbogen „Dangerous Habits“ gewann an Klassiker-Status und bildete schließlich das Handlungsgerüst der Film-Adaption, die 2005 erschien. Geboren war also Constantine unter der Regie von Francis Lawrence, der gleichzeitig seinen Debütfilm damit hinlegte. Zuvor hatte Lawrence lediglich bei Musikvideos von Britney Spears und Beyoncé Regie geführt, doch seine Erfolgswelle sollte auch nach Beendigung von Constantine nicht schwinden. Erste Stimmen wurden mit Blick auf den Cast laut: Keanu Reeves ist optisch weit von der Vorlage der Figur entfernt und eigentlich blond statt brünett. Und dann wurde die Handlung auch noch von Großbritannien in die Multikulti-Metropole Los Angeles verlegt. Doch Sorgfalt bei der Transition von Comic auf Film hatte damals ohnehin noch einen völlig anderen Stellenwert als heute, und so war man gezwungen, sich diesen Änderungen auszusetzen oder es eben zu lassen.
Okkult-Action oder actionreicher Okkultismus?
In Constantine wird eine ganz eigene Welt erschaffen, die einem das Gefühl gibt, noch mehr von ihr entdecken zu wollen. Wenn da nicht die filmischen Grenzen wären, deren Einschränkung die eigene Spielzeit ist. Positiv fällt dabei auf, dass der Film auf eine erwachsene Weise mit seinen Zuschauern umgeht. Ohne einen erklärenden Prolog, eine detailierte Beschreibung der Welt oder Voice-over werden wir an die Geschehnisse herangeführt und erarbeiten uns das Gesamtbild selbst. Wer aufmerksam hinschaut, kann natürlich viele Szenen aus anderen Filmen wiedererkennen. Constantine musste sich immer wieder anhören, aus Versatzstücken anderer Filme zu bestehen, und im selben Atemzug wird stets Blade genannt. Man kann den Film aber auch für sich stehend betrachten und alles andere gekonnt ignorieren. Denn John Constantine ist nunmal kein Superheld, sondern ein Exorzist, und das dominante Thema des Films ist die Religion inklusive Himmel-oder-Hölle-Zuteilung nach dem Tod. Das lässt die Geschichte in gänzlich anderen Dimensionen ankommen als in einer bloßen Action-Nummer. Weihwasser, drei Dutzend Kreuze und ein als Taufe inszenierter Übertritt in die Hölle sorgen jedoch auch schnell für eine Überreizung dieses Themas. Aber neben schwarzer Magie überzeugt John Constantine vor allem mit Cleverness, wenn es darum geht, dem Teufel ein Schnippchen zu schlagen.
Durch die CGI-Hölle und zurück
Obwohl die Verfilmung in erster Linie von ihrer Atmosphäre zehrt, wird Constantine schnell auf den eigenen CGI-Overkill reduziert. Dessen visuelle Kraft ist auch heute noch sehenswert. Die künstlich unterstützten Szenen geben sich sozusagen die Klinke in die Hand; kaum eine Szene kommt ohne aus. Besonders in großen Szenen (wie etwa der Darstellung der Hölle) punktet das Spektakel mit seinen Schauwerten, während kleinere Szenen deutliche Engpässe aufweisen. Etwa wenn eine Herde Schafe umfällt, doch keines davon wirklich nach Tier aussieht. Das alles ist aber halb so schlimm, da die wirklich wichtigen Szenen sitzen. Besonders ein rein aus Insekten bestehender Dämon in der ersten Hälfte lehrt jeden mit entsprechendem Ekel das Fürchten. Die Actioneinlagen fallen gar nicht einmal so ausgedehnt aus, wie sie es hätten können. Wenn es zur Sache geht, wird richtig geklotzt. Doch das geschieht immer in Maßen. So fällt der Showdown geradezu unspektakulär und kurz aus, als wolle man gar nicht irgendwelche etablierten Schemen ausfüllen oder gar erzählerischen Tiefgang aufbauen. Dafür überraschen an anderer Stelel einige gut gesetzte Schreckmomente an ungewohnten Stellen.
Prominente Besetzung auf der Erde und darüber hinaus
Beeindruckend fällt der Blick auf das Personal aus: In Constantine sind ausschließlich namhafte Hollywood-Größen vertreten. Allen voran Keanu Reeves, der sich mit der Matrix-Trilogie und Speed einen Namen als Actionheld gemacht hat. Obwohl John Constantine überwiegend von seiner Coolness lebt und kein klassischer Sympathieträger ist, gelingt es Reeves, der Figur die notwendige Tiefe zu geben, um mit ihr mitfiebern zu können. Da das Dämonenjägergeschäft ein hartes ist, besitzt diese Figur geradezu selbstverständlich Laster: John Constantine ist Kettenraucher und Trinker. Rachel Weisz übernimmt die Doppelrolle der beiden Schwestern Angela und Isabel. Sie verhält sich dem Exorzisten gegenüber überwiegend misstrauisch. Hinzu gesellen sich Shia LaBeouf (Disturbia) als Taxifahrer Chas sowie Dijmon Hounsou (Stargate) als Midnite. Tilda Swinton hat ein Abo auf androgyne Charaktere und stellt mit ihrer Performance als Erzengel Gabriel das insgeheime Highlight dar. In weiteren Rollen glänzen Peter Stormare (Minority Report) und Bush-Frontmann Gavin Rossdale.
Fazit
Als Okkult-Actionfilm hat sich Constantine längst in einer eigenen Nische breitgemacht, bleibt aber äußerst speziell und mit seiner Laufzeit von zwei Stunden auch eine Frage des Geschmacks. Denn die zwei Stunden Laufzeit, über die sich das vollgepackte Drehbuch erstreckt, erfordern einen langen Atem. Auch der Plot will nicht voranschreiten, so sehr wie sich Lawrence mit seinen Figuren und deren Welten sowie visuellen Gimmicks befasst. Dabei ist es gelungen, die Übergänge von unserer Welt in die heiße Hölle bildlich darzustellen, aber realistisch genug zu bleiben, um nicht in Fantasy-Gewässer abzudriften, obwohl die Vorlage deutlich näher mit der Realität verortet ist. Aber das ist nur einer von vielen Widersprüchen, die die Produktion in sich vereint. Wann kann ein Film schon aussehen wie einerseits Neo Noir, und gleichzeitig dem Farbtopf entsprungen sein? Und warum werde ich das Gefühl nicht los, dass die Lanze des Longinus sowie die Tatsache, dass ein Mexikaner sie nutzt, heute um ein Vielfaches problematischer wären als damals?
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