Countdown
Eigentlich grenzt es an ein Wunder: In der zweiten Hälfte der 2010er eroberten Smartphones die Welt, veränderten Gewohnheiten, Mediennutzungs- und Kommunikationsverhalten der Menschen. Und trotzdem existieren verhältnismäßig wenige Filme auf dem Markt, die sich um dieses Phänomen drehen. Zugegeben: Das ist gar nicht das ernannte Ziel von Justin Decs Debütwerk Countdown. In dem Horror-Thriller geht es um eine App, die einem das Leben zur Hölle macht und den Sensenmann zu einem von der Anwendung berechneten Zeitpunkt auf den Plan ruft. Weckt sanfte Erinnerungen an den Horrorklassiker The Ring, müht sich aber auch ab, Final Destination Konkurrenz zu machen. Dabei kann man eigentlich nur jeden beglückwünschen, der das Filmende nicht erreicht.
Die Teenagerin Courtney (Anne Winters, Mom and Dad) stirbt einen grausamen Tod, nachdem eine Smartphone-App ihr den sekundengenauen Todeszeitpunkt vorausgesagt hat. Deren verstörter Freund Evan (Dillon Lane, Charlie Says) hat zum selben Zeitpunkt einen Unfall und landet im Krankenhaus. Dort erzählt er der neuen Krankenschwester Quinn (Elizabeth Lail, You – Du wirst mich lieben) von der App, die seine Freundin in den Tod trieb, und seinen Ängsten, nun selbst zu sterben. Kurz darauf begeht er angeblich Selbstmord. Nur Quinn kann daran nicht glauben und installiert daraufhin selbst die App. Überraschung: Auch bis zu ihrem Ableben soll es nicht mehr lange dauern. Die App lässt sich nicht mehr deinstallieren und Visionen suchen sie ab sofort heim …
Nicht noch ein Teeniefilm
Originaltitel | Countdown |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Genre | Horror |
Regie | Justin Dec |
Cast | Quinn Lail: Elizabeth Lail Matt Monroe: Jordan Calloway Dr. Sullivan: Peter Facinelli Courtney: Anne Winters Vater John: P.J. Byrne Evan: Dillon Lane |
Laufzeit | 90 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 5. Juni 2020 |
Das Verhalten von Teenagern, insbesondere in Horrorfilmen, muss niemand mehr hinterfragen. Filme wie Wahrheit oder Pflicht oder Polaroid machen vor, dass Neugier selten gut ist. Insbesondere dann nicht, wenn sie von besoffenen und wenig cleveren Teens ausgelebt wird. So ist es auch wenig verblüffend, dass sich Menschen eine App installieren, um den eigenen Todeszeitpunkt zu erfahren. Das geschieht in The Ring weitaus einfacher: Sieben Tage haben alle Opfer noch zu leben. In Countdown besteht immerhin die Gefahr, dass der Anwender doch noch einige Jahr(zehnt)e länger lebt als es uns recht ist. Während die wirklich dummen Figuren schon frühzeitig entsorgt werden, dem Bodycount sei es Dank, werden mit Quinn und Matt (Jordan Calloway, Riverdale) gleich zwei Hauptfiguren in die Handlung geschrieben, die mit ein wenig mehr Grips gesegnet sind. Obendrein werden sie von zwei Darstellern beliebter Teenieserien verkörpert, was insbesondere für Elizabeth Lail gilt, die dank Netflix innerhalb eines Jahres immense Popularität erlangte.
Entbehrliches Personal trifft auf willkürlichen Tod
Wie das Drehbuch es wenig überraschend so möchte, werden die beiden Protagonisten erst einmal von A nach B geschubst, um dem Rätsel um die tödliche App auf die Schliche zu kommen. Parallel dazu werden unbedeutende Nebenfiguren beseitigt. Wirkliche Schauwerte liefern die Todesszenen allerdings keineswegs und sind weit davon entfernt, so sehr mit der Erwartung zu spielen, wie die Final Destination-Reihe es ihrer Zeit noch vermochte. Wäre da wenigstens ein ikonischer Sensenmann oder sonst etwas, das neben der eigentlichen Idee – der App – für memorable Szenen sorgen würde. Doch selbst der Tod hat viele Formen und Gesichter, sodass die Willkür schnell Überhand nimmt. Lassen muss man dem Makeup Department und den Special Effects, dass immerhin das Creature Design einen kleinen Lichtblick darstellt. Die großen Momente mit brillierenden Entscheidungen oder anhaltendem Nervenkitzel bleiben jedoch aus. Anstelle subtilen Grusels mit Steigerung macht es sich Justin Dec eben leicht und bedient konsequent den einfachsten aller Hebel: Zuschauer durch schnelle Schnitte zusammenzucken lassen. Jump-Scares aus der Konserve ziehen doch immer.
Me? Too!
Ganz besonders primitiv fällt der Versuch aus, auf der Me Too-Welle mitschwimmen zu wollen und einen schmierigen Chef auf Quinn loszulassen, der seine Machtposition für sexuelle Annäherungsversuche inklusive Verleumdung ausnutzt. Natürlich hört niemand Quinn zu und schenkt ihr Glauben, denn sie ist die neue Kollegin, während der Chefarzt ein gestandener Mann ist. Die Art und Weise, wie substanzlos dieser Subplot erzählt wird, lässt wirklich gar kein Klischee aus und findet seinen Tiefpunkt in Quinns Entwicklung, die sich auf einer anderen Ebene als keinen Deut besser erweist. Ein lahmer Versuch, Mitgefühl nebenbei über ein sensibles Thema mitabzugreifen, ohne näher auf die Umstände einzugehen. Solange das Publikum ein Hassobjekt hat, wird jedes Mittel gerechtfertigt.
Fazit
Countdown tarnt sich als innovativer Horror-Titel, ist in Wahrheit allerdings eine Ansammlung aus Versatzstücken, die irgendwo schon einmal erfolgreich funktionierten. Nicht besonders unterhaltsam, mäßig spannend und auch gleichzeitig zu unbedeutend, um als unfreiwillig komisch in die Geschichte einzugehen. Das Schwierige an diesem Film ist nicht etwa, dass er keine Erwartungen erfüllt. Sondern eher, wie leicht er daran scheitert. Eine sehr junge Zielgruppe, die ins Kino geht, um sich von Jump-Scares erschrecken zu lassen, wird ohne Frage auf ihre Kosten kommen. Horrorfans werden allenfalls davon unterhalten, dass viele unsympathische Charaktere auf unterschiedliche Arten dahingerafft werden. Günstig produziert mit dem Potenzial, sich selbst noch ein paar mal zu kopieren. Da bleibt nur zu hoffen, dass dies auch schon der Final Countdown ist.
© Universum Film
Seit dem 5. Juni 2020 im Handel erhältlich: