Dachra
Tunesien ist kein Land, das für seine Filme berühmt ist – schon gar nicht für Horrorfilme. Umso exotischer kommt Dachra von Abdelhamid Bouchnak daher. In seinem Heimatland feierte er mit seinem Debüt Zuschauerrekorde: Lange Schlangen und ausverkaufte Filmvorstellungen für einen Alptraum aus dem eigenen Land. Zumindest die Formel des Films ist dabei nichts Unbekanntes. Ein Wald, drei Studenten und viel schwarze Magie. Da werden Erinnerungen an das Blair Witch Projekt wach. Doch keine Sorge, auf verwackelte Kamerabilder wird verzichtet. Abseits des Fantasy Filmfest 2019 bleibt die komplett selbstfinanzierte Erfolgsproduktion deutschen Zuschauern erst einmal vorenthalten.
Bloß keinen Film über die tunesische Revolution drehen, so die Ansage des Professors an seine Studenten. Im Handumdrehen finden die Journalismusstudenten Yasmine, Bilal und Walid ein neues Thema: Die Legende der Hexe Mongia. Diese soll im Verlies einer Psychiatrie eingekerkert sein und einen echten Alptraum für das Pflegepersonal darstellen. Begeistert von dem Thema macht das Trio den Aufenthaltsort der Frau ausfindig. Nachdem sich die unheimliche Begegnung in Mark und Knochen gebrannt hat, führt eine weitere Recherche zu einer isolierten, mitten im Wald lebenden Gemeinde: Dachra. Dort werden sie von dem Anführer der Sippe überfreudig begrüßt, während die Frauen sie meiden. Kurz darauf ereignen sich seltsame Dinge …
Lokale Mysterien als Impulsgeber
Originaltitel | Dachra |
Jahr | 2018 |
Land | Tunesien |
Genre | Horror |
Regisseur | Abdelhamid Bouchnak |
Cast | Yasmine: Yassmine Dimassi Walid: Aziz Jbali Bilal: Bilel Slatnia Mongia: Hela Ayed |
Laufzeit | 113 Minuten |
Die Ähnlichkeiten zwischen Dachra und Blair Witch Project sind zum Teil wirklich verblüffend, inklusive des aus zwei Männern und einer Frau bestehenden Trios. Der wohl größte Unterschied neben einer geballten Ladung Kultur ist wohl der Aufenthalt in der Gemeinde anstelle ziellosen Wanderns durch dichte Wälder. Der Anspruch ist ein anderer: Schwarze Magie ist ein reales existierendes (Tabu-)Thema in Tunesien. Es war dem Regisseur ein Anliegen, eine Thematik aufzuarbeiten, die in dieser Form noch nicht mehrfach in amerikanischen oder japanischen Produktionen breitgetreten wurde. Der geheimnisvolle Ort und die übertrieben Freundlichkeit des Gastgebers sorgen dafür, dass die Gruppe einfach nicht gehen kann. Bereits früh baut sich eine unterschwellige Spannung auf, die nicht so schnell nachlassen möchte. Als Zuschauer weiß man binnen Sekunden, dass hier etwas nicht stimmt. Doch wie rettet man sich aus einer solchen Situation? Konflikte sind vorprogrammiert und wie sich herausstellt, ist das Trio doch nicht ganz so harmonisch aufgestellt, wie es der erste Eindruck vermitteln möchte.
Ungelenkes Figurenhandling
Während also die Grundvoraussetzungen stimmen und Dachra auch visuell mit seiner düsteren Bildkomposition überzeugt, verliert die Handlung zunehmend an Glaubhaftigkeit. Das liegt vor allem an Yasmine, Bilal und Walid, welche selbst in den offensichtlichsten Szenen noch immer herumeiern und die Dinge, selbst wenn es zu spät ist, noch immer nicht verstehen. Stattdessen streitet man sich herum, jeder fällt jedem ins Wort und auf der Umkehrseite verschweigen sich die drei aus nicht nachvollziehbaren Gründen wichtige Fakten. Kurzum: Die Kommunikation zwischen den Dreien stimmt nicht und das nur, weil das Drehbuch sie wenig nachvollziehbare Entscheidungen treffen lässt. Fraglich also, ob hier die Unerfahrenheit des Regisseurs Bouchnak eine Rolle spielt oder schlicht nicht darüber nachgedacht wurde, die Figuren selbstreflexiv auftreten zu lassen.
Fängt stark an, lässt stark nach
So richtig nachhaltig verstören kann Dachra nicht. Trotz vieler Storywendungen schleichen sich erhebliche Längen ein, wenn die Gruppe wieder einmal aufgrund fehlender Kommunikation daran scheitert, das Dorf zu verlassen. Zu Beginn wissen die ersten Verdachtsmomente noch bei Laune zu halten, später lassen die Extrarunden den Spannungsbogen durchhängen. Dank fleißig rotierender Nebelmaschine geschieht das immer auf eine stimmungsvolle Art und Weise, doch was nützt das, wenn die unentschlossenen Charaktere nicht in der Lage sind, gemeinsam Lösungen zu finden, und sich lieber anbrüllen?
Fazit
Dachra ist ein Fall für sich. Geht es um stimmungsvolle Inszenierung, muss die Produktion keine internationalen Vergleiche scheuen. Die Schwächen liegen eindeutig im Drehbuch und nicht in der Umsetzung. Die wenigen Jump-Scares sind wirkungsvoll gesetzt und allzu viele Titel mit Hexen-Thematik existieren auch nicht, sodass die tunesische Produktion durchaus sehenswert sein kann. Um etwas Größeres zu sein, mangelt es am Ende schließlich merklich an Erfahrung, und angesichts zahlreicher Veröffentlichungen finden Horrorfans auch schnell ansprechendere Alternativen, wie etwa Marianne.
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