Death Count
Wir sind uns wohl alle einig, dass Social Media in den vergangenen Jahren einen erheblichen Einfluss auf unser Konsum- und Medienverhalten genommen hat. Immer krasser wird das Ringen um die Aufmerksamkeit und Zeit der Nutzer:innen, jeder möchte Geld aus allem schlagen und Narzissten finden die richtigen Plattformen, um ihre Sucht nach Geltung zu stillen. Die hässlichen Auswüchse all dessen finden immer wieder Einzug ins Horror-Genre. Death Count von Michael Su (Doomed) ist im Kern irgendwo in der Ecke von Saw und Hostel einzuordnen und atmet den Torture Porn-Geist der frühen 2000er, welche der Film mit zeitgemäßen Einflüssen sozialer Medien vereint. Ob die Idee aufgeht? Wir haben die internationale Premiere auf dem Obscura Filmfest 2022 begleitet.
Acht Menschen erwachen in Arrestzellen. Zu ihnen gehört Rachel (Sarah French, Blind), die sich in einer solchen wiederfindet: ein karger Raum mit Bett, Toilette und einer Werkzeugkiste. Wie sie alle dorthin gekommen sind? Das wissen sie selbst nicht. Per Mikrofon informiert sie eine männliche Stimme, die dem Wächter (Costas Mandylor, Mark Hoffman in der Saw-Reihe) gehört, darüber, dass sie als Gefangene nur zwei Möglichkeiten haben: Entweder sie lassen sich auf seine brutalen Spielbedingungen ein oder sie erfahren ein schmerzliches Ende. Denn ganz unbeobachtet sind sie in ihren Zellen nicht: Von außen tummeln sich sensationslüsterne Zuschauer:innen via Internet, die ihre Likes für kreative Verstümmelung vergeben. Wer den geringsten Zuspruch einheimst, scheidet aus. Wer wird das Spiel gewinnen und gibt es überhaupt so etwas wie einen Sieg?
Auf den Pfaden Jigsaws
Originaltitel | Death Count |
Jahr | 2022 |
Land | USA |
Genre | Horror |
Regie | Michael Su |
Cast | Wächter: Costas Mandylor Detective Casey: Michael Madsen Rachel: Sarah French John: BJ Mezek Selena: Devanny Pinn Coach Roberts: Wesley Cannon Mr. Turner: Denny Nolan |
Laufzeit | 81 Minuten |
FSK | unbekannt |
Titel im Programm des Obscura Filmfest 2022 |
Es gibt filmische Vertreter, die mehr, und solche, die weniger offensichtlich einem großen Vorbild nacheifern. Death Count macht wenig Hehl daraus, dass dieses Saw heißt, und hat mit Costas Mandylor gleich einen Schauspieler für die Hauptrolle besetzt, der in sage und schreibe fünf Saw-Teilen zwischen 2006 und 2010 zu sehen war. Die Zielgruppe ist damit selbsterklärend abgesteckt. Seine Figur des Wächters bleibt allerdings vergleichsweise nebulös und verbirgt sich hinter einer Maske. Wahrzunehmen ist seine Präsenz vor allem an seiner sichtbaren Mundpartie und der markanten Stimme. Man muss Mandylor eines lassen: Seine Aura zeigt Wirkung. Wenn er spricht, liegt die volle Konzentration auf ihm. Dass mit dem Wächter ein ikonischer Bösewicht aufgebaut werden soll, ist ein offensichtliches Ziel. Denn er ist ebenso präsent wie gnadenlos und das, obwohl man nahezu nichts über ihn erfährt. In die Horrorfilm-Geschichte eingehen wird er vielleicht nicht, einen passablen Bösewicht gibt er allemal ab.
Auf jeden Bösewicht folgt ein Gegenspieler
Der größere Name im Cast ist allerdings Michael Madsen, bekannt aus Reservoir Dogs oder Kill Bill. Er mimt den aufgedunsenen und verlebten Detective Casey, der seine besten Zeiten längst hinter sich hat, aber nochmal ran darf. Sozusagen die Paraderolle des abgehalfterten Cops, der im wahren Leben eher in der Kneipe zu finden wäre. Die Rolle gibt wenig her, fürs Marketing funktioniert der Name natürlich prima. Mit zwei Darstellern dieses Kalibers sollte Death Count zugfähig genug sein, um vom Werbeeffekt zu profitieren. Potenzial für mehr ist vorhanden, denn theoretisch hat die Story kein Ende und könnte ganz wie die Saw-Reihe regelmäßig wiederholt werden. Ganz auszuschließen sind weitere Updates und Fortsetzungen also nicht.
Töte dich auf kreative Weise
Der Rest des Casts ist keine weitere Erwähnung wert. Die Horror-Actrice Sarah French (Blind) wird immer dann gecastet, wenn ein B-Movie eine attraktive Darstellerin braucht, die nicht all zu viel Talent an den Tag legen muss. Ihre Figur Rachel erscheint allerdings als die am wenigsten verhaltensauffällige, womit uns keine andere Wahl bleibt, als uns mit ihr zu identifizieren. Die anderen sieben Gefangenen sind austauschbares Kanonenfutter, die man weder kennenlernt, noch den Hauch einer Chance für Sympathiepunkte kriegt. Damit ist klar, worauf es hinausläuft: Eine Person nach der anderen wird eliminiert. Hier gibt es gleich die doppelte Ladung Gore: Erst muss sich jeder auf irgendeine Weise verstümmeln, dann votet das Publikum und es folgt ein individueller Tod. Eine kurze Zeit macht das Spaß, irgendwann wird es repetitiv. Mit 81 Minuten ist das Unterfangen allerdings auch schnell wieder vorbei, sodass die Produktion keine Längen aufweist.
Fazit
Death Count befriedigt die niedrigsten Instinkte und das nicht sonderlich gut. Das austauschbare Personal nervt nach kurzer Zeit und anstelle von Figuren, mit denen man auch nur halbwegs mitfühlen kann, gibt es Idioten und Verweigerer, die einem schlicht egal sind. Oder besser gesagt: Man wünscht sich, dass sie schnell wieder von der Bildfläche verschwinden. Wer gar nicht genug von Torture Porn bekommt, macht mit Death Count wenig falsch, findet aber auch ein Dutzend vergleichbare Titel, die es besser machen. Mit zwei großen Namen im Gepäck sollte der Film allerdings auch international gut für ein Heimkino-Release vermarktbar sein. Vorausgesetzt, dass nicht zuviel im Schneideraum hängen bleibt.
© Mahal Empire, Blaen-Y-Maes Bootleg Films, Mezek Films