Der Vorname

Manchmal genügt ein Funke und es entsteht ein Flächenbrand. Im Oktober 2018 zeigt Regisseur Sönke Wortmann (Das Wunder von Bern) in seiner Gesellschaftskomödie Der Vorname, wie das funktionieren kann. Hier ist dieser Funke der Name “Adolf”. Kann und darf man sein Kind heutzutage so nennen? Anhand dieser Frage entzündet sich ein Streit unter den Beteiligten. Dessen Verlauf macht ziemlich schnell deutlich, dass Der Vorname eine Streitkultur abbildet, wie sie in der Politik und in den Medien täglich zu beobachten ist.

    

Elisabeth und Stephan sind ein gutbürgerliches akademisches Ehepaar. Als sie ihren gemeinsamen Freund René sowie Elisabeths Bruder Thomas samt schwangerer Freundin Anna zum Abendessen einladen, scheint es zunächst auf ein ganz normales geselliges Beisammensein herauszulaufen, wie sie es schon kennen. Die Reibereien zwischen Stephan und Thomas werden durch die energisch-beschwichtigende Haltung von Elisabeth sowie die Ignoranz von René im Zaum gehalten. Doch die scheinbare Harmonie zwischen den einzelnen Personen gerät ins Wanken. Obwohl Anna noch fehlt, plaudert Thomas schon den geplanten Vornamen ihres gemeinsamen Sohnes aus: “Adolf. Wir nennen ihn Adolf.” Die hitzigen Auseinandersetzungen um diese Namensgebung lassen sich zwischen Vorspeise und Hauptgericht nur mühsam eindämmen. Als sich die schwangere Anna später zu der Tischgesellschaft gesellt, flammt der Streit erneut auf und gerät völlig außer Kontrolle. Dabei kommen Geheimnisse zur Sprache, die zum Teil bis in die Vergangenheit reichen.

Eingespielte Routine

Originaltitel Vorname
Jahr 2018
Land Deutschland
Genre Gesellschaftskomödie
Regisseur Sönke Wortmann
Cast Stephan: Christoph Maria Herbst
Elisabeth: Caroline Peters
Thomas: Florian David Fitz
René: Justus von Dohnányi
Anna: Janina Uhse
Dorothea: Iris Berben
Pizzabote: Serkan Kaya
Laufzeit 91 Minuten
FSK

Die Schauspieler in Der Vorname agieren perfekt miteinander und in ihren Rollen. Besonders die Reibereien zwischen Stephan (Christoph Maria Herbst, Stromberg) und Thomas (Florian David Fitz, Willkommen bei den Hartmanns) bewegen sich gekonnt auf einer feinen Linie zwischen Neckerei und Eskalation. Dass es zunächst zu keiner offenen Konfrontation kommt, liegt am energischen Auftreten von Elisabeth (Caroline Peters, Ein Mord mit Aussicht), die jeden Streit im Keim erstickt. Auch der sanfte René (Justus von Dohnányi, Timm Thaler oder das verkaufte Lachen) versucht die friedliche Stimmung beizubehalten, indem er mehr oder weniger geschickt vom Thema ablenkt. Diese vier zeichnen im ersten Teil des Films das Bild von Jugendfreunden ab, die mittlerweile gut aufeinander eingespielt sind. Erst das spätere Erscheinen Annas (Janina Uhse, Gute Zeiten, schlechte Zeiten), die mehr mit ihrer Karriere als mit ihrer zukünftigen Rolle als Mutter beschäftigt ist, bricht die routinierte Vertrautheit der Tischgesellschaft auf.

Ein Spiegel der Gesellschaft

Die Streitkultur, die in Der Vorname gezeigt wird, ist tagtäglich zu beobachten. Streitereien wie diese finden sich in vielen Familien- und Freundeskreisen. Ebenso in politischen Diskussionen oder Wortgefechten in den Medien. Oft ist der Stein des Anstoßes schon längst aus dem Weg geräumt, da wird noch immer gestritten. Durch das Ausweichen auf Nebenschauplätze, das Beharren auf die eigene Meinung und Position und die Unsitte, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, wird eine konstruktive Auseinandersetzungen unmöglich gemacht. Dass dem Zuschauer bei Der Vorname das Lachen dennoch nicht im Halse stecken bleibt, liegt neben der mitunter übertriebenen Darstellung der einzelnen Charaktere auch an teilweise absurden Szenen, die geschickt platziert eine allzu ernste Atmosphäre unterbinden. Es darf gelacht werden, der eine oder andere gehaltvolle Gedanke bleibt wie von allein hängen.

Der Vorname gefällt mir. Sehr sogar. Der Wortwitz, die literarischen Anspielungen, die schnellen Dialoge, der pointierte Humor – hier passt für mich einfach alles zusammen, auch dank der hervorragenden Schauspieler. Ich finde es einfach genial, wie schnell sich die Fronten verändern. Aus Gegnern werden auf einmal Verbündete und aus Verbündeten neue Gegner, schnell und fast unmerklich mit einem kurzen Satz oder einem Lachen. Besonders gefallen hat mir aber, dass die Charaktere nicht eindimensional bleiben. Sie haben ihre guten wie ihre schlechten Seiten, wie das bei Menschen nun mal so ist. Für mich ist Der Vorname definitiv einer der Topfilme des Jahres 2018.

 

© Constantin Film

 

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Ayres
Redakteur
26. April 2019 18:05

Habe den Film damals im Kino gesehen. Unter normalen Umständen wäre ich vermutlich nicht extra dafür ins Kino gegangen, mein Mitseher wollte den Film allerdings unbedingt sehen. Also im Endeffekt muss ich sagen: “Der Vorname” ist ein kurzweiliger Film und weitaus besser als ich es zunächst gedacht hätte. Allerdings dreht sich die Handlung irgendwann nur noch im Kreis und die Charaktere werden derart ins Extrem gekitzelt, dass klar ist, dass es hier kein richtiges Zurück gibt. Da fallen Dinge, die in wirklich keinem Streit fallen sollten und die nicht mehr zu kitten sind. Insofern ein sehr unbequemer Film, bei dessen Ansehen ich zwischen Katastrophentourist und mitfühlendem Zuschauer schwankte.

Ayres
Redakteur
Antwort an  chianna
4. Mai 2019 13:38

Ich mag ja die Rolle von René. Finde es immer cool, wenn es so enge Familienfreunde gibt, die auch von allen anerkannt und akzeptiert sind. Trotzdem ist da so manche Offenbarung dabei, die man sich zumindest als Zuschauer schon denken kann. Insgesamt hätte der Film durchaus eine Schippe mehr Biss vertragen können.