Equilibrium: Killer of Emotions
Der 2002 erschienene Kurt Wimmer-Film Equilibrium war nicht gerade ein erfolgreicher Kassenschlager und erst recht kein Liebling der Kritiker, trotzdem hat der Film seine treue Fangemeinde. Das mag an Hauptdarsteller Christian Bale liegen oder an der bedrückend dystopischen Zukunftsvision eines gefühlsächtenden Kontrollstaates, aber wahrscheinlich werden Fans sehr schnell dazu übergehen, mit großer Begeisterung den Begriff „Gun Kata“ zu erklären.
In nicht allzu ferner Zukunft ist es tatsächlich vollbracht: eine Welt ohne Krieg. Doch dieser vermeintlich utopische Zustand kommt zu einem hohen Preis. Nach einem verheerenden dritten Weltkrieg wurde als Wurzel allen Übels ausgerechnet die menschliche Natur und das Potenzial zu fühlen ausgemacht. So werden die illegal gewordenen Emotionen nun mithilfe der Droge Prozium und einem gnadenlosen Polizeiapparat ausgemerzt. An der Spitze dieser neuen Exekutive stehen die „Grammaton Clerics“, kompromisslose Ermittler, darauf spezialisiert, Straftäter – also Menschen, die fühlen – sowie illegale Gegenstände, die Emotionen erzeugen, ausfindig zu machen und auszulöschen. Einer der erfolgreichsten und hochrangigsten Kleriker, John Preston, geht dabei selbst gnadenlos vor. Doch dass vor kurzem seine eigene Frau als Straftäterin hingerichtet wurde und er nun auch gezwungen ist, seinen vertrauten Klerikerpartner Partridge zu exekutieren, bringen Preston mehr und mehr ins Wanken. Erst unbewusst und dann ganz gezielt hört er auf, sein Prozium zu nehmen. Ein erleuchtendes aber auch hochgefährliches Unternehmen, denn überall warten Tests auf ihn, mit denen Gesetzesbrecher wie er aufgespürt werden sollen. Insbesondere Prestons neuer ambitionierter Partner Brandt scheint darauf aus, seine Karriere auf Kosten von Preston voranzutreiben.
Nazi Architektur: ein schwarzes Loch für die Schönheit
Originaltitel | Equilibrium |
Jahr | 2002 |
Land | USA |
Genre | Action |
Regisseur | Kurt Wimmer |
Cast | John Preston: Christian Bale Brandt: Taye Diggs Mary O’Brien: Emily Watson Dupont: Angus Macfadyen Partridge: Sean Bean Father: Sean Pertwee Jurgen: William Fichtner |
Laufzeit | 107 Minuten |
FSK |
Das von Kurt Wimmer (Ultraviolet) geschriebene und auf dem Regiestuhl inszenierte Werk zeichnet eine düstere Zukunftsvision, in welcher Menschen – ihrer Gefühle beraubt und damit dem, was sie eigentlich erst menschlich macht – wenig mehr tun, als einfach nur noch gesellschaftlich zu funktionieren. In grauer Einheitskleidung marschieren sie also durch das deprimierende Großstadt-Dystopia Libria, während „Vater“, der totalitäre Herrscher dieser Gesellschaft, in propagandistischer Dauerbeschallung den Bürgern seine Weisheiten einprogrammiert. Von Kindesbein an indoktriniert, ist man so selbst in der eigenen Familie meist nicht vor Spitzeln sicher, wenn man sich nicht kleinlich an die strengen Gesetze hält. Dass diese bedrückende Zukunft dabei die Atmosphäre faschistischer Nazi-Romantik versprüht, ist kein Zufall. Neben der recht offensichtlichen Anleihe der schwarz-weiß-roten Flagge von Libria, dienten Berlin und besonders Nazi-Architektur wiederspiegelnde Bauten wie das Olympiastadion, die inzwischen abgerissene Deutschlandhalle oder der Flughafen Berlin-Tempelhof als Drehorte.
John Wick war nicht der Erste, der wegen Hundewelpen getötet hat
In dieser bedrückenden Kulisse sind die Szenen, in denen Preston anfängt zu fühlen, umso eindringlicher. So fängt er beispielsweise an, die kleinsten Gefühlsauslöser, wie ein kaltes Geländer, bewusst wahrzunehmen und steigert sich hin zu wahren Offenbarungserlebnissen, wie die Schönheit eines Sonnenaufgangs, einer Symphonie Beethovens oder der Liebe zu einer Frau (und einem süßen Hundewelpen). Der Film profitiert dabei vom hochtalentierten, damals noch kurz vor seinem Durchbruch stehenden Christian Bale (Herrschaft des Feuers) als Hauptdarsteller, der glaubhaft den Wandel Prestons vom gefühllosen Killer hin zum leidenschaftlichen Widerstandskämpfer darstellt und zugleich die körperlichen Anforderungen eines Actionfilms meistert. Auch sonst lassen sich einige bekannte Gesichter im männerlastigen Cast entdecken wie Sean Pertwee (Gotham) oder William Fichtner (Prison Break). Zudem wird der Film mit Sean Beans (Game of Thrones) kurzzeitiger Anwesenheit geehrt, dessen Figur hier erneut ein frühes Ableben feiert.
Einer der ersten westlichen Gun Fu-Filme
Was das Actionkino angeht, wirkt Equilibrium teilweise wie ein Film aus einer anderen Zeit. Da sind einerseits die inzwischen sehr antiquierten Actionelemente, wie man sie klassischerweise in Filmen wie Rambo findet, in denen sehr viel durch die Gegend geballert wird und sehr viele Menschen in ganz vielen sonderbar theatralen Zuckungen zu Boden schwappen, während um sie herum irgendetwas (wer weiß schon was) explodiert. Andererseits finden sich auch viele moderne Elemente, wie sie zur Jahrtausendwende – vom asiatischen Actionkino inspiriert – besonders Matrix massenwirksam gemacht hat: Freigiebiger Zeitlupeneinsatz und Schießereien, die sich vom einfachen Zielen und Abdrücken hin zu einer Gimmick-reichen Ästhetik entwickelt haben. Der große Clou von Equilibrium ist dabei die sogenannte „Gun Kata“. In dieser fiktiven Kampftechnik wurden durch die Auswertung zahlreicher Schießereien fließende, kampfsportartige Bewegungsabläufe entwickelt, durch welche die Kleriker die maximale Wahrscheinlichkeit erreichen, ihre Gegner zu treffen und gleichzeitig nicht getroffen zu werden. Gerade diese mit Schnelligkeit und Zen-artiger Ruhe ausgeführten Bewegungsabläufe, in denen Preston ganze Scharen von Gegnern ausschaltet, gehören zu den großen optischen Highlights des Films. So kann es sein, dass man sich beim Ansehen vielleicht auch etwas hin und her gerissen fühlt zwischen einem leichten Fremdschämen, da filmisch manche Stellen etwas altbacken, pathetisch oder einfach unglücklich wirken, und diversen Wow-Momenten, wenn in effizient karateähnlichen Choreographien Horden von Gefühlfaschisten niedergemäht werden.
Fazit
Ich habe den Film lange nicht mehr gesehen und man merkt ihm inzwischen doch recht deutlich sein Alter an. Besonders das Actionkino hat sich seitdem stark gewandelt. Aktuell scheint es mir meist zwischen möglichst realistischen und zugleich ästhetischen Kampfsequenzen (John Wick) oder immer ausgefalleneren und spektakuläreren Stunts (Fast & Furious-Reihe) zu schwanken und gerade dagegen wirken Stellen in Equilibrium – wie wenn mit einem künstlich klingenden Maschinengewehr durch theatralisch zu Tode zuckende Extras geschossen wird – unfreiwillig komisch. Trotzdem hat der Film auch noch viel Sehenswertes: Die Gun Kata empfinde ich immer noch als ziemlich coole Idee, die auch optisch einiges her macht und auch die Thematik einer gefühlsunterdrückenden Gesellschaft, gegen die rebelliert wird, ist durchaus interessant und hält einige tolle Momente bereit.
© Miramax