Extremely Wicked, Shockingly Evil, and Vile

Beschäftigt man sich mit den größten Serienverbrechern der Geschichte, führt kein Weg an Ted Bundy vorbei. Zwischen 1974 und 1978 tötete er mindestens 30 junge Frauen und Mädchen in mehreren US-Bundesstaaten. Nach seiner Festnahme wurde er schließlich 1989 zum Tode verurteilt. 2019 liegt der Todestag Ted Bundys 30 Jahre in der Vergangenheit. True Crime ist mittlerweile angesagter denn je. Das stellte auch Netflix fest, als die Beliebtheit der eigenen Crime-Serie Ted Bundy: Selbstportrait eines Serienmörders partout nicht abreißen wollte. Dass dann ausgerechnet ein Film mit Zac Efron in der Rolle des sexy Killers auf dem Sundance Festival gezeigt wurde, ließ den Streamingdienst nicht lange fackeln: Für 9 Millionen US-Dollar sicherte er sich die Lizenz an Extremely Wicked, Shockingly Evil And Vile, was ab Mai 2019 auch in Deutschland zu sehen ist.

USA, 1969. Ted (Zac Efron, Baywatch) ist der All-American Mr. Nice Guy, den man nur mögen kann. Ein echter Schwiegermuttertraum. So sieht das auch die schwer verliebte alleinerziehende Mutter Liz (Lily Collins, Okja), die seinem Charme verfällt. Ted zieht bei Liz und deren Tochter Molly ein, Familienidylle bestimmt fortan das Zusammenleben. Selbst als sich Verdachtsmomente häufen, dass mit ihrem Geliebten etwas nicht zu stimmen scheint, hält Liz an ihm fest. Bis eines Tages die Aufmerksamkeit der USA auf Ted liegt und alle Medien über ihn berichten: Er soll für den Tod mehrerer Frauen verantwortlich sein und das in einem derart schockierenden Ausmaß, dass das gesamte Land gelähmt ist…

Joe Berlinger, Zac Efron und der Supercoup, ein brilliantes Konglomerat

Originaltitel Extremely Wicked, Shockingly Evil And Vile
Jahr 2019
Land USA
Genre Drama, Crime, Biografie
Regisseur Joe Berlinger
Cast Ted Bundy: Zac Efron
Liz Kendall: Lily Collins
Larry Simpson: Jim Parsons
Joanna: Angela Sarafyan
Officer Bob Hayward: James Hetfield
Richter Edward D. Cowart: John Malkovich
Carole Anne Boone: Kaya Scodelario
Laufzeit 108 Minuten

Der Dokumentarfilmer Joe Berlinger sorgte bereits mit seiner Ted Bundy-Doku auf Netflix für Furore. Da lag der Schritt nahe, den gefragten Stoff auf die große Leinwand zu bringen. Immerhin befand der sich bereits seit 2012 auf Hollyswoods Blacklist der besten unverfilmten Ideen. Ausgerechnet Disney-Beau Zac Efron für die Rolle des Ted zu besetzen, ist dabei der Schachzug schlechthin. Der Schauspieler kämpft seit geraumer Zeit um Anerkennung als ernsthafter Schauspieler, da ihm seit seiner Rolle in High School Musical das Image des Teenieschwarms anhaftet. Da kommt ihm die Figur des Ted Bundy auch noch entgegen: oberflächlich betrachtet ein attraktiver Mann, der mit Smartness und Freundlichkeit besticht. Doch das wahre Monster schlummert tief innen. Wenn Zac Efron eine Rolle beherrscht, dann die des Strahlemanns. Auch weitere Rollen wurden prominent besetzt: Jim Parsons (The Big Bang Theory) als Ankläger Larry Simpson, John Malkovich (Bird Box) spielt den Richter Edward D. Cowart. Für den Part des Officers Bob Hayward tritt erstmals Metallica-Frontmann James Hetfield in einem Spielfilm in Erscheinung.

Schrecken ohne Gewalt

Eines ist wichtig zu wissen, ehe man sich auf den Film einlässt: Es handelt sich hierbei um das Porträt eines Teufels. Kein Slasher, kein anderer Auswuchs des Horrorgenres. Die meiste Spielzeit verbringt Extremely Wicked,… im Gerichtssaal oder bei der Aufarbeitung von Bundys Vergangenheit. Die Mordfälle als solche gibt es nicht zu sehen, womit das sensationslüsterne Auge unbefriedigt zurückbleibt. Berlinger tut sein Bestes, um den Porträtstil zu wahren. So bleibt es sogar für den Zuschauer unvorstellbar, dass dieser Mensch ein Monster sein soll. Der Verzicht auf die Darstellung körperlicher Gewalt spielt der Psychologie des Films nur in die Karten: Ted Bundy ist ein durchtriebenes Miststück, das auf Manipulation setzt. Auf diese Weise gelingt ihm auch mehrfach die Flucht aus dem Gefängnis, ebenso das ständige Ablenken des Verdachts von sich. Und er ist selbstgefällig genug, um im Gerichtssaal als sein eigener Anwalt aufzutauchen. Würde der Zuschauer nicht längst die Hintergründe kennen, wäre Efrons Schauspiel spätestens hier derart betörend, dass man Ted Bundy Glauben schenken möchte. Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung des zeitlichen Kontexts: In den späten 70ern erfolgte Polizeiarbeit ohne Forensik. Die Beweislage war weit von unseren heutigen Standards entfernt, sodass die persönliche Note einer Verteidigung vor Gericht noch in ganz andere Dimensionen fällt.

Justizdrama mit Nachwirkung

Auch wenn sich Extremely Wicked,… auf die Fahne schreibt, eine Biografie zu sein, bleibt das Durchleuchten der Psyche der Figur aus. Die komplexe Thematik der Perversion des Geistes ist nicht Gegenstand des Films. Der Reiz entsteht durch die Untersuchung eigener Vorurteile des Zuschauers. Für den einen oder anderen aber sicherlich auch durch die Faszination, wie ein Mensch derart viele Morde vertuschen kann. Die Perspektive bleibt dabei immer die des Beobachters: Ted ist weder Freund, noch Feind. Wir beobachten ihn einfach nur, während die emotionale Seite von Liz abgedeckt wird. Wir erfahren, wie sie mit der Situation umgeht. Wie sie die Dinge nicht anerkennen will, zerbricht, Halt sucht und letztendlich nur durch den Fernseher dabei sein kann. Ohnehin findet die Geschichte vornehmlich aus ihrer Wahrnehmung statt. Denn sie muss sich schleichend mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass sie allem Anschein nach die einzige Frau ist, die Ted näherkam und dies überlebte.

Fazit

Extremely Wicked, Shockingly Evil And Vile ist ein nachdenklich stimmender Film, der auf eine Verteufelung des Serienkillers verzichtet und Raum schafft für philosophische Züge. Lassen wir uns von Menschen blenden, die uns das Gefühl geben, als seien sie im inneren Einklang? Schauen wir weniger kritisch hin, wenn eine gutaussehende Person uns anlächelt? Fragen, die sich aufdrängen. Hierbei kommen Berlingers Qualitäten als Dokumentarfilmer zu tragen: Seine Erzählweise ist unaufgeregt, verzichtet auf Schocker und emotionalisiert nur auf der Seite der einzigen Person, die die Entwicklung des Justizfalls passiv mitansehen muss. Zac Efron erweist sich als perfekter Darsteller eines Serienmörders, wie wir ihn noch nicht gesehen haben.

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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Misato
Redakteur
19. Juli 2019 4:09

Wirklich gut – Zac Efron. Hier bin ich aber weniger überrascht. Er ist, wie auch Robert Pattinson, halt wegen einer Rolle in eine Schublade gesteckt worden und dann sind Memes wichtiger als richtig hinzusehen. Er kann schauspielern und ist perfekt gewählt für die Rolle.

Ich habe früher viel Zeit damit verbracht, Bücher über Verbrechen zu lesen, vor allem Serienkiller. Es ist irgendwie schon faszinierend. Aber diese True Crime-Welle, die vor Jahren losgetreten wurde, hat mich da doch Abstand nehmen lassen. Es war schon immer ein bisschen suspekt, auf wen man so traf bei diesem Interessensgebiet, aber da kommen ja immer schlimmere Auswüchse aus den Löchern gekrochen. Die Verehrung von Leuten wie Charles Manson oder Ted Bundy… ne, also bei dem Gedanken wird mir übel. (Pluspunkt für den Film, der die Fangirls bei der Verhandlung einfängt, kein neues Phänomen.) Und dann muss ich mich fragen, ob wir dieses fiktionale Porträt wirklich gebrauchen. Ich bin sehr froh, dass es keine Nacherzählung der Ereignisse mit all der Gewalt geworden ist. Ein Aussparen ist wichtig, um nicht diese sensationsgeilen Zuschauer anzuziehen. Solche Serienkillerfilmchen haben wir schon. Aber wenn jemand den Namen Ted Bundy eben doch nicht kennt, wenn da ein unbedarfter jemand zuschaut und den Film als spannendes Drama ansieht, in dem jemand bis zuletzt seine Unschuld beteuert und Sympathien hegt. Bei all den Verschwörungstheoretikern da draußen, würde es mich nicht wundern, wenn jetzt noch ein paar dran zweifeln, dass seine Geständnisse echt waren. Die Opfertafel am Ende sowie die realen Ausschnitte fühlen sich ein wenig dran gehängt an. “Oh, achso, wir sollten noch mal erinnern, dass der eben nicht so nett und unschuldig ist.”

Ein Teil von mir sagt sich, dass Bundy den Film größtenteils mögen würde. Weil er eben so charismatisch, witzig, intelligent und nahezu spitzbübisch dargestellt wird. Die Schlussmomente fangen das sogar gut ein. Und mir fehlt hier einfach was dran, um genau das als Kommentar mitzunehmen. Dass wir diese Fassade öfter hinterfragen müssen. Der Narzissmus wird nicht genug vorgeführt und das empfinde ich dann wiederum als Schlag gegen die Opfer. Und an die sollten wir öfter denken. Von daher ist das ein Film der Kategorie einmal ansehen, zur Kenntnis nehmen, fertig. Mehr Aufmerksamkeit verdient das Subjekt selbst einfach nicht.

Misato
Redakteur
Antwort an  Ayres
20. Juli 2019 18:15

Das sind mir die liebsten, den Film langweilig finden. Dagegen kann ich Criminal Minds gucken, wenn Woche für Woche Serienkiller ihre perfiden Tötungsmethoden vorführen. Ich finde die Darstellung zwar nicht kritisch genug, um eben diesen Bann des Personenkultes zu brechen, aber als langweilig empfinde ich hier nichts. Selbst mit dem Hintergrundwissen über den Fall. An der Stelle möchte ich dann auch die Wahl des Filmtitels loben. O-Ton, der die Taten – sowie Bundy als Menschen – bestens beschreibt. Vielleicht sind dadurch aber zu viele Sensationsgelüste geweckt worden, die sehen wollten, wie junge Frauen vergewaltigt, verstümmelt und getötet werden……………… hat man ja nicht genug von………