Framed
Was in den 2000ern mit Big Brother begann, entwickelte sich im darauf folgenden Jahrzehnt zu einem der größten medialen Trends: Livestreaming. Mittlerweile kann jeder Smartphone-Besitzer einen Livestream starten, was angesichts grauenerregender und mitgefilmter Terroranschläge ganz neue Dimensionen des Voyeurismus annimmt. Diesen Ansatz greift der spanische Regisseur Marc Martínez in seinem Film Framed auf. Um möglichst viele Zuschauer an sich zu reißen, werden sämtliche Grenzen gebrochen – und das alles für five minutes of fame. Der filmische Warnschuss erreichte im Mai 2019 den deutschen Handel.
Mit der App “Framed” können Menschen mittels Livestreaming ein großes Publikum erreichen. Um sich gegenseitig zu überbieten, werden die Mittel dafür immer radikaler. Ob lebendig verspeiste Kakerlaken, Mahlzeiten aus Kot oder in Echtzeit gequälte und getötete Menschen – für den Ruhm sind einige Menschen alles zu tun bereit. Anders als andere Jugendliche hängt Alex (Joe Manjón) nicht so häufig an seinem Smartphone. Eigentlich sollte dies sein Abschiedsabend werden, ehe es ihn ins Ausland verschlägt. Doch kaum sind seine Freunde da, hängen diese auf “Framed” ab. Die Überraschung sitzt ihnen im Nacken: In wenigen Minuten werden sie selbst auf dem Livestream zu sehen sein, wenn ein paar Unbekannte die Wohnung stürmen, um mittels grausamer Gewalt Zuschauer zu gewinnen …
Subtil ist hier nichts – aber schmerzhaft
Originaltitel | Framed |
Jahr | 2017 |
Land | Spanien |
Genre | Horror |
Regisseur | Marc Martínez |
Cast | Alex: Joe Manjón Maurice: Daniel Horvath Tomas: Biel Montoro Mari: Mercè Montalà Bea: Júlia Molins Sarah: Lídia Casanova |
Laufzeit | 80 Minuten |
FSK |
Framed verknüpft das Home Invasion-Subgenre mit einem Sammelsurium an Methoden, Menschen physisch und psychisch zu quälen. So und nicht anders lässt sich die Handlung treffend beschreiben. Obwohl die Hauptfiguren durchaus keine typischen Sympathieträger sind, wünscht man ihnen auch nicht unbedingt das, was sie durchleben müssen. Dass ausgerechnet der Anführer der Eindringlinge den intensivsten Eindruck hinterlässt, ist dabei umso verstörender. Immer wieder durchbricht er die vierte Wand, um mit den Zuschauern (und damit uns) Kontakt aufzunehmen. Als wären wir live dabei, wenn die sensationsgeilen Irren mit Kettensäge und Hammer auf ihre Opfer losgehen. Dass diese auch noch mittels Drogen außer Gefecht gesetzt werden, macht die Geschehnisse umso ergreifender.
Moralisch verkrüppelte Gesellschaft
Was den Eindringlingen jedoch fehlt, ist trotz jeglicher Psychose eine Art Persönlichkeit. Überzeichnung alleine genügt nicht, um sie auch zu fürchten. So bleiben sie zwar ein (und das eine Untertreibung) unangenehmer Besuch, aber nichts, was einen wirklich prägenden Eindruck hinterlässt. Ihr verstörender Auftritt funktioniert durch das Overacting der Schauspieler, aber so richtige Plastizität entwickelt kein Charakter. Geradezu seltsam wirkt da das Agieren einer Moderatorin, die in einer Szene im Fernsehen kommentiert, was sie über Framed beobachtet. Nicht unbedingt unlogisch, aber weit von Glaubwürdigkeit entfernt. Das bewahrt uns auch davor, dieses Szenario halbwegs ernstzunehmen. Obwohl wir uns auf technischer Ebene hier längst in der Gegenwart bewegen, ist die Gesellschaft in Framed völlig abgestumpft und damit weit von der unsrigen entfernt.
Mord als Unterhaltungsformat
Auf technischer Ebene punktet vor allem der Look. Die geheimnisvollen Blau-Violett-Töne, die den gesamten Film dominieren, fassen zusammen, was hier geschieht: Während das hier stattfindende Verbrechen auf seine Weise geheimnisvoll und verstörend bleibt, wirkt es ebenso einladend. Wie Neonlichter, die in Form von Buchstaben über einer Bar prangen und dazu einladen wollen, eine gute Zeit zu verbringen. Die Sozialkritik ist offensichtlich: Wie weit soll der Internetruhm noch gehen? Müssen die Menschen immer abgefahrenere Dinge tun, um möglichst viele potenzielle Follower zu überzeugen? Oder besitzt da draußen noch irgendwer eine Moral? (Offensichtlich nicht!). Die Medienkritik verkommt hier zum reinen Selbstzweck, sodass der Appell als nebensächlich einzustufen ist.
Fazit
Mit seinen heftigen Gore-Einlagen will Framed den Zuschauer vor allem anwidern und erledigt als Folterhorrorfilm seinen Job solide. Einen tieferen Sinn gibt es hier nicht und die Sozialkritik verkommt zu nihilistischer Gewalt. Unterm Strich hat Framed Schwierigkeiten damit, den eigenen Spannungsbogen aufrecht zu halten. Zuschauer, die sich nicht von permamenter Gewalt beeindrucken lassen, werden hier wenig Substanz finden. Dafür ist der Film mit seinen 80 Minuten umso kurzweiliger geraten.
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