Frontier
Das Interesse an Robotertechnik ist groß, und unweigerlich stellt sich früher oder später die Frage, wie es mit künstlicher Intelligenz und Gefühlen aussieht. Regisseur Mazakazu Hattori nähert sich in seinem Debütfilm Frontier, der auf dem Japan Filmfest 2021 in Hamburg zu sehen war, von zwei Seiten dieser Frage an. Ein Android nach den alten Vorgaben, gebunden an die Robotergesetze, und ein Android, der in der Lage ist, Gefühle zu empfinden, finden sich zwischen Menschen wieder, die ihren Träumen nachjagen. Werden sie ihren eigenen Weg finden?
Kaito Naruse lebt mit seiner Familie in einem Haus am Meer. Seit seiner Kindheit beobachtet er die Raketenstarts der naheliegenden Raketenbasis und träumt davon, in den Weltraum zu fliegen, zusammen mit seinem jüngeren Bruder Haruki. Der von ihm insgeheim konstruierte Androide Akira übertrifft alles, was Wissenschaftlern bislang möglich ist, besitzt allerdings keine Gefühle und gehorcht den Asimov’schen Gesetzen. Doch als Haruki stirbt, verstößt Kaito Akira und verlässt sein Heim. Akira wird von OSI angeworben, einer interstellaren Forschungseinrichtung, ohne preiszugeben, wer ihn konstruiert hat. Dort wird er dank CO Shioguchi Teil der Mannschaft, die zum Mars fliegt. Kaito lebt unterdessen in der Stadt und lehrt an der Universität Robotertechnik. Doch er ist nicht allein in seinem Haus, denn bei ihm ist … Haruki? Dieser darf das Haus nicht verlassen, doch als er die junge Paketbotin Nami kennenlernt, beginnt er gegen seinen Bruder zu rebellieren. Unterdessen hat Shioguchi herausgefunden, wer Akira erschaffen hat.
Robotergesetze versus Gesetz der Natur
Originaltitel | Frontier |
Jahr | 2020 |
Land | Japan |
Genre | Science-Fiction |
Regie | Masakazu Hattori |
Cast | Akira: Shogo Kouno Kaito: Yuta Nakayama Haruki: Taishu Nukanobu Nami: Yumika Yazawa Katagiri: Ryo Ishigami |
Laufzeit | 97 Minuten |
FSK | unbekannt |
Titel im Programm des Japan Filmfest 2021 |
Was ist der Mensch? Was ist menschlich? Dieser Frage geht Regisseur Masakazu Hattori in seinem Debütfilm Frontier nach, indem er zwei verschiedene Konstrukte künstlicher Intelligenz einander gegenüberstellt. Sein Androide Akira besitzt keine Emotionen und ist an die drei Robotergesetze gebunden, die Isaak Asimov bereits 1942 formuliert hat: Ein Roboter darf nicht zulassen, dass ein Mensch zu Schaden kommt, er muss einem Menschen gehorchen und er muss seine eigene Existenz schützen. Im Einklang mit diesen Gesetzen verweigert Akira Aussagen zu seinem Schöpfer, befolgt aber alle Befehle, die er im Laufe seiner Weltraummission erteilt bekommt. Haruki andererseits besitzt als Androide eine Gefühlsplatine, was zur Folge hat, dass er Dinge hinterfragt, Zweifel verspürt und die Befehle, die Kaito ihm gegeben hat, ignoriert, um mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen. Während Akira den Geschehnissen eher wie ein Zuschauer gegenüberzustehen scheint und unberührt durch die Zeit gleitet, versucht Haruki, nachdem er die Wahrheit erkannt hat, dem Gesetz der Natur Folge zu leisten. Er will kein Mensch sein, aber er will lebendig sein, mit der Konsequenz, dass er dann sterben muss.
Lebe deinen Traum
Auch die Menschen in Frontier hadern mit ihrem Schicksal. „Der Traum ist vorbei“, sagt Kaito zu Akira, bevor er ihn zurücklässt. Sein Traum war es, mit seinem Bruder zusammen in den Weltraum aufzubrechen, doch ohne Haruki konnte er diesem Traum nicht mehr folgen. Er hat sich an die Vergangenheit geklammert, was er aber daraus erschaffen hat, gleicht mehr einem Alptraum, denn auch wenn Haruki wieder da zu sein scheint, so ist es dennoch nicht mehr so wie früher. Auch Shioguchi und Katagiri träumen vom Weltraum, seit sie Kinder sind. Wenn sie schon nicht in einer Rakete mitfliegen können, dann wollen sie wenigstens dafür sorgen, dass das Projekt Mars vorangetrieben wird. Dafür investieren beide viel Zeit, die sie fern ihrer Familie verbringen (wie es auch Kaitos Vater, ein Arzt, getan hat). Shioguchi allerdings lässt sich von seinem Traum vereinnahmen, er wendet sogar Gewalt an, um ihn zu bewahren, und verrät seine Freundschaft. Akira begreift am Schluss, dass „Der Traum ist vorbei“ für Menschen bedeutet, dass ihr Leben seinen Sinn verliert.
Fazit
Frontier ist ein Science-Fiction-Film, gemixt mit Melodrama, Slice of Life, Sinnsuche und Schwere. Und das ist ein bisschen viel von allem. Zu viel. Besonders die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen dem Androiden Haruki und der Postzustellerin Nami samt ihrer Familienzugehörigkeit wirkt sehr konstruiert. Die Themen Menschlichkeit, Familie, Träume, Sinnsuche werden angerissen, ohne dass es zu einem für die Zuschauenden befriedigenden Ergebnis kommt. In dieser Überfrachtung gehen Akira und Haruki völlig unter, aber auch Kaito, Katagiri und Shioguchi werden nur oberflächlich beleuchtet. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – bietet Frontier interessante Gedankengänge, denen sich nachzuhängen lohnt, traumhafte Musik und Bilder, die sich einprägen: die klaustrophobische Enge in Kaitos Haus und die unendliche Weite am Ufer des Meeres. Und die Puppe, die der junge Kaito in der Hand hält, als er den Raketenstart beobachtet und dann erfährt, dass er einen kleinen Bruder bekommen hat.
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