Guardians of the Galaxy Vol. 3
“Alles hat ein Ende” oder “Aller guten Dinge sind drei”? Auf Marvels Guardians of the Galaxy Vol. 3 treffen beide Sprichwörter gleichermaßen zu. Aber ist es wirklich der Abschluss von allem … also endgültig? Da hält man sich bei Marvel bedeckt und entschied sich für eine Jein-Variante, die wir an der Stelle nicht vorwegnehmen wollen und wozu die Post-Credit-Scene mehr verrät. Wie immer gilt: Dies ist nicht die direkte Fortsetzung von Guardians of the Galaxy Vol. 2, sondern der 32. Spielfilm des Marvel Cinematic Universe, den wir hier spoilerfrei besprechen. Für die eigene Vorbereitung: Als der Film am 2. August 2023 auf Disney+ erschien, sollten Taschentücher auf jeden Fall griffbereit sein.
Bei einem Angriff auf Knowhere durch den mächtigen Adam Warlock (Will Poulter, Midsommar) wird Rocket (Stimme in der deutschen Fassung: Fahri Yardim / Original: Bradley Cooper) schwer verletzt. Hinter all dem steckt die Sovereign-Hohepriesterin Ayesha (Elizabeth Debicki, Tenet), die mit den Guardians eine Rechnung offen hat. Die Zeit, um ihren treuen Freund zu retten, spielt gegen diese. Als sich Peter (Chris Pratt, Jurassic World), Drax (Dave Bautista, Glass Onion: A Knives Out Mystery) und ihre Freunde auf die Reise begeben, wird nach und nach enthüllt, wie tragisch Rockets Vergangenheit wirklich ist. Der waffenvernarrte Waschbär wurde nämlich ganz gezielt von der High Evolutionary erschaffen …
Eine schwere Geburt
Originaltitel | Guardians of the Galaxy Vol. 3 |
Jahr | 2023 |
Land | USA |
Genre | Action, Science-Fiction |
Regie | James Gunn |
Cast | Peter Quill / Star-Lord: Chris Pratt Gamora: Zoe Saldaña Rocket: Bradley Cooper Drax: Dave Bautista Groot: Vin Diesel Nebula: Karen Gillan Mantis: Pom Klementieff Kraglin Obfonteri: Sean Gunn High Evolutionary: Chukwudi Iwuji Adam Warlock: Will Poulter Hohe Priesterin Ayesha: Elizabeth Debicki |
Laufzeit | 150 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 2. August 2023 |
Leicht hatte Vol. 3 es nicht, das Licht der Welt zu erblicken. Wir erinnern uns: Im Mai 2017 hatte Marvel James Gunn aufgrund eines zehn Jahre alten Tweets rausgeworfen, in denen er sich auf fragwürdige Weise zu sensiblen Themen äußerte. Darauf hin warf DC die Angel aus und verpflichtete den Ensemble Film-Experten für seinen korrigerenden Film The Suicide Squad. Anfang 2019 konnten sich Disney und Gunn allerdings auf eine weitere Zusammenarbeit einigen (mit einem Proteststurm der Fans im Nacken), damit Gunn sein Baby fortsetzen durfte. Dennoch musste der Film zugunsten des DC-Projekts erst einmal nach hinten gestellt werden. Dann kam die Pandemie und so verschob sich das Produktion immer weiter nach hinten, um schließlich mit einem Start im Frühjahr 2023 zu enden. Zwischenzeitig waren auch schon erste Stimmen aus dem Cast aufgekommen, die sich negativ zu einer Fortführung ihrer Rolle über diesen Film hinaus äußerten. Sei es, weil ihnen der Sinn nach anderen Rollen stand (Dave Bautista) oder aber aus Loyalität zu James Gunn (Zoe Saldaña), der gleichzeitig mit diesem Film das Marvel-Flagschiff verlässt. Bedeutet das also zugleich einen Charaktertod? Wird der halbe Cast das Zeitliche segnen? Dinge, die wir an dieser Stelle nicht auflösen, über die sich das Internet allerdings Monate den Kopf zerbrach. Verraten können wir lediglich, dass während der Pressevorführung nicht gerade wenige Tränen im Saal gerollt sind. Vor allem aber ist der Abschied Gunns ein herber Verlust für das Marvel Cinematic Universe.
Was ist eigentlich mit dem Multiversum?
Aufgrund seiner Aussagen ist es kein Geheimnis, dass James Gunn völlige künstlerische Freiheit über seinen letzten MCU-Film hatte und nirgendwo anknüpfen musste. Dementsprechend schaut sich der dritte Film vollkommen losgelöst von den Ereignissen aus Phase 4 und 5 des MCU. Querverweise existieren fast nicht, und wenn da mal der Name Thanos fällt, ist das auch schon das höchste aller Gefühle. Das bedeutet auf der einen Seite, dass diejenigen, die nicht zu den Chronisten zählen, den Film ganz für sich stehend schauen können, ohne vorher ihre Checkliste auf Vollständigkeit zu prüfen. Gleichzeitig heißt das aber zudem, dass das Multiversum auch im zweiten Film von Phase 5 keine bemerkenswerten Schritte vorwärts macht. Etwas, das man auf anderer Ebene ankreiden muss. Dieser Film hätte ebenso in Phase 4 angesiedelt sein können, eine Rolle spielt das nicht. Es ist gleichzeitig auch schwer, von einer Guardians of the Galaxy-Trilogie zu sprechen, schließlich liegt Guardians of the Galaxy Vol. 2 sechs Jahre zurück und dazwischen befinden sich einige andere Filme, welchen großen Einfluss auf die Guardians und deren Konstellation nahmen. Da in den ersten beiden Filmen vor allem Star-Lord, Gamora und Nebula im Fokus stehen und sich das Guardians of the Galaxy Holiday Special Drax und Mantis widmet, liegt das Spotlight nun auf Rocket Raccoon. Groot gibt es natürlich auch noch, der hat allerdings in seiner Mini-Episoden-Serie Ich bin Groot alles gezeigt, was es aus der Figur noch herauszuholen gab. Hinzu kommen alle Nebencharaktere, die man noch so mit den Guardians verbindet, auch wenn sie häufig maximal für Gags herhalten wie etwa Space Dog Cosmo, der mit der Stimme von Maria Bakalova (Bodies Bodies Bodies) umso skurriler anmutet. Der einzige (für viele Comic-Fans mit Sicherheit nicht unerhebliche) Punkteabzug hängt mit der Weise zusammen, wie mit Adam Warlock umgegangen wird. Er wird als Witzfigur eingeführt, nimmt aber selten wirklich Raum ein. Zwar kriegt er hier und dort Momente, um zu scheinen, bleibt unterm Strich aber ein laues Lüftchen. Ein Bonus für das MCU, aber keine Bereicherung. Damit reiht er sich neben Figuren wie Hulkling, America Chavez und Cassie Lang, die zwar jetzt existieren, aber bislang keinen Fußabdruck hinterlassen durften.
Interaktions- und Emotionskünstler James Gunn
Wie schon die ersten beiden Filme zeichnet sich auch der dritte mit besonders viel Herz für die Charaktere und ihre Geschichten aus. Selbst wenn es über jemanden weniger zu erfahren gibt, achtet Gunn tunlichst darauf, jedem genügend Dialog mitzugeben und alle Anwesenden immer in jegliche Interaktionen einzubinden. Dafür gibt es viele leise Momente, die stärker herausragen als die dominierenden Actionausbrüche und somit die Szenen sind, die auch in Erinnerung bleiben. Der Plot ist offen gestanden vernachlässigbar: Mittels klassischer Wir-reisen-von-A-nach-B-um-C-zu-besorgen-Story wird die Laufzeit gefüllt. Bedrohung, Konflikt, Lösung. Dabei wird über Fragmente die Background-Geschichte von Rocket erzählt. Diese hat es in sich und bringt etliche ans Herz gehende Momente mit sich. Das ist vor allem deswegen besonders, da Rocket nun schon in einigen Filmen zu sehen war, selten aber etwas zum emotionalen Kern beitrug und eher zum Stichwortgeber aus der zweiten Reihe degradiert wurde. Das wird komplett auf den Kopf gestellt und an dieser Figur werden die Freundschaften innerhalb der Gruppe wirklich transparent. Etwas, das auch schon im Holiday Special Form annahm und nun perfektioniert wird. Wenn wir bei Marvel je wirklich zu Tränen gerührt waren, dann lag das immer an Charaktertoden oder traurigen Enden. Hier ist das nicht so, denn die herzzereissenden Szenen sind über die gesamte Laufzeit hinweg gut platziert. Apropos: Die erzählerische Struktur nimmt dem Publikum das Einschätzungsvermögen, wie weit vorangeschritten der Film wirklich ist, und wenn plötzliche das Finale da ist, fällt das zunächst gar nicht groß auf, um dann auch schon mit dem Abschluss zu überraschen. Hieran zeigt sich, dass die Highlights nicht unbedingt die Szenen sind, die die Geschichte vorantreiben, sondern kleckerweise auf dem Weg verteilt sind.
Look & Feel vor Action
An der Action-Front (und dafür zieht es noch immer viele Zuschauer:innen in die Kinos) passiert regelmäßig etwas und eine One-Shot-Sequenz bleibt da besonders hängen. Allerdings bleiben die ganz großen erinnerungswürdigen Highlights aus, bei denen man in zehn Jahren sagen wird “Damals in Guardians of the Galaxy Vol. 3 …”. Es sind eher die inszenatorischen Raffinessen, die Spaß machen, und der mitunter ziemlich bunte Look, wenn die Guardians in knalligen Raumanzügen auftreten. Das Production Design erinnert gelegentlich an Sci-Fi-Comis der 60er und 70er, was hier sehr organisch aufgegriffen wird, ohne sich gewollt anzufühlen. Mit seinen Welten und Getier setzt Gunn erneut Maßstäbe und rückt das MCU einmal mehr an die kreativen Schöpfungen von Star Wars heran. Etwas Hit-and-miss ist der Soundtrack, der nicht ganz so ikonisch daherkommt wie die beiden ersten Gunn-Werke. Aber erfreulich bleibt, dass fast alle Lieder tatsächlich zu Ende gespielt werden.
Fazit
Mit einer stattlichen Laufzeit von 2,5 Stunden einer der längsten und auch epischsten Einträge ins MCU. Wobei die Epik weniger dem Effekt-Spektakel oder etwa einem schier unbesiegbaren Feind zuzusprechen ist, sondern der hohen Emotionalität, die der Stoff hergibt. Behutsamkeit ist der Begriff, der dem allem am gerechtesten wird. James Gunn verhandelt seine Themen mit einem Höchstmaß an Respekt und Gefühl und jongliert mit seinem Figurenensemble, als sei es das Einfachste auf der Welt. Mit viel Liebe zum Detail ist ein perfekter Mix aus Musik, Action, Humor und großen Emotionen entstanden. Nur eben nochmal ein paar Schippen mehr als noch bei Guardians of the Galaxy Vol. 2. Dafür sind die Charaktere mittlerweile eben doch mehr ans Herz gewachsen und mitunter wesentlich filigraner herausgearbeitet als viele der Avengers-Mitglieder. Mit diesem Film wird das MCU wieder auf Kurs gebracht – und gleichzeitig wird sichtbar, wie groß der qualitative Unterschied zu Produktionen wie Ant-Man and the Wasp: Quantumania doch ist. Ein zukünftiger Fan-Favorit neben den Avengers-Filmen von Phase 3 und Spider-Man: No Way Home.
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