Hagazussa – Der Hexenfluch
Hagussa – das bedeutet ‘Hexe’ und damit ist auch schon alles Wichtige gesagt: Angesiedelt in einer Alpenwelt des 15. Jahrhunderts erzählt der Österreicher Lukas Feigelfeld die Geschichte einer einsamen Frau, die in völliger Abgeschiedenheit dem Wahnsinn verfällt. Parallelen zu Robert Eggers’ The Witch ergeben sich von selbst, doch die Produktion von Hagazussa – Der Hexenfluch dauerte stolze vier Jahre, inklusive eines Jahres Pause, bedingt durch Budgetarmut. Ohne die Unterstützung österreichischer oder deutscher Fördergelder konnte das Projekt dank Crowdfunding realisiert werden. Das Ergebnis ist ein wertvoller Genre-Beitrag, doch ein Massenkino wird bei dieser entschleunigten Hexensaga an seine Grenzen stoßen.
Österreich im 15. Jahrhundert: Ein kleines Alpendorf bietet den idealen Nährboden für ländliche Verblendung. Dort lebt die junge Albrun (Celina Peter) mit ihrer kranken Mutter (Claudia Martini), die von den Bewohnern des nahegelegenen Dorfes als Hexe gemieden wird. Nach dem Tod ihrer Mutter muss Albrun (nun: Aleksandra Cwen) alleine klarkommen. Doch der Aberglaube der Dorfbewohner richtet sich nun auch gegen Albrun, die sich fernab der anderen um ihre Ziegenherde kümmert und davon Milch verkauft. Für ihre Mitmenschen ist völlig klar: Albrun muss mit den bösen Mächten im Bunde sein und ist eine gerechtfertigte Zielscheibe. Eines Tages erhält sie vom örtlichen Pfarrer ein ungewöhnliches Geschenk: Den Schädel der toten Mutter. Plötzlich beginnen sich die Dinge um sie herum zu verändern…
Nicht The Witch
Originaltitel | Hagazussa – Der Hexenfluch |
Jahr | 2018 |
Land | Österreich |
Genre | Horror |
Regisseur | Lukas Feigelfeld |
Cast | Albrun: Aleksandra Cwen Albrun (jung): Celina Peter Mutter: Claudia Martini Swinda: Tanja Petrovsky |
Laufzeit | 102 Minuten |
FSK |
Fans von The Witch werden nicht zwangsweise ihre Freude an Hagazussa – Der Hexenfluch haben. Während The Witch für ein verstörendes Renaissance-Porträt des 17. Jahrhunderts sorgt, nimmt Hagazussa – Der Hexenfluch den Weg, der den längeren Atem erfordert und ruhiger erzählt ist. Der erzählerische Fokus liegt vor allem in der ersten Hälfte darauf, spätmittelalterliche Alpenwelt zu definieren. Dazu zählen die atemberaubenden Kulissen, die gleichzeitig für ein beklemmdes Gefühl sorgen: Nichts als Wälder und Wiesen umschließen Albruns Hütte und das Überleben unter den kargen Bedingungen. Zumindest in dieser Hinsicht sind sich beide Filme ähnlich: Auf Jumpscares wird vollständig verzichtet und der Grusel entsteht aus der immer dichten werdenden Atmosphäre, in welcher sich zunehmend Ungewissheit aufbaut.
Die zerstörerische Kraft religiösen Wahnsinns
Religion als Thema tritt zwar nicht gesondert auf die Bildfläche, wird jedoch unbewusst von allen Dorfbewohnern gelebt. Wenn die Kinder Albrun “Alte Hex'” schimpfen, wird klar, wie fortgeschritten der Aberglaube ist und welchen gesellschaftlichen Stand eine Frau wie sie hat. Einer weiteren Szene,
Es brodelt unter der Oberfläche
Albruns wachsende Paranoia überträgt Feigelfeld mit einem audiovisuellen Mix, der es in sich hat. Mal dominieren bildgewaltige Totalen, die nur erahnen lassen, was sich gerade abspielt, während sonst vor allem die Nahaufnahmen ein sehr lebhaftes Schauspiel zeigen. Viel gesprochen wird hier nicht, doch in den Mimiken der Darsteller passiert immer etwas. Die geringe zwischenmenschliche Interaktion fördert gleichzeitig auch das beklemmende Gefühl der völligen Isolation. Das dumpfe Grollen, welches die Tonspur für sich einnimmt, zählt zu den intensivsten Geräuschkulissen, die Horrorfilme in den 2010ern zu bieten haben. Geflüsterte Worte, ein feiner Atemhauch, pulsierendes Herzbeben. Jede Kleinigkeit könnte von Bedeutung sein und einen Gratmesser darstellen, wie es wirklich um Albruns Psyche steht. Leidet sie an einer Psychose? Kommuniziert der Schädel der Mutter mit ihr? Wie geht Albrun mit dem Verhalten ihrer Mitmenschen ihr gegenüber um und empfindet sie so etwas wie Zuneigung oder Interesse an anderen Menschen? Fragen über Fragen, die im Laufe der Handlung geklärt werden wollen. Multisensorische Effekte schärfen die Aufmerksamkeit des Zuschauers: Plätschernde Bäche, loderndes Feuer oder knisternde Äste erschaffen einen Klangteppich, der dem Zuschauer die Natur regelrecht einflößt.
Fazit
Hagazussa ist alles, nur kein typischer Unterhaltungsfilm. Dafür ein Erlebnis, welches sich auf eine positive Weise anfühlt wie ein Magengeschwür: Etwas Unbekannes wächst, nimmt ein, ekelt an, fesselt. Ein deutscher Kinostart scheint für das jumpscareverwöhnte konventionelle Publikum ein Schuss nach hinten zu sein, immerhin muss man sich auf diesen Film wahrhaft einlassen. Erzählerisch wie sprachlich. Die atemberaubenden Kulissen bieten Postkartencharakter und damit das ideale Setting für eine beklemmend verstörende Schauermär. Das Besondere an dem Film ist, dass er auch nach dem Sehen noch lange nachhallt, denn das Gesehene will verarbeitet und interpretiert werden. Ein starkes Regiedebüt, welches jedoch nur ein Nischenpublikum erreichen wird. Kurzum: Höchst polarisierend und damit in Erinnerung bleibend.