James Bond 007: Keine Zeit zu sterben
‘Ein Agent kommt niemals zu spät, ebensowenig zu früh. Er kommt genau dann, wenn er es für richtig hält.’ Allerdings würde im Falle von James Bond wohl selbst der wohlwollendste Bösewicht betont ungehalten zum Kalender schielen, während sein längst eingeschlafener Finger über dem Weltuntergangsknopf kreist. Ursprünglich hatte die Welt in Keine Zeit zu sterben schon im November 2019 gerettet werden sollen, aber ein Regie-Wechsel zögerte das Ganze zunächst auf Februar, dann auf April 2020 hinaus. Anstatt nun brav auf Rettung auszuharren, quittierte die Welt die Verzögerung mit der Corona-Pandemie, die aus der dramatischen Last Minute-Rescue eine One-Year-Give-or-Take-Rescue machte. Doch dann hatte das Warten schließlich ein Ende. Die Welt war bereit sich retten zu lassen, Regisseur Cary Joji Fukunaga (Jane Eyre) gab der Operation den Startbefehl und im September 2021 zog James Bond alias Daniel Craig (Knives Out – Mord ist Familiensache) zum fünften, aber auch letztem Mal aus, um Anzüge zu tragen, Martinis zu schlürfen, One-Liner zu trällern und etliche Auto-Familien auseinander zu reißen. Aber erwartet den geneigten craig’schen Bond-Saga-Fan ein rührender Abschluss oder bleibt am Ende nur Kopfschütteln zurück?
Nachdem er in Spectre Blofeld (Christoph Waltz, Django Unchained) aus allen Wolken und einem Helikopter geholt hat, düst James Bond (Daniel Craig) mit erstaunlicherweise am Leben gebliebenen Love Interest Madeleine Swann (Léa Seydoux, Blau ist eine warme Farbe) in den Sonnenuntergang und in eine Zukunft voller Friede, Freude und ohne explodierenden Gift-Eierkuchen. Den Anzug samt Waffe an den Nagel hängend wartet nun nur noch das Abenteuer der Pension. Um ein paar verbliebene emotionale Fäden zu kappen, machen Swann und Bond einen Abstecher nach Süditalien. Nicht alleine wegen des schönen Wetters, sondern weil dort das Grab von Bonds Ex-Freundin Vesper Lynd liegt, die dereinst in Casino Royale definitiv genug Zeit hatte, zu sterben. Eine tote Ex-Freundin klingt nicht nur wie ein Bombenstart in eine neue Beziehung, sondern ist es ganz wortwörtlich. Anstatt dem Doppelnull-Agenten den geruhsamen Lebensabend zu gönnen, schicken sich Assassinen von Spectre an, ihn für seine hartverdiente Rente doppelt und dreifach arbeiten zu lassen. Verständlicherweise reagiert der Ex-Agent latent ungehalten und beschert einigen Stadtreinigern den Job ihres Lebens. Bond sieht dafür sein eigenes Leben mit Swann für beendet, denn für ihn riecht all das nicht nur nach Blei und verbrannten Gummi, sondern vor allem nach Verrat. Und so zieht er allein von dannen, um glücklich und zufrieden bis ans Ende seiner Tage zu leben. Bis eines Tages mal wieder eine Biowaffe ungünstig den Besitzer wechselt …
James Bond-Komplettpaket
Originaltitel | No Time To Die |
Jahr | 2021 |
Land | USA, Großbritannien |
Genre | Action-Thriller |
Regie | Cary Joji Fukunaga |
Cast | James Bond: Daniel Craig Madeleine Swann: Léa Seydoux Nomi: Lashana Lynch M: Ralph Fiennes Lyutsifer Safin: Rami Malek Paloma: Ana de Armas Q: Ben Whishaw |
Laufzeit | 163 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 16. Dezember 2021 |
Keine Zeit zu sterben liefert alles, was auf einem Bond-Film-Einkaufszettel vermerkt sein könnte. Knallige Action? Check. Autos mit und ohne Landminen-Verteiler? Stylisch-wirres in Metaphern getränktes Opening? Check. Geexte Martinis? Check. Gadget-Sammelsurium? Check. One-Liner, die an der Grenze zum Würgegriff durch die Leinwand stehen? Check. Ein weltenbedrohender Bösewicht mit Privatarmee und Handlanger mit seltsamen Gimmick? Check, check und nochmals check. Es ist schlicht und ergreifend alles da und es macht Spaß, alles im Groß- und Breitformat in die Luft fliegen zu sehen. Egal ob Autos, Boote oder die Hutschnur seiner Vorgesetzten. Bond drückt freudig auf den Zündknopf und präsentiert sich als launiger Film-Film, soll heißen: Ein Film, bei dem man das Gefühl hat, dass es sich gelohnt hat, ihn von dem Popcorngeruch geschwängerten Sitz eines Kinosaals und nicht der heimischen Couch gesehen zu haben. Er fühlt sich auf der Leinwand schlicht richtig an, unterhält über die (ordentlich mit Überlänge bedachte) Laufzeit und gerade nach pandemiebedingter Auszeit geht man höchstwahrscheinlich mit zufrieden grinsenden Beißern aus dem Saal.
Ein Spion, der irgendwie liebte
Außer wenn man sich an der Richtung stört, in der der Film beziehungsweise die komplette craig’sche Bond-Saga die Figur geschubst hat. Der Spion mit der Lizenz zum Spontan-Koitus hat schon so manche Iteration hinter sich und umso mehr Betten. Jede Variante hat der Figur eine eigene Facette gegeben, im Kern blieb aber der charmant-machomäßige Männerwunschtraum, der mit einem Lächeln Kleider und Bösewichte zum Fallen bringt. In den aktuelleren Filmen, beginnend mit Casino Royale und letztlich hier in Keine Zeit zu sterben gipfelnd, wird versucht der Figur ein wenig mehr Menschlichkeit, Verletzlichkeit und Emotion einzuimpfen; alleine daran zu erkennen, dass sich Bond tatsächlich an den Namen eines Love-Interests über mehrere Filme hinweg erinnern kann. Liebe und Verlust sollen dem martinigetränkten Casanova endlich etwas bedeuten, woran auch vorherige Filme gearbeitet haben, aber so richtig wollen die emotionalen Höhepunkte nicht zünden und schieben James Bond eher in die Richtung etlicher anderer Rauhbein-Actionhelden-mit-total-knuffelig-weichem-Kern. Mit Figuren zu experimentieren ist immer ein lobenswerter Versuch, aber bleibt hier letztlich eben das.
Der Mann mit dem starren Blick
Neben der missglückten Neu-Charakterisierung Bonds gibt es noch andere Störfaktoren. Da wäre zum einen die Figur von Nomi (Lashana Lynch, Captain Marvel), die in der von Assassinen verfolgten Abwesenheit Bonds Platz und Nummer eingenommen hat und aus irgendeinem Grund darauf besteht, ihm das an jeder Stelle unter die Nase zu reiben. Das ist insofern doppelt schade, da sie zum einen die Sympathie der eigenen Figur als auch die Idee einer weiblichen Doppel-Null, quasi einer Blondine, gleichzeitig torpediert. Was allerdings keineswegs an der Schauspielerin selbst, sondern vielmehr am unglücklichen Skript liegt, das sie wirken lässt wie die Klassenbeste, die nach Arbeitsrückgabe einmal einen 1er-Beschau-Rundgang durch die Reihen macht. Problemfigur Nr. 2 wird ebenfalls vom Drehbuch misshandelt, wobei hier auch in Richtung Schauspieler eine fragende Braue gehoben werden kann. Lyutsifer Safi, von Rami Malek (Bohemian Rhapsody) verkörpert, sitzt im tiefsten ‘Wir sind nicht so verschieden, du und ich’-Bösewicht-Klischeetopf, aus der er nur mäßig bedrohlich herausstarrt. Wobei die blinzellose Augenpenetration nicht so sehr einschüchternd wirkt, sondern mehr als würde er seinen Gegenüber zunehmend nervös dabei beobachten, wie er sich mit Chipsfett gewürzten Händen seiner Giftschmetterlingssammlung nähert. Der schwache Auftritt des neuen Hauptkontrahenten wirkt dabei umso schwerer, wenn man ihn mit dem Kurzauftritt von Waltz’ Blofeld vergleicht, der sich vielmehr als finaler Bondgegner anfühlt, als der gepresst wispernde Malik.
Fazit
Keine Zeit zu sterben ist ein ordentlicher fürs Kino gemachte Blockbuster-Bond, dem mit Blick auf Story und emotionalen Payoff die Munition ausgeht. Die neue Richtung, in die der britische Meisterspion getrieben wird, wirkt schlicht nicht überzeugend und wer einmal zu oft über die Geschichte nachdenkt, wird mehr Löcher finden als in dem armen Tropf, der in der ikonischen Bond-Eingangssequenz andauernd angeschossen wird. Schwerer wirkt für mich persönlich aber eher der schwache Kontrahent, der sich nicht wirklich als finaler Boss, sondern bestenfalls als Türsteher eignet. Trotzdem: Keine Zeit zu sterben hat mir ziemlich viel Spaß gemacht. Ich mag schlicht die typische Bond-Formel mit seltsamen Gadgets, Weltuntergangsplänen, seien es Goldverseuchungen, Weltraumlaser oder Nano-Superviren, und Katze streichelnden Bösewichten mit Vulkanlabor. Die ernster-emotionale Richtung will da schlicht nicht passen und es wirkt, als würde sich der Film damit selbst ein bisschen im Weg stehen. Einen Kino-Gang ist er aber definitiv wert; die Action ist schön wuchtig eingefangen und inszeniert, kleinere Gags und Spielereien sind ebenfalls mit von der Partie. Es reicht nicht auf meine Bond-Favoritenliste, aber erkämpft sich seinen Platz im angenehmen Mittelfeld. Jetzt bin ich auf jeden Fall gespannt, wer als nächstes über den Bildschirm schleichen und den armen Kameramann durchlöchern darf.
Zweite Meinung
Nach all den Verschiebungen und chaotischen Produktionsumständen ist es ein Segen für alle Kinos, dass dieser Film nicht als Streaming-Ramschware endet, sondern die Präsentation erhält, die er verdient. Keine Zeit zu sterben wird sich in der allgemeinen Wahrnehmung wohl vor Ein Quantum Trost und Spectre, aber noch immer hinter Casino Royale und vor allem Skyfall einsortieren. Für die lange Laufzeit existiert angenehm wenig Leerlauf und in Sachen Kulissen ist auch für Abwechslung gesorgt, auch wenn sich die Highlights in der ersten Hälfte befinden. Schade ist, dass mit den Figuren so fahrlässig umgegangen wird: Während die Geschichte um James und Madeleine noch funktioniert, ist Nomi einfach nur nerviges Beiwerk, das wohl kaum einen Sympathiensturm entfachen wird. Von Lyutsifer Safin (was für ein Name!) wollen wir da gar nicht erst reden, denn bei ihm handelt es sich um einen der schwächsten Bond-Gegner der gesamten Geschichte. Als Bond-Mission also alles in allem recht mittelmäßig. Dafür reißt die Inszenierung ungemein viel heraus und Daniel Craigs kohärente Darstellung der Figur tut ihr Übriges. Dem Film zu Gute halten darf man, dass keinem James Bond-Darsteller auf dem 007-Tableau zuvor ein Finalfilm vergönnt war und alleine schon deswegen dramaturgisch eine Menge herausgeholt wird.
© Universal Pictures
Veröffentlichung: 16. Dezember 2021
Ein Segen für die Kinos ist der Film absolut. In den Stuttgarter Innenstadtkinos läuft Keine Zeit zu sterben seit Start quasi in Dauerschleife und man merkt, dass dieser endlich mal wieder größere Massen ins Kino zieht.
Mir persönlich hat der Teil auf jeden Fall sehr gut gefallen und als Abschluss für Craigs Bond passt der Film wunderbar. Die emotionalen Momente kommen ja nicht bei jedem gut an, aber mir haben sie wirklich gefallen, zumindest hätte ich nie gedacht, mir mal bei einem James Bond-Film die Tränen verdrücken zu müssen. Die Story zwischen Bond und Madeleine ist wenig überraschend, aber recht gut gemacht. Auf Nomi hätte ich hingegen verzichten können, denn auch wenn sie mir nach einiger Zeit nicht mehr auf die Nerven ging (Diese ‘Ich-bin-jetzt-007-Ätsch’-Attitüde ist echt furchtbar), hinterließ sie einfach keinen sympathischen Eindruck. Zum Bösewicht wurde schon alles gesagt, der ist aus der tiefsten Klischee-Grabbelkiste und wirklich schwach geworden.
Highlight sind natürlich die genialen Gadgets und die Action-Szenen, auch wenn das beste Pulver in der ersten Hälfte verschossen wird. Dazu dann noch die Musik von Hans Zimmer (und der fantastische Titelsong von Billie Eilish) und die generell hochwertige Inszenierung, sodass Keine Zeit zu sterben rein vom Feeling mein bisher liebstes Kino-Erlebnis des Jahres ist, sowas gehört einfach auf die große Leinwand.
Kann gut verstehen, was du mit dem Feeling meinst. Das wäre bei mir Spectre, der Film hat mich am meisten mitgerissen, obwohl er sicherlich kein Überflieger ist. Einfach die Inszenierung.
Welche Gadgets meinst du? Mir ist dieses Mal wirklich gar nichts in Erinnerung geblieben, leider. Außer vielleicht das Panzerglas des Autos, mit dem Bond da ohne auch nur eine Mine zu zucken herumsitzt, als von allen Seiten auf ihn geschossen wird. Ist mir aber eine ganze Spur ZU cool.
Die Inszenierung kann bei so einem Film wirklich viel rausreißen, gerade auf der großen Leinwand und mit entsprechendem Sound-System. Einer der Gründe, warum ich froh bin, dass man jetzt wieder vermehrt ‘klassische’ Kinoveröffentlichungen hat.
Ich meine vor allem die Gadgets am Auto, speziell die Maschinengewehre aus den Scheinwerfern. Ist natürlich genau genommen nichts Neues/Besonderes und da hatten andere Bond-Teile schon spektakulärere Gadgets zu bieten, aber persönlich finde ich solche Spielereien am Auto einfach immer besonders cool.
Die Panzerglas-Szene finde ich allerdings auch bei aller Coolness fast etwas zu over the top und hat Bond fast kindisch erscheinen lassen, weil er damit ja eigentlich Madeleine, auf die er gerade sauer war, gefährdet hat.
But why?
Because Nanoboooots!