JGA: Jasmin. Gina. Anna.
JGA. Nicht nur die Initialen der drei Heldinnen Jasmin, Gina und Anna. Sondern auch ein flottes Kürzel für einen sperrigen Begriff. JunggesellInnenAbschied. Einst gab es vor der Hochzeit nur den Polterabend. Mittlerweile hat auch in Deutschland die anglo-amerikanische Sitte Fuß gefasst, den Übergang vom Single-Dasein zum Ehedasein zu feiern, indem man, bzw. frau vor der Hochzeit an einem Abend noch einmal alles das tut, was nach dem Schritt ins verheiratete Erwachsenendasein möglicherweise nicht mehr geht. Mit andern Worten, man lässt es noch mal richtig krachen. Nach Geschlechtern sortiert, der Bräutigam feiert mit seinen Kumpels, die Braut mit ihren besten Freundinnen. Aber durchgeplanter Exzess ist einfach kein Garant für exzessiven Spaß, das müssen die Protagonistinnen in dem charmanten Film von Alireza Golafshan (Die Goldfische) schnell feststellen. Am 5. August 2022 feiert die bittersüße Komödie um die Ängste und Komplexe Münchner Anfangsdreißigerinnen ihren Heimkino-Release.
Die drei Münchnerinnen Jasmin (Luise Heyer, Der Junge muss an die frische Luft), Gina (Taneshia Abt, Nightlife) und Anna (Teresa Rizos, Spätzle Arrabiata) haben einen Plan. Wieder einmal verabschiedet sich eine ihrer Freundinnen ins Eheleben, aber diesmal soll es vor der Hochzeit eine ganz große Abschieds-Sause geben. Komplett mit rosa Stretchlimo, rauschender Club-Nacht und Brautentführung nach Ibiza. Doch von den geladenen Freundinnen der Braut kommt keine, alle sind zu beschäftigt mit dem Nachwuchs. Und die Braut selbst ist schwanger und muss schon vor dem ersten Drink passen ‒ Schwangerschaftsübelkeit. Na gut, dann eben Ibiza ohne Braut, beschließen die drei zwischen Frust und Trotz. Auf der Party-Insel geht die Pechsträhne weiter: kein Hotel, Koffer weg, Kreditkarten weg. Der Zufall will es, dass die drei Pechvögel drei jungen Männern über den Weg laufen, die ebenfalls einen Junggesellenabschied auf Ibiza feiern. Und der Bräutigam ist just jener Tim, den Jasmin seit Jahren nicht vergessen kann …
Pleiten, Pech und Pannen
Originaltitel | JGA: Jasmin. Gina. Anna |
Jahr | 2022 |
Land | Deutschland |
Genre | Komödie |
Regie | Alireza Golafshan |
Cast | Jasmin: Luise Heyer Gina: Taneshia Abt Anna: Teresa Rizos Tim: Dimitrij Schaad Simon: Trystan Pütter Stefan: Axel Stein |
Laufzeit | 119 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 5. August 2022 |
Wann ist wohl das Phänomen JGA in Deutschland aufgeschlagen? Eigentlich eine ganz einfache Idee. Vor der Hochzeit nochmal einen Abend Spaß mit den Mädels. Beziehungsweise den Jungs. Aber was braucht man nicht alles für einen richtigen JGA? Neonfarbene Tüll-Outfits mit blinkendem Kopfschmuck für alle Teilnehmerinnen. Einen schleifchengeschmückten Riesenpimmel zum Aufblasen. Eine Stretchlimo in pink. Jede Menge Sekt und bunte Cocktails. Flugtickets nach Ibiza. Eine Ausstattungschlacht allererster Güte und jedes Requisit kreischt “Wir sind Mädels und wir haben Spaß!” So laut, dass man sich fragt, ob Inszenierung und Realität dabei überhaupt Berührungspunkte haben. Regisseur Alireza Golafshan demontiert das neonrosa Klischee, indem er einen Junggesellinnenabschied zeigt, bei dem so gar nichts funktioniert. Sekt: warm. Stretchlimo: von den vorigen Fahrgästen eklig-klebrig hinterlassen. Club-Nacht: nach einer halben Stunde zu Ende. Der bestellte Stripper: kein Adonis, sondern ein dickliches Männlein mittleren Alters, dessen Selbstvertrauen aufgepäppelt werden muss. Ibiza-Trip: mittellos gestrandet im Ferienparadies. Aber wir müssen doch Spaß haben! Nun können prinzipiell die heißesten Partys auch ohne einen Pfennig Geld und an einer nächtlichen Straßenecke steigen, wenn die Feiernden in der richtigen Stimmung sind. Sind sie aber nicht, da hilft kein rosa Tütü. Verunsicherte Wesen zwischen Angst vor dem Erwachsenwerden und der noch größeren Angst, keinen abzukriegen, klammern sie sich an die Fiktion von großen Spaßwochenende umso mehr, je weniger es funktioniert.
Einfache Schablonen, pfiffig gefüllt
Erstmal kommen Plot und Figuren recht schematisch daher: Gina ist laut und dominant, Anna ist verpeilt und New Age-affin, Jasmin kann immer nur an Tim denken. Ähnlich holzschnittartig die Männer. Tim, der unentschiedene Beziehungszweifler, Stefan, der Geizkragen, Simon, so verpeilt wie Anna. Und dass die JGA-Damen ausgerechnet den JGA-Herren über den Weg laufen, Bräutigam Tim sich als Jasmins nie vergessener Ex herausstellt und er sie fälschlicherweise für die Braut hält… Komödienmechanik der eher schlichteren Sorte, die für die Lacher sorgt, die so ein Uhrwerk eben produzieren kann. Aber nicht nur. Dass nach den Gesetzen der Symmetrie nun Jasmin doch noch zu Tim findet, wird angetriggert, aber zum Glück doch vermieden. Ja, die beiden verstehen sich gut. Aber wenn Mister Nähevermeider und Miss Klammeräffchen vor acht Jahren nicht zueinander gefunden haben, dann tun sie es jetzt auch nicht. Dafür können sie miteinander reden, sehen die Dinge klarer und wachsen dem Zuschauer ein wenig mehr ans Herz. Und auch die anderen entwickeln sich aus ihrem schlichten Raster zu runderen Figuren. Gina etwa, deren energisch-lautstarke Art einfach nie den Erfolg hat, den sie sich davon verspricht, bis es zu einem tiefgehenden Freundinnen-Zerwürfnis mit Jasmin kommt. Oder die Herrenriege, die genauso wenig mit Sex, Drugs and Rock and Roll anfangen kann wie die Frauen.
Fazit
Ein Film, der einen sehr weiten Spagat wagt. Zwischen recht bodenständigem Humor an der Grenze zur Albernheit einerseits und melancholischen Psychogrammen frustrierter Großstädterinnen andererseits, die schon fast an Woody Allen erinnern. Komischerweise funktioniert beides, ohne dass es das jeweils andere dumm da stehen lässt. JGA schafft es, dass seine Figuren sich immer wieder prächtig zum Affen machen und dennoch immer wieder glaubwürdige Sätze über das Leben und die Liebe fallen lassen. Das ist für eine Filmkomödie schon ein Leistung. Und wo kann man diesen wunderbaren liebenswert-unerotischen Stripper buchen? Der muss auf jeden Fall bei meinem nächsten Schnapszahl-Geburtstag auftreten!
© LEONINE
Veröffentlichung: 5. August 2022