Das Versteck
Manchmal ist es besser, Kurzgeschichten einfach so zu belassen, wie sie sind. In vielen Fällen aber hält es irgendjemand für eine gute Idee, aus einer kurzen Geschichte einen Spielfilm zu drehen. In nicht jedem (um nicht zu sagen: nur ganz seltenen) Fall ist das eine gute Idee. Das Versteck, das Regie-Debüt des Spaniers Pascual Sisto, der eigentlich als bildender Künstler tätig ist, ist ein gravierender Fall. Da wird eine kleine Idee auf 98 Minuten Spielzeit aufgepumpt – allerdings in einer wenig sinnhaften Variante. Weshalb das nicht funktioniert, kann auf dem Fantasy Filmfest 2021 begutachtet werden, wo der Film im Rennen um den Fresh Blood-Award zu sehen ist. Die deutsche Lizenz hat sich Koch Films gesichert.
John (Charlie Shotwell, The Nightingale) ist ein ruhiger Junge, der mit seiner Drohne ein geheimnisvolles Loch mitten im Waldboden entdeckt. Fasziniert von diesem Fund keimt eine neue Idee: Wieso nicht die eigene Familie dort einfach loswerden? Einen Morgen später erwachen Vater Brad (Michael C. Hall, Dexter), Mutter Anna (Jennifer Ehle, Contagion) und seine Schwester Laurie (Taissa Farmiga, The Nun) in jener Grube. Freundlicherweise mit ein paar Kissen und etwas Nahrung, aber keiner Möglichkeit, ihrem Gefängnis wieder zu entkommen. Erst langsam dämmert ihnen, dass der ungesprächige John sein Vorhaben ernst meint.
Grenzen des sozialen Verhaltens ausloten
Originaltitel | John and the Hole |
Jahr | 2021 |
Land | USA |
Genre | Drama |
Regie | Pascual Sisto |
Cast |
John: Charlie Shotwell
Laurie: Taissa Farmiga Anna: Jennifer Ehle Brad: Michael C. Hall John: Charlie Shotwell Paula: Tamara Hickey |
Laufzeit | 98 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 26. August 2022 |
John macht das, was alle Jungen in seinem Alter machen, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen: Grenzen ausloten. Nur wählt er dafür eine höchst seltene Methode. Damit ist auch schon der gesamte Film zusammengefasst, denn wesentlich mehr passiert nicht. Weder wird erklärt, wie es ihm gelingen konnte, seine Familie in ein sechs Meter tiefes Loch zu befördern, noch, weshalb die Familienmitglieder von all dem wirklich nichts mitbekommen konnten oder gar irgendwelche Blessuren davontragen. Insgesamt macht es sich das Drehbuch verdammt einfach, denn der schnell erzählte Plot wird eben auch nicht weiter bedient. Die Inhaltsangabe stellt somit den gesamten Film dar. Es folgt keine Einordnung, keine Bewertung. Und John? Der schaut einfach, wie er seine verschwundene Familie am besten unbemerkt lässt. Fertig.
Parabel auf das Erwachsenwerden
Man könnte John nun als Sonderling abstempeln, allerdings blüht er in Abwesenheit der Familie regelrecht auf. Viel seltsamer sind da die Familienmitglieder, welche die Situation mit einer stoischen Ruhe einfach aussitzen. Der Film gibt so manches Rätsel auf, unternimmt aber keine Anstalten der Erklärung. Das Versteck erweckt damit eher den Anschein einer sachlich-nüchternen Dokumentation. Alles bleibt auf Distanz. Natürlich: Die Geschichte stellt eine Parabel dar. Die Auflehnung eines Kindes gegen die Welt der Erwachsenen, gleichzeitig aber des schnelleren Auf-sich-selbst-gestellt-seins. Mehr gibt es nicht zu erzählen. Es bleibt bei einer Wirkung und was man damit anfängt, bleibt am Ende jedem selbst überlassen. Die Auflösung könnte unspektakulärer nämlich nicht sein. Fairerweise will aber gesagt sein, dass zumindest die technischen Komponenten überzeugen: Kamera und Schnitt zeugen von Sistos technischer Kompetenz.
Fazit
Das Versteck lässt sich kaum in ein Genre richtig einordnen. Für Horror passiert schlichtweg nichts. Um ein Drama zu sein, müsste überhaupt erst einmal etwas mit den Figuren stattfinden. Es gibt einfach nur eine Idee, um die wenig herumerzählt wird, um die Laufzeit von 98 Minuten zu füllen, die sich inhaltlich kaum vom Fleck wegbewegen. Spannung existiert nicht, stattdessen wird man allenfalls am Dranbleiben gehalten, um zu schauen, welches Ende die unaufgeregte Geschichte wohl nehmen mag. Nur um dann festzustellen, dass es sich nicht einmal dafür lohnt.
© Koch Films
Veröffentlichung: 26. August 2022