John Wick
Einer jener Filme, die gerade deshalb so gut sind, weil man sie in einem Satz zusammenfassen kann: Ein Mann nimmt Rache. Alleinstellungsmerkmal ist erstmal eine winzige Variation über das Thema: Ein Mann nimmt Rache für den Tod …seiner Liebsten? … seines besten Freundes? … seiner Familie? Seines Hundes. Aber für diesen Hund wird ein ganzes Mafia-Imperium untergehen. 2014 ballerte sich Keanu Reeves (Matrix) als rachedürstender Ex-Auftragskiller John Wick durch ein elegant designtes Film Noir-New York. Und obwohl die Geschichte nach gut 100 Minuten großartiger Kampfchoreographien und knapper, wie in Marmor gehauener Dialogzeilen eigentlich zu einem runden Ende kam, war die düster-phantastische Welt von John Wick offenbar so verführerisch, dass 2017 John Wick Kapitel 2 folgte und für Mai 2019 John Wick Chapter 3 – Parabellum in den Startlöchern sitzt.
Als Iosef Tarasov (Alfie Allen, Game of Thrones) ein Auto sieht, das ihm gefällt und der Besitzer nicht verkaufen will, tut er, was ihm als Kronprinz eines Russenmafia-Clans nur als altersgemäßer Zeitvertreib erscheint. Er verprügelt den Kerl, erschlägt seinen lästig kläffenden Köter und schnappt sich das Auto. Dass das die schlechteste Idee seit der Eroberung von Winterfell durch Theon Greyjoy war, muss ihm erst sein Papa, der Herrscher der New Yorker Unterwelt erklären. Und da ist es schon zu spät. Denn der unauffällige Witwer aus der Vorortvilla, den Iosef überfallen hat, ist ein legendärer Auftragskiller, dessen Taten einst den Aufstieg von Iosefs Vater Viggo Tarasov (Mikael Nyquist, Verblendung) ermöglichten, bevor er sich aus dem Geschäft zurückzog und fünf glückliche Jahre mit seiner Frau Helen verbrachte. Und nun ist Helen an einer unheilbaren Krankheit gestorben und das Hündchen Daisy war ihr letztes, posthumes Geschenk an ihren trauernden Mann. Viggo Tarasov weiß genau, was jetzt geschehen wird: John Wick holt seine unter dem Kellerfußboden einbetonierte Killer-Ausrüstung hervor und macht sich auf die Jagd nach dem Hundemörder. Sein Vorgehen ist denkbar simpel: er mäht einfach jeden nieder, der sich zwischen ihn und Iosef stellt, methodisch, präzise und gnadenlos. Viggo Tarasov schmiedet zwar Pläne, um seinen Sohn zu schützen, doch was er auch aufbietet, nichts kann John Wick aufhalten, weder ein Schlägerkommando, noch ein Nachtklub voller Leibwächter, noch das Engagieren der teuersten Auftragsmörder der Branche.
Daisy, Daisy
Originaltitel | John Wick |
Jahr | 2014 |
Land | USA |
Genre | Action, Film Noir |
Regisseur | Chad Stahelski, David Leitch |
Cast | John Wick: Keanu Reeves Viggo Tarasov: Alfie Allen Marcus: Willem Dafoe Winston: Ian McShane Ms. Perkins: Adrianne Palicki Charon (Hotelmanager): Lance Reddick Aurelio: John Leguizamo Helen Wick: Bridget Moynahan |
Laufzeit | 101 Minuten |
FSK |
Natürlich geht es nicht um einen Hund. Es geht um eine Frau. Oder, genauer gesagt, um den Verlust von Licht, Wärme und Liebe, alles wofür die Frau im Leben des Mannes zuständig war. Das weckt die dunkelsten Kräfte im Mann, er zieht in den Kampf gegen die Finsternis der Welt und wenn er alles erledigt hat, was zu tun war, stirbt er entweder tragisch oder er kann geläutert in ein neues Leben schreiten. Das mag abgedroschen klingen und aus Gender-Perspektive gäbe es dazu eine Menge zu sagen. Aber richtig eingesetzt kann es ein erstklassiger Handlungsmotor sein. Zum Glück nimmt der Film sein Handlungsmuster so ernst, dass er es nicht nur rasch abhakt, um schnell zu den Actionszenen zu kommen, sondern es eine halbe Stunde lang in einer Collage aus Rückblicken und Gegenwartsgeschehen ausmalt, bis die erste große Kampfchoreographie kommt. Es gibt zwar eine Anreisser-Szene, aber die ist kein Action-Appetithäppchen, sondern nimmt eher den emotionalen Schlussakkord vorweg. Das Finale ist offenbar schon vorüber, ein schwerverletzter Mann kriecht aus einem Auto und sieht sich mit letzten Kräften auf seinem blutverschmierten Handy das Video eines glücklichen Paares am Strand an. Dann geht es in die Vorgeschichte. Wenig Worte fallen, dafür wird geschickt mit filmischen Mitteln erzählt. In kühlem, graublauem Licht erwacht der Mann allein in einem Haus voller Hinterlassenschaften einer Frau, die nur in den warmen Tönen kurzer Rückblickszenen auftaucht. Sie hinterlässt eine Tasse mit einen Gänseblümchen darauf, ein Armband aus silbernen Gänseblümchen, eine Karte mit Gänseblümchen-Motiv und ein Hündchen, das ein Halsband mit Gänseblümchenanhänger trägt. Natürlich nennt der Mann den Welpen Daisy – Gänseblümchen – und Daisy ist so liebenswert und anhänglich, dass auch ein emotional schwer angeschlagener Mensch wie John Wick sich ihrem Kulleraugencharme öffnen kann.
Zweitwichtigste Person: Der Gegner
Den Kerl, der sich an diesem Tier vergreifen wird, kann man nur noch hassen. Sorgfältiger Figurenaufbau zahlt sich aus: Obwohl John Wick ohne zu zögern dutzende Menschen töten wird, während Iosef Tarasov nur Autodiebstahl, schwere Körperverletzung und Gemeinheit zu Hundewelpen zu verantworten hat, sind alle Sympathien bei dem gnadenlosen Racheengel und niemand möchte Iosef überleben sehen.
Interessanterweise ist Iosef nicht John Wicks eigentlicher Gegenspieler. Er löst den Rachefeldzug zwar aus. Aber der Mann, der das Spiel aufnimmt, Gegenangriffe in Gang setzt und Dialogmomente mit John Wick hat, ist nicht Iosef, sondern sein Vater Viggo, der – hübsch parallel konstruiert – seinerseits für das kämpft, was in seinem Leben den emotionalen Lichtpunkt darstellt. Eine Mrs Tarasov gibt es nicht, nur seinen nichtsnutzigen Sohn, den es zu schützen gilt, egal was es kostet. Darum wird er auch John Wicks Endgegner, während Iosef schon eine halbe Stunde vor Ende des Films von John Wick wortlos niedergemäht wurde. Freunde der Symmetrie dürfen sich auch auf das Ende freuen, das das Spiel mit Motiven und Symbolen folgerichtig weitertreibt:
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