Knives Out – Mord ist Familiensache
Wie schnell sich das Blatt wenden kann: Ende 2017 war Rian Johnson noch für seine Arbeit an Star War: The Last Jedi die meistgehasste Person des Internets. Mit Knives Out – Mord ist Familiensache lieferte er hingegen zwei Jahre später einen Volltreffer ab, der ihm nicht nur Nominierungen bei den Golden Globe Awards einbrachte, sondern auch die Kinokassen klingeln ließ. Abseits von Franchise-Filmen und Remakes konnte er sogar den dritterfolgreichsten Original-Film von 2019 in den USA etablieren (nur Once Upon A Time … In Hollywood und Wir konnten noch mehr Zuschauer finden). Hält man sich jetzt noch vor Augen, dass der US-Kinostart auf den 27. November fiel, ist das Ergebnis umso beachtlicher. Deutsche Zuschauer mussten hingegen den Jahreswechsel abwarten und konnten den kaum Wünsche offen lassenden Whodunit-Titel ab dem 2. Januar 2020 genießen.
Eben noch feierte der renommierte Krimiautor Harlan Thrombey (Christopher Plummer, The Insider) seinen 85. Geburtstag und nur wenige Stunden später ist er tot. Trotz zahlreicher Gäste wollen weder die Verwandschaft noch das Hauspersonal etwas gesehen haben. Ein Fall für den hinzugerufenen Benoit Blanc (Daniel Craig, James Bond 007 – Skyfall). Niemand weiß, wer der Auftraggeber des lässigen Privatdetektivs ist und seine Ermittlungen werden durch fehlende Kooperation der Gäste schwer beeinträchtigt. Wer steckt hinter dem Mord des Familienpatriarchs? Blanc begibt sich in dichtes Netz aus Lügen und Ablenkungsmanövern …
Ein Originaldrehbuch pustet den Staub von einem betagten Genre
Originaltitel | Knives Out |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Genre | Mystery, Crime |
Regie | Rian Johnson |
Cast | Benoit Blanc: Daniel Craig Marta Cabrera: Ana de Armas Hugh Ransom Drysdale: Chris Evans Harlan Thrombey: Christopher Plummer Detective Lieutenant Elliot: Keith Stanfield Trooper Wagner: Noah Segan Linda Drysdale: Jamie Lee Curtis Richard Drysdale: Don Johnson Joni Thrombey: Toni Collette Megan „Meg“ Thrombey: Katherine Langford |
Laufzeit | 132 Minuten |
FSK | |
Seit dem 8. Mai 2020 im Handel erhältlich |
In seiner DNA ist Knives Out eine klassische Agatha Christie-Kriminalverfilmung, wie Hollywood sie zuletzt mit Mord im Orient-Express wiederentdeckte. Mit dem großen Unterschied, dass es sich hierbei um eine echte Rarität handelt: Originalstoff, der keine Vorlage kennt, keinem Franchise angehört und auch keine Neuauflage einer bekannten Handlung ist. Dabei stellt der Film sogar weit mehr dar als nur die Modernisierung eines längst in die Vergessenheit geratenen Genres. Wir sprechen hier von einem Film, der gleichzeitig Hommage und auf der Höhe der Zeit ist. Denn dank der Stilsicherheit, die Knives Out mit sich herumträgt, handelt es sich um einen völlig eigenständigen Titel, bei dem man gar nicht bemüht sein muss, Vergleichstitel heranzuziehen.
Protagonistin mit besonderem Tick
Knives Out fühlt sich vor allem aufgrund des Schauplatzes very brithsh an: Ein altes Herrenhaus. Eine malerische Kulisse mit vielen Winkeln und geradezu dafür erschaffen, um die dünnen Wände mit zahlreichen Geheimnissen zu füllen. Davon können sämtliche Befragten Blancs ein Lied singen. Denn irgendwo hat jeder von ihnen Dreck am Stecken oder versucht zumindest, etwas Pikantes vor jemand anderem geheim zu halten. Im Mittelpunkt steht Harlans Pflegerin Marta Cabrera (Ana de Armas, Blade Runner 2049), die längst eine Freundin der Familie ist, das emotionale Zentrum bildet und eine Eigenart mit sich bringt, welche das Drehbuch geschickt für sich zu nutzen weiß: Sie kann nicht lügen. Doch das alleine wäre viel zu einfach: Marta übergibt sich, sobald sie versucht zu lügen. Ein Kniff, der für zahlreiche Gags eingesetzt wird, vor allem aber im letzten Drittel bedacht eingesetzt wird.
Bestens aufgelegter Cast
Doch bevor die Handlung an Eigendynamik gewinnt, werden die einzelnen Familienmitglieder ganz klassisch im Einzelverhör befragt. Dabei kommen vor allem jene auf ihre Kosten, die das Kino-Ticket für den Allstar-Cast gelöst haben, dessen große Namen das Filmposter zieren: Don Johnson (Django Unchained), Chris Evans (Captain America), Toni Collette (Little Miss Sunshine), Michael Shannon (The Shape of Water), Jamie Lee Curtis (Halloween), Lakeith Stanfield (Get Out), Katherine Langford (Love, Simon) und Jaeden Martell (ES) sind nur ein paar der Namen. Zeit für den Einzelnen bleibt da zwar weitgehend nicht, was angesichts des Tempos in der zweiten Hälfte und der Spielfreude aller Darsteller schon wieder selbsterklärend ist.
Schmunzeln anstelle nüchterner Grübeleien
Neben all den Ermittlungen – und das ist neben dem bestens aufgelegten Cast auch die große Stärke des Films – finden immer wieder soziokulturelle und politische Beobachtungen Einzug ins Geschehen. Probleme existieren zuhauf in der Großfamilie und das liebe Geld hat einige Charaktere mächtig verdorben. Das exzentrische Ränkespiel (passenderweise gibt es einen an Game of Thrones erinnernden Messerstuhl) erweist sich nämlich, anders als man zunächst vermuten möchte, nicht als Whodunit-Krimi, sondern finstere Thriller-Satire, ähnlich dem ebenfalls allerseits gefeierten Parasite. Zu den pointiertesten Ideen zählt auch, dass sich partout niemand Martas Herkunftsland merken kann. Ein Seitenhieb auf die Ignoranz der Vereinigten Staaten.
Fazit
Knives Out ist ein Riesenspaß für alle Freunde doppelbödiger Whodunit-Titel, macht aber jenseits gängiger Genre-Mechanismen vor allem als Satire eine wunderbare Figur. Daniel Craig verleiht seiner lässigen Figur einen charmanten Fokus auf den Mordfall, während Ana de Armas ihre junge Karriere weiter ausbaut (2020 ist ohnehin ihr Jahr, wenn sie als Bond-Girl ein Wiedersehen mit Daniel Craig in James Bond 007: Keine Zeit zu sterben feiert). Rian Johnson spielt immer wieder mit der Erwartungshaltung seiner Zuschauer, lässt sie mehr wissen, als sie eigentlich wissen sollten, um anschließend doch noch einen großen Finaltwist aus dem Hut zu zaubern.
© Universum Film
Ab dem 8. Mai 2020 im Handel erhältlich