Koko-di Koko-da
… er kann nicht mehr kräh’n, koko-di, koko-da! Koko-koko-koko-koko-di, koko-daaaa! Wer jetzt direkt einen Ohrwurm hat, hat das Kinderlied “Der Hahn ist tot” entweder gut im Ohr behalten oder kann seine Erinnerung mit dem schwedisch-dänischen Terror-Grusler Koko-di Koko-da von Johannes Nyholm auffrischen. Dessen stellenweise kindliche Aufmachung verbirgt nicht, dass sich auf Handlungsebene ein surrealer Alptraum voller Boshaftigkeiten abspielt. Genre-Kino mit Arthouse-Anleihen, märchenhafter Atmosphäre und typisch skandinavischem Look & Feel. Deutsche Zuschauer konnten in die Faszination des Films bislang nur auf Festivals wie etwa dem Hard:line Filmfestival 2020 eintauchen, ein Kaufversion steht bislang noch aus.
Drei Jahre sind vergangen, seit das Ehepaar Elin (Ylva Gallon, Pure) und Tobias (Leif Edlund, Involuntary) die achtjährige Maja (Katarina Jacobson) verloren hat. Die Beziehung beider ist seitdem angespannt und nun soll ein gemeinsamer Campingurlaub die Ehe retten. Doch bereits auf dem Weg dahin wird deutlich, dass sich die Eheleute nicht mehr viel zu sagen haben. Sie verfahren sich im Wald (das behauptet zumindest sie, er ist vom Gegenteil überzeugt) und schlagen das Zelt auf einer Lichtung auf. Am nächsten Morgen stehen drei seltsame Gestalten vor ihrem Zelt, die sich als äußerst sadistisch erweisen. Erst töten sie Elin und lassen anschließend Tobias durch einen Hund im Zelt zerfleischen. Kurz darauf erwacht Tobias erneut im Zelt auf. Schweißgebadet und ohne viel Zeit zu handeln …
Traumatmosphäre mit bizarren Momenten
Originaltitel | Koko-di Koko-da |
Jahr | 2019 |
Land | Dänemark, Schweden |
Genre | Horror |
Regie | Johannes Nyholm |
Cast | Tobias: Leif Edlund Elin: Ylva Gallon Maja: Katarina Jacobson Mog: Peter Belli Sampo: Morad Baloo Khatchadorian Cherry: Brandy Litmanen |
Laufzeit | 89 Minuten |
FSK | unbekannt |
Bislang kein Veröffentlichungstermin |
Bereits von Beginn an gibt sich Koko-di Koko-da als Sammelsurium der Merkwürdigkeiten: Die Stimmung ist bereits in der Rückblende vor Majas Tod unheilvoll, bleibt aber auf bizarre Weise komisch und birgt sogar manch bösen Lacher. Und auch nach dem Sprung in die Gegenwart, wo die drei skurrilen Fremden im Wald aufwarten, bleibt das Geschehen auf seltsame Weise wenig greifbar. Auf der einen Seite steht die Handlung mit der angeschlagenen Beziehung schwer in der Realität verankert, auf der anderen Seite ist unklar, was die drei seltsam bekleideten Gestalten nun im Wald wollen und was das alles soll. Einer von ihnen ist angezogen wie ein Zirkusdirektor, einer ein Berg von einem Mann und eine, die eher den Anschein einer furios frisierten Cosplayerin erweckt. Eines ist klar: Sie morden und das auf eine ganz besonders perfide Weise. Die Gewaltspitzen mögen nicht die grafischsten sein, schmerzen vor allem aber auf psychologischer Ebene.
Schmerzhafte Zeitschleife
Koko-Di Koko-Da ist eine weitere Erzählung, die sich einer Zeitschleife bedient, wie jüngst Happy Deathday. Johannes Nyholm macht aus den Gründen dafür aber zumindest für seine Zuschauer kein Geheimnis. Er schickt seine beiden Akteure von Experiment zu Experiment, um dem schmerzhaften Alptraum irgendwie zu entkommen. Wie eine Maus, die durch ein Labyrinth rennt und dabei immer wieder auf eine Katze trifft. Die Gewalt ist grausam und nihilistisch, das Zirkustrio diabolisch aufgelegt. Mehr Handlung gibt es nicht, aber die eigentlichen Botschaften werden auch eher über Bilder und zwischen den Zeilen erzählt. Ob dies budgetäre oder künstlerische Hintergründe hat, bleibt ein Geheimnis Nyholms. Bereits die Entstehungsgeschichte des Films ist verrückt: Mitten während des Drehs ging der Produktion das Budget aus, weshalb Koko-di Koko-da erst einmal in der Produktionshölle feststeckte. Als Johannes Nyholm mit Giant 2016 einen formidablen Erfolg einfuhr, war der Budgettopf wieder aufgefüllt und die Dreharbeiten konnten wieder aufgenommen werden. Anzusehen ist das dem Endergebnis nicht. Im Gegenteil: Visuell hinterlässt der Film mit seiner heruntergeschraubten Farbsättigung einen guten Eindruck. Ein Teil der Handlung wird via Scherenschnitt-Puppentheater erzählt, was sich ebenfalls als Besonderheit erweist. Denn darüber lassen sich die Themen abbilden, die in Dialogen keinen Platz haben. Etwa weil die Kommunikation zwischen Elin und Tobias toxisch ist und ihr Schweigen mehr sagt als Worte es könnten.
Kein Publikumsreißer, sondern ein Werk über Trauerbewältigung
Mit Koko-di Koko-da schlägt Nyholm einen Weg ein, der seit der zweiten Hälfte der 2010er viele Horrorfilme dominiert: Beziehungsdramen. Ob nun Hereditary, The Lodge oder Relic: Sie alle haben gemeinsam, dass es um die Verarbeitung seelischen Leids geht. Auch Koko-di Koko-da ist in seinem Kern ein depressives Drama, das die Bewältigung der Trauer zweier Eltern zum Gegenstand hat. Die Zeitschleife bildet eine Parabel auf das Miteinander: Eine Beziehung ertrinkt in gängigen Mechanismen, aus denen es sich immer wieder herauszukämpfen gilt. Die Unmengen an Metaphern sorgen dafür, dass die Handlung vielschichtig und an vielen Stellen bedeutungsschwanger aufgezogen ist, auch wenn das eigentliche Erzählkonstrukt simpel bleibt. Eine Vorgehensweise, mit der ein nischiges Publikum stärker als die Masse angesprochen wird.
Fazit
Koko-di Koko-da ist faszinierendes Terror-Kino mit Arthouse-Einschlag. Aber: kein Unterhaltungsfilm. Ähnlich wie bei Titeln von Lars von Trier sind es die dunklen und grotesken Elemente, für die Begeisterung aufgebracht werden muss. Kein Film für das breite Publikum, das mit einem Film wie Eden Lake, der ein ähnliches Szenario besitzt, deutlich besser beraten ist. Die traumartige Atmosphäre, die metapherreiche Erzählweise und der märchenhafte Einschlag sorgen für ein ungewöhnliches Erzeugnis, das sich vage mit Funny Games oder Dead End vergleichen lässt. Antworten bleibt dieser Alptraum seinen Zuschauern schuldig, dafür gibt es wahrhaft unbequeme Szenen, die tief in den Kaninchenbau führen.
© Dark Star Pictures