Kraven the Hunter
Nach Venom, Morbius und Madame Web will Sony es noch einmal wissen und lässt mit Kraven the Hunter erneut einen Film aus dem Spider-man-losen SSU (Sonys Spider-Man Universe) auf das Publikum los. Schon wenige Tage vor dem Kinostart am 12. Dezember 2024 wurden die Vorzeichen richtig interpretiert: Der Film ist ein Kassenflop mit Ansage. Dementsprechend wurde bereits der Stecker gezogen: Nach nur sechs Filmen ist Schluss mit dem SSU. Und das ist auch gut so, denn mit Kraven the Hunter werden alle Probleme überdeutlich. Da hilft auch die äußerst vielversprechende Regie-Besetzung mit dem Oscar-nominierten J.C. Chandor (Margin Call, All is Lost, A Most Violent Year) nicht mehr.
Den beiden Halbbrüdern Sergei (Aaron Taylor-Johnson, Bullet Train) und Dimitri (Fred Hechinger, Gladiator II) wird von kleinauf von ihrem skrupellosen Vater Nikolai Kravinoff (Russell Crowe, Thor: Love and Thunder) beigebracht, dass Brutalität und Stärke die einzigen Fähigkeiten sind, um zu verhindern, zu einem Opfer der Gesellschaft zu werden. Bei einer Jagd kommt es zu einem Unfall, bei dem Sergei nur durch einen geheimnisvollen Trank gerettet werden kann. Nun mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestattet, sagt er sich von seinem Vater los und flieht nach Russland. Dort will er Gangster wie seinen Vater zur Strecke bringen und macht sich einen Namen als der gesetzlose Jäger Kraven the Hunter. Doch der Söldner Rhino (Alessandro Nivola, Ungehorsam) ist schon auf ihn aufmerksam geworden, da er selbst auf Kravens Liste stehen könnte. Rhino kennt auch Kravens Schwachstelle: seine Familie …
Ein Ergebnis aus der Post-Production-Hölle
Originaltitel | Kraven the Hunter |
Jahr | 2024 |
Land | USA |
Genre | Action, Fantasy |
Regie | J.C. Chandor |
Cast | Sergei Kravinoff / Kraven the Hunter: Aaron Taylor-Johnson Dimitri Smerdyakov / Chamäleon: Fred Hechinger Aleksei Sytsevich / Rhino: Alessandro Nivola Calypso: Ariana DeBose Nikolai Kravinoff: Russell Crowe The Foreigner: Christoph Abbott |
Laufzeit | 127 Minuten |
FSK | |
Kino-Start: 12. Dezember 2024 |
Kraven the Hunter zählt bereits seit 1964 zu Spider-Mans Widersachern. Allerdings wurde ihm bislang weder ein eigener Film, noch überhaupt ein Auftritt in einem anderen Spider-Man-Film beschert. Mit der Offensive „Spider-Man-Universum ohne Spider-Man“ ändert Sony dies. Auch wenn zumindest die drei Venom-Filme an den Kinokassen Anklang fanden, ist es nicht geglückt, Venom als ein ähnliches Zugpferd zu positionieren, wie es etwa Tony Stark für das Marvel Cinematic Universe war. Vorgesehen war der Film ursprünglich bereits für eine Veröffentlichung im Januar 2023 und wurde dann fleißig durch den Veröffentlichungskalender geschoben. Zahlreiche Nachdrehs und nachträgliche Veränderungen standen an. Was bedeutet das für das fertige Produkt? Fangen wir mit dem Guten an: Aaron Taylor-Johnson ist ein überdurchschnittlich attraktiver Mann und gibt als Kraven eine gute Figur ab. Mit Verlaub: Das sind auch schon sämtliche positiven Aspekte des Films. Das hanebüchene Drehbuch, das wieder einmal von drei Autoren zusammengeschrieben wurde, gibt ihm wenige Momente, wirklich zu glänzen. Eine Paraderolle sieht anders aus. Mehr als Physis ist da nicht vorhanden, denn Kraven besitzt kaum Persönlichkeit und schon gar nicht so etwas wie eine Entwicklung. Damit ist er nicht alleine und einzig der Charakter Rhino kann noch ein bisschen von dem profitieren, was ihm an Origin Story auf den Rücken geschrieben wurde. Vor nicht allzu langer Zeit hat Regisseur J.C. Chandor spannende kleine Charakterstudien wie All Is Lost und A Most Violent Year gedreht. Für Kraven the Hunter hat er eine Reihe von Talenten zusammengestellt, die in diesem Film regelrecht verschwendet werden. Das Drehbuch ist aber auch ein heilloses Chaos und es fühlt sich stellenweise an, als würde jeder Charakter in einem eigenen Film spielen. Man merkt dem Film leider an, dass Szenen nachträglich verändert wurden und auch, dass man Inhalte in der Postproduktion mittels Synchronisation angleichen musste. Bei genauem Hinsehen wird das sogar ersichtlich, wenn Lippenbewegungen und Ton nicht übereinstimmen, weil sich ganz offenbar Dialoge verändert haben.
R-Rating als Heilsbringer
Damit Kraven the Hunter die nötige Würze bekommt, entschied man sich bei Sony für ein R-Rating. Denn seien wir ehrlich: Ein Jäger ohne Blut? Unvorstellbar. Und dass ein R-Rating bei Comic-Adaptionen sehr wohl funktioniert, zeigte Deadpool & Wolverine eindrucksvoll. Schade ist natürlich, dass dies nicht bereits 2018 bei Venom der Fall war, denn hier wollte man noch ausdrücklich auf ein R-Rating verzichten, um möglichst viele Zuschauer:innen in die Säle zu bekommen. Kraven the Hunter ist nun kein albernes Gorefest, das muss man dem Film lassen. Wenn auf Blut und Gedärme zurückgeführt wird, dann immer in ernster John Wick-Manier. Es gibt jede Menge Action, aber nichts davon fühlt sich spannender an als der Rest einer abgestumpften Erzählung, die sich schnell in eine Sammlung von Stichwortgeber-Auftritten verschiedener Spider-Man-Bösewichte aus den Comics verwandelt. Die schiere Zwanghaftigkeit, warum
Unterdurchschnittliche Visuelle Effekte
Wie so oft bei Sony-Filmen erbringt Kravens Solofilm in Bezug auf CGI nicht annähernd eine gute Leistung. Ob es die wilden Tiere in Afrika sind oder die Spezialeffekte, die bei Bösewichten wie Rhino zum Einsatz kommen: Vieles kommt unglaubwürdig daher. Abgesehen von der Optik des Nashorns, die zu wünschen übrig lässt, sind die auffälligsten schlechte CGI-Effekte bei den Tieren zu sehen, die am engsten mit Kraven in Verbindung gebracht werden. Dazu gehören der Löwe, der Kraven seine Kräfte verleiht, und der Schneeleopard, gegen den er auf der Suche nach seinem Bruder kämpft. Das sind nur zwei Beispiele, die zeigen, dass die visuellen Effekte nicht dem Standard anderer aktueller Actionfilme entsprechen. Dies gilt aber auch für die Dialoge. Da sprechen die Figuren häufig Dinge aus, die niemand sagen würde, und das nur mit dem Zweck, dem Publikum etwas zu erklären, das nahezu selbsterklärend ist. Wenn Kraven und Calypso auf einer Parkbank sitzen und sich erzählen, was ihnen in den 15 Jahren seit ihrem letzten Zusammentreffen passiert ist, dann fühlt sich das nie nach einem echten Gespräch an, sondern einfach nur nach einem plumpen Weg, um uns mit weiteren Hintergrundinformationen zu füttern.
Fazit
Abgearbeitete Checklisten, Szenen-an-Szenen-Reihung und CGI-Pampe: Kraven the Hunter ist ein bitterer Abgesang des kreativlosen SSU. Ein lieblos zusammengeschusterter Film ohne Vision, der irgendwo in den 2000ern hängengeblieben ist. Ein Schlag in die Magengrube für Marvel-Fans, die mitansehen müssen, dass eine lieblose und völlig für sich stehende Produktion offenbar nur dazu dient, keine Figurenrechte zu verlieren. Dabei wäre doch das Potenzial vorhanden, mehr zu reißen, hätte man sich nur um Kohärenz und ein anständiges Drehbuch bemüht. Unter allen SSU-Filmen ist das der, der am meisten weh tut mit Blick auf liegengebliebes Potenzial und den an sich starken Cast, der hier eben nur nichts von sich zeigen darf. Aber wie immer wird es natürlich Menschen geben, die sich in solche Filme setzen können, ohne sich mit Logik oder Charakterzeichnung auseinanderzusetzen und einfach an der generischen Action ihren Spaß haben.
© Sony Pictures