Kung Fu Rookie

Kasachstan ist kein Land, das für seine Filmszene international sonderlich bekannt ist. Laut einer Bericht des Hollywood Reporters im Jahr 2016 werden gerade einmal 15 abendfüllende Spielfilme im Jahr produziert. Das kasachische Kino genießt im eigenen Land ein Nischendasein zwischen Hollywood-Kino und russischen Big Budget-Produktionen (80% der Bevölkerung sprechen russisch). Und dann ist da noch das Nachbarland China mit einem ebenfalls gigantischen Filmmarkt. Vielleicht wirkt es gerade deshalb umso kurioser, dass Regisseur Aman Ergaziyev mit seinem Film Kung Fu Rookie eine Martial Arts-Produktion auf die Beine made in Kasachstan gestellt hat. Wir haben die internationale Premiere auf dem Obscura Filmfest 2024 besucht. Zu einem späteren Zeitpunkt wird der Titel bei Meteor Film erscheinen.

Der junge Mann Timuchin (Timur Baktybayev) kehrt in seine Heimat zurück. Dort strebt er eine Karriere bei der Polizei an. Bis es soweit ist, lebt er bei seinem Onkel Samat (Kuandyk Shakyrzhanov). Diesen unterstützt er auch als Aushilfe an dessen Obst- und Gemüsestand mitten in der Stadt. Eines Tages gerät er in einen Konflikt mit einem Dieb, den er aber nach einer Verfolgungsjagd überwältigen kann. Doch dabei bleibt es nicht: Plötzlich hat er es mit einer ganzen Gang zu tun, die es auf ihn abgesehen hat. Doch für Timuchin kein Problem. Niemand sieht dem unscheinbaren Mann an, welche Kräfte in seinen Knochen schlummern. Ganz nebenbei verguckt er sich in die junge Alua (Janelle Sergazina), was auch der Gang nicht entgeht …

Ein Liebesbrief an Bruce Lee

Originaltitel Timuchin
Jahr 2023
Land Kasachstan
Genre Martial Arts, Romanze, Komödie
Regie Aman Ergaziev
Cast Timuchin: Timur Baktybayev
Alua: Janelle Sergazina
Samal: Irina Azhmukhamedova
Samat: Kuandyk Shakyrzhanov
Aldiyar: Kuat Khamitov
Laufzeit 78 Minuten
FSK Keine Angabe
Titel im Programm des Obscura Filmfest 2024

Der Plot von Kung Fu Rookie ist so schmal, dass er auf einen Bierdeckel passt. Er könnte die Blaupause für jeden Martial Arts-Manga aus den 80ern oder 90ern gewesen sein: Ein unscheinbarer Typ, dem erst einmal niemand etwas zutraut und der sogar eher belächelt wird, wächst über sich hinaus. Dabei setzt er seine versteckten Fähigkeiten für das Gute ein. Nebenbei werden die Bösen dingfest gemacht und das Mädchen der Träume erobert. Damit ist im Grunde auch schon alles über Kung Fu Rookie gesagt, zumindest wenn man es beim Plot belässt. Innovationskraft ist hier fehl am Platz. Aber es scheint Regisseur Aman Ergaziyev gar nicht darum zu gehen, das Rad neu zu erfinden. Viel eher huldigt er Bruce Lee und Jackie Chan, welche auch beide namentlich im Film genannt werden, indem er “seinen” Helden ins Rennen schickt. Denn Timuchin hat nicht nur einen Traum, sondern auch Vorbilder. Und vielleicht ist es auch gar nicht der Anspruch der Zielgruppe, eine verworrene Geschichte erzählt zu bekommen, wennn man es auch bei Gang-Möbeleien belassen kann. Kung Fu Rookie backt kleine Brötchen.

Timur Baktybayev ist eine Entdeckung

Was von der ersten Minute an auffällt: Timur Baktybayev ist ein Sonnenschein. Ein Typ, der mit seinem Strahlen den Raum für sich einnehmen kann und mit seiner guten Laune ansteckt. Er ist damit die Triebfeder des Films. Es ist, als hätte man ihm den Film auf den Leib geschrieben. Ein unscheinbarer Mann, der vielleicht nicht mit seiner Körpergröße oder Statur einschüchtert, aber dann plötzlich beeindruckt, wenn er seine Fäuste sprechen lässt. Die Kampfszenen gehen ihm so leicht von der Hand, als würde er sonst nichts anderes machen. Und danach strahlt er wieder, als hätte ihn all das keinen Funken Anstrengung gekostet. Diese Art Souveränität passt ziemlich gut zur Tonalität des Films. Es geht hier nicht um das große Drama und der Verzicht von Schweiß, Blut und Tränen sorgt dafür, dass alles auf angenehme Weise geerdet bleibt. Die Bedrohung durch die Gang ist für uns Außenstehende nicht riesig. Aber Timuchin geht es um sein Wertesystem und die Menschen, die ihm am Herz liegen. Das ist authentisch und funktioniert deshalb auch.

Kampfkunst meets RomCom

Wirklich lang fühlt sich keine der Szenen an, weil wir einen Hauptcharakter haben, mit dem man gerne Zeit verbringt. Klingt komisch, ist aber so: Timuchin ist ein cooler Typ mit dem Herz am rechten Fleck und setzt sich selbstlos für seinen Onkel und seinen Schwarm Alua ein, aber auch Aluas Tante, als diese beklaut wird. Auch wenn die Kampfchoreos aufwändig sind, steht nicht die Gewalt im Vordergrund. Es bleibt immer humorvoll, etwa wenn Oberbully Aldiyar (Kuat Khamitov) bei einem Kampf auf dem Jahrmarkt mit dem Kopf in eine Zuckerwattemaschine gedrückt wird und anschließend so furios frisiert herumläuft, dass alle etwas davon haben. Obwohl die Kampfszenen etwas fürs Auge sind, sind es gerade die ruhigen Szenen, in denen die Chemie der beiden Hauptdarsteller am besten funktioniert. Die unschuldige Romanze nimmt man ihnen direkt ab. Auch wenn die Filmografien aller Beteiligten überschaubar sind, springt die Freude am Spielen über.

Fazit

Kung Fu Rookie mag auf den ersten Blick nicht den Anschein erwecken, etwas Besonderes zu sein und wenn danach innerhalb der Story sucht, wird man auch nicht fündig. Zudem befinden sich keine bekannten Namen im Cast auch mit einem Martial Arts-Titel aus Kasachstan entsteht keine Magnetwirkung. Der wahre Unique Selling Point ist aber nach dem Ansehen klar: Der authentische und tolle Hauptdarsteller mit seiner guten Laune, die souveränen Kampf-Choreografien und eine ausgeklügelten Balance zwischen Humor, Romantik und Action. Das Ergebnis macht Spaß. Mehr von Timur Baktybayev!

© Meteor Film

Ayres

Ayres ist ein richtiger Horror- & Mystery-Junkie, liebt gute Point’n’Click-Adventures und ist Fighting Games nie abgeneigt. Besonders spannend findet er Psychologie, deshalb werden in seinem Wohnzimmer regelmäßig "Die Werwölfe von Düsterwald"-Abende veranstaltet. Sein teuerstes Hobby ist das Sammeln von Steelbooks. In seinem Besitz befinden sich mehr als 100 Blu-Ray Steelbooks aus aller Welt.

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